Silk City Gallery Krefeld Die Verwandlung eines Betonriesen

Krefeld · Der Theaterplatz wird zur Silk City: 30 Street-Art-Künstler machen das Seidenweberhaus zum Kunstobjekt. „Ich finde die Architektur interessant, die Dimension ist nur monströs “, findet die Italienerin Camilla Margarito.

Die Verwandlung eines Betonriesen
15 Bilder

Die Verwandlung eines Betonriesen

15 Bilder
Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Das Seidenweberhaus als  siamesischen  Zwilling zu betrachten, ist außergewöhnlich. Der Bau aus den 1970er Jahren auf dem Theaterplatz ist eigentlich ein Solitär der Brutalo-Architektur. Aber egal, wie man zu dem Gebäude steht, man muss damit leben, findet Camilla Margarito: „Das ist so mit vielem im Leben: Familie, Nachbarn - die sucht man sich nicht aus. Aber man muss einen Weg finden, um gut mit ihnen leben zu können.“  Bei siamesischen Zwillingen fragt sie sich: „Wie geht das: zwei Menschen, zwei Gehirne, ein Körper? Wie organisiert man damit sein Leben?“ Die Italienerin ist Bildhauerin, Illustratorin und Street-Art-Künstlerin. Sie hat an der Kunstakademie in Lecce (Puglia) studiert. Die Arbeit am Seidenweberhaus ist eine Herausforderung für sie - und der geeignete Platz, um die Siamesischen Zwillinge zu thematisieren.

Im Rahmen des Langzeitprojekts „Krefelder Perspektivwechsel“ hat das Stadtmarketing 30 internationale Künstlerinnen und Künstler eingeladen, die Fassade des Seidenweberhauses zu gestalten. „Wir haben keine Vorgaben gemacht. Aber es soll eine Auseinandersetzung mit Stadtkultur sein, keine Verschönerungsaktion“, betont Stadtmarketingleiterin Claire Neidhardt.  Die Kreativen kommen aus Europa, Kanada, Mexiko - trotz schwieriger Bedingungen in Corona-Zeiten. „Auch wenn es einfacher gewesen wäre, sich auf Europa zu beschränken: Es wäre ein falsches Signal an die Künstlerschaft“, so Neidhardt. Sie ist gespannt, wie sich der Betonklotz am Wochenende präsentieren wird, wenn die Künstlerarbeiten abgeschlossen sind.

Am Dienstag ist vieles nur zu erahnen. Hubwagen stehen Spalier und warten auf den Einsatz. Sie liften diejenigen nach oben, die sich für die wenig zugänglichen Ecken entschieden haben. Andere stehen auf Gerüsten oder hocken am Boden. „Am Montag haben alle diesen Ort  erstmals Mal gesehen, vorher kannten sie ihn nur vom Foto. Dann haben sie entschieden, wer wo arbeitet“, sagt Neidhardt. Manche gestalten sogar mehrere Stellen.

Auch Camilla Margarito wird mindestens eine zweite Szene in Angriff nehmen. Am liebsten dort, wo sie festen Boden unter den Füßen hat. Sie arbeitet meistens mit Kreide, und der saugende Beton des Seidenweberhauses ist kein einfacher Untergrund. „Aber ich finde die Form der Hexagone interessant, es ist ein ausgefallenes Gebäude, ich habe etwas Vergleichbares noch nie gesehen. Es ist nur  zu monströs. Auch der Platz hier ist hübsch.“

Vor der Verwandlung des Seidenweberhauses in „Silk City“ hatte die Stadt Reinigungstrupps mit chemischen Keulen losgeschickt, um Schmutz und Gestank zu beseitigen. Der stillgelegte Brunnen ist jetzt ein rotblühender Hingucker.

Die Form der Architektur hat viele Künstler beeindruckt, manche nehmen in ihren Bildern Bezug dazu. Eine vielleicht unbeabsichtigte Symbolkraft hat eine rosarot blühende Pilzlandschaft, vor der das schäbig gewordene Pflaster vom Elend des Ortes kündet. In einem Treppenaufgang wacht ein großer Engel, anderswo verschwindet das Betongrau unter Regenbogenfarben.  Tiberio Mazzocchi ist eigentlich Madonnari-Künstler, also auf Madonnendarstellung spezialisiert: „Meine Arbeit ist die Parallele zwischen diesem Ort und den Menschen hier. In der Mitte meines Bildes wird ein Foto von Joseph Beuys sein, links daneben amerikanische Ureinwohner und darunter das Foto eines Kojoten.”

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort