Krefeld Kurzfilm erzählt von Sehnsüchten

Krefeld · Ein inklusiver Film der Lebenshilfe wird zu einem erfolgreichen Modellprojekt - made in Krefeld.

 Ein ganz besonderer Kurzfilm entsteht derzeit in Krefeld. Alle Schauspieler sind Menschen mit geistiger Behinderung, die gemeinsam in einem Haus der Krefelder Lebenshilfe wohnen. Sie zeigen in diesem Film ihre Sicht der Dinge, improvisieren - und haben jede Menge Spaß dabei. In dieser Szene zu sehen sind Philipp Rieger (r.) und David Löwenforst.

Ein ganz besonderer Kurzfilm entsteht derzeit in Krefeld. Alle Schauspieler sind Menschen mit geistiger Behinderung, die gemeinsam in einem Haus der Krefelder Lebenshilfe wohnen. Sie zeigen in diesem Film ihre Sicht der Dinge, improvisieren - und haben jede Menge Spaß dabei. In dieser Szene zu sehen sind Philipp Rieger (r.) und David Löwenforst.

Foto: Leib+Seele

In Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe Krefeld entsteht derzeit ein Kurzfilm mit Bewohnern eines Wohnhauses für Menschen mit geistiger Behinderung - doch Behinderung spielt in diesem Film keine Rolle. Es geht um ganz alltägliche Gedanken, Gefühle, Träume und Ängste, um Kreativität, um das Leben und um den Tod.

Die Bewohner waren Schauspieler, gestalteten selbst das Drehbuch und beteiligten sich an weiteren Bereichen der Produktion. Gedreht wurde im vergangenen Jahr in der alten Samtweberei im Krefelder Südbezirk. Nun befindet sich der Film im Schnitt und soll im Herbst 2016 unter dem Titel "Die Götter müssen Klempner sein" Premiere feiern. Ins Leben gerufen wurde das inklusive Projekt von den Produzenten Nils Rottgardt und Esther Siegrist.

 Philipp Rieger und Anja Meyer in einer Szene, die an die legendären "Columbo"-Filme erinnert.

Philipp Rieger und Anja Meyer in einer Szene, die an die legendären "Columbo"-Filme erinnert.

Foto: Leib + Seele

Wer sich den Teaser zu "Die Götter müssen Klempner sein" auf der Homepage der Produktionsfirma "Leib+Seele" ansieht, dem wird schnell klar, dass es sich dabei um ein ziemlich außergewöhnliches Projekt handelt. Der gesamte Prozess war das Ziel, wie Nils Rottgardt erzählt: "Unsere Einschätzung war von Anfang an, dass es etwas sehr Spezielles ist, was wir da machen. Etwas, das in seiner Entwicklung eine unglaubliche Qualität für die Beteiligten haben kann und als Produkt am Ende eine Qualität aufweisen könnte, die es in dieser Form noch nicht gab."

Rottgardt arbeitete als Betreuer im Wohnhaus der Lebenshilfe. Gemeinsam mit seiner Kollegin Esther Siegrist kam ihm eines Tages die Idee für das Projekt: "Uns fiel auf, dass hier jeden Tag viele kleine, riesengroße Dinge passieren, von denen die Welt nichts mitbekommt. Wir wollten die Menschen in ihren Eigenheiten zeigen, mit ihren Sehnsüchten und Träumen und dabei deutlich machen, dass die Bedürfnisse von allen Menschen eigentlich gleich sind, ob sie nun behindert sind oder nicht." Es sollte ein Dokument entstehen, welches dies greifbar macht - und so kamen Rottgardt und Siegrist zum Medium Film.

Dokumentationen zum Themenbereich Behinderung und Inklusion gibt es wie Sand am Meer. Nach kurzer Recherche stießen Rottgardt und Siegrist jedoch darauf, dass es im deutschsprachigen Raum bisher noch kein Projekt gibt, bei dem ausschließlich mit Menschen mit geistiger Behinderung als Schauspieler gearbeitet wird. Die Bewohner des Wohnhauses waren schnell begeistert von der Idee. Nachdem die Eltern als Verantwortliche sowie die Geschäftsführung der Lebenshilfe ins Boot geholt worden waren, gründeten Rottgardt und Siegrist die Produktionsfirma "Leib+Seele" - und es konnte losgehen.

"Wir wollten Räume schaffen, in denen es kein Richtig und Falsch gibt, in denen sich Menschen frei bewegen können", begründet Rottgardt den Entschluss, kein Drehbuch vorzugeben. Stattdessen sollte das Drehbuch gemeinsam mit den Teilnehmern entwickelt und durch deren verschiedene Persönlichkeiten inspiriert werden. Aus der Idee wurde schnell ein sehr zeitaufwendiges Großprojekt. Nach den ersten Proben war für alle Beteiligten jedoch klar, dass die Mühen es wert sind: "Die Menschen sind so glücklich dort hineingegangen und wieder herausgekommen und haben sich auf eine Art und Weise verhalten, die man aus dem Betreueralltag im Wohnhaus nicht kennt, weil es dort vergleichbare Situationen einfach nicht gibt", erzählen Rottgardt und Siegrist.

Es dauerte deshalb auch nicht lange, bis viele mit Freude und Einsatz bereit waren, das Projekt zu unterstützen: "Das Ganze hatte so eine eigene Qualität, dass eigentlich jeder, der mit dem Projekt näher in Berührung kam, indem er zum Beispiel bei den Proben oder beim Dreh dabei war, sich dem nicht entziehen konnte. Das Ganze hat einen Zauber, das hat Magie." Und so entstand ein riesiger gemeinschaftlicher Arbeitsprozess.

Die Dreharbeiten sind inzwischen abgeschlossen. Im Herbst 2016 soll nun der Kurzfilm Premiere feiern, der filmisch einen qualitativen Anspruch hat - und bei dem die Schauspieler zufällig Menschen mit Behinderung sind. Die Behinderungen der Darsteller werden an keinem Punkt des Films thematisiert. Rottgardt betont immer wieder, wie wichtig dieser Aspekt des Projekts für die Teilnehmer war und ist: "Wir haben mit den Menschen gearbeitet wie mit einer Gruppe von Schauspielern. Diese Menschen bekommen teilweise seit 30 Jahren von Menschen ohne Behinderung gesagt, wer sie sind, was sie wollen oder was sie zu tun haben. Wenn man wie im Film-Projekt eine Kommunikation auf Augenhöhe herstellt, macht das auch etwas mit einem selbst."

Inklusion ist in unserer Gesellschaft ein aktuelles, viel diskutiertes Thema. Der Kurzfilm könnte gerade im Bildungssektor eine Bereicherung sein. Im Schulunterricht oder auch in der Ausbildung von Pflegekräften könnte ein Film wie dieser, der vielleicht nicht das ist, was man erwartet, eine größere Aufmerksamkeit für das Thema Inklusion schaffen. Was sollte der Zuschauer also mitnehmen, wenn er den Film gesehen hat? "Für uns wäre das Ziel erreicht, wenn der Zuschauer im Kino sitzt und denkt: Was ist das? Und dann noch einmal hinguckt und Lust bekommt, weiter zu gucken, und dann vielleicht feststellt: Hey, das hat ja was mit mir zu tun."

(RP)
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