Sammlungsschatz im Deutschen Textilmuseum Männershorts aus dem Jahr 400 vor Christus

Krefeld · Das Textilmuseum hat eine große Sammlung peruanischer Stoffe. Ein Prachtstück wird in der nächsten Ausstellung präsentiert: ein 3000 Jahre alter Lendenschurz. Und der wirft eine ganz praktische Frage auf.

 Der Lendenschurz kommt vermutlicch aus dem vierten Jahrhundert vor Christus. Die Zierstücke rechts und links zeigen Katzenmotive - sie sind original erhalten.

Der Lendenschurz kommt vermutlicch aus dem vierten Jahrhundert vor Christus. Die Zierstücke rechts und links zeigen Katzenmotive - sie sind original erhalten.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Gebunden oder durchgezogen? Wie wurden aus dem schmucken Band die ältesten Männershorts der Sammlung? Diese Frage beschäftigt die Expertinnen im Deutschen Textilmuseum. Sie bereiten gerade die nächste Ausstellung mit Textilien aus Peru vor - als krönenden Abschluss ihres Forschungsprojekts „Ans Licht“. Dabei sind sie auf diesen Schatz gestoßen: etwa 98 Zentimeter lang und  26 Zentimeter breit. Es ist ein Lendenschurz,  der von der Südküste Perus stammt. Das Erstaunliche: Er ist der Paracas-Kultur zugeschrieben, die von 900 bis 200 vor Christus in der Region Ico existierte. Der Lendenschurz wird auf 400 bis 200 vor. Christus datiert. Und weil es kaum Quellenmaterial aus jener Zeit gibt, kann man eben nur vermuten, wie der Mann dereinst das schmucke Webstück um Bauch und Lenden geschürzt hat.

Es wird wohl kein einfacher Mann aus dem Volk gewesen sein, denn die Verarbeitung ist höchst kunstvoll. Dem gut konservierenden Boden ist zu verdanken, dass das Textilstück aus Kamelidenhaar - dem feinen Haar von Kamel und Lama - so gut erhalten ist. In den peruanischen Kulturen wurden Tote mumifiziert und in sogenannter Hockerstellung beigesetzt - von ihrer besten Kleidung begleitet. Aus einem Grab stammt vermutlich auch dieser Lendenschurz.1992 war er als Exponat einer Ausstellung über textile Kunst vor Columbus in der Deutschen Bank am Ostwall zu sehen. Danach ist er mit Fördermitteln der Deutschen Bank und der NRW-Landesstiftung Kunst und Kultur erworben worden und in die Sammlung gekommen. 

 Sie bereiten die Peru-Ausstellung vor (v.l.) Silke Buechel, Isa Fleischmann-Heck und Annette Schieck.

Sie bereiten die Peru-Ausstellung vor (v.l.) Silke Buechel, Isa Fleischmann-Heck und Annette Schieck.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

 „Das indigofarbene Trägergewebe ist möglicherweise nicht original. Die Zierstücke sind es auf jeden Fall“, sagt Annette Schieck, Leiterin des Textilmuseums. Diese Zierstücke verdienen ihren Namen. Auf rotem Grund sind hauchzarte, figürliche Stickereien, deren Details sich erst beim genauen Hinschauen offenbaren.  Das Motiv der Katze als Augenwesen mit dreieckigem Kopf taucht immer wieder auf. Es gibt auch Katzen, deren Körper mit kleineren Katzen gefüllt sind, und Darstellungen von Borstenwürmern (eine Ringelwurmart, die im Wasser lebt). Die Katze kommt in allen südamerikanischen Kulturen vor. „Gemeint ist nicht die Haus-, sondern die Großkatze: Puma und Jaguar hatten für die Menschen wichtige Bedeutung. Tiere sind in Verbindung mit Fruchtbarkeitsritualen, mit Landwirtschaft und Naturkatastrophen verbreitet. Puma und Jaguar stellten auch eine ganz reale Bedrohung dar“, sagt Isa Fleischmann-Heck, stellvertretende Museumsleiterin. Doch mit Schieck ist sie einig: „Wir wollen keine esoterische Deutung betreiben. Wir konzentrieren uns auf die Technik.“

Auch das ist ein weites Feld, denn es gibt keine Schriftkultur, nur Bildquellen geben Aufschluss. „Wenn man die Textilien unter der Lupe betrachtet, erkennt man, dass Links- und Rechtsdrehungen des Fadens bewusst eingesetzt wurden, um Wirkung zu erzielen“, so Schieck. Was die Wissenschaftlerinnen am meisten erstaunt hat: Auf verschiedenen Kontinenten haben sich  zur selben Zeit ganz ähnliche Techniken, Muster und Farbgebungen entwickelt. So ähneln peruanische Stoffe nicht nur denen aus anderen südamerikanischen Kulturen, sondern denen der Kopten im alten Ägypten.

Die kommende Ausstellung wird Hingucker präsentieren - Farben, die überraschend gut die Jahrtausende überstanden, Motive, die noch heute Bestand haben. 200 Objekte wurden dafür aus der 800 Teile umfassenden Peru-Sammlung ausgewählt - das älteste von 500 v.Chr., das neueste aus den 1980er Jahren. Es sollen auch historische Näh- und Webgeräte gezeigt werden. Eines wird es nicht geben: Seide. Die kannten die alten Kulturen Perus nicht. Sie arbeiteten mit Baumwolle und Kamelidenhaar. Selbst Schafswolle war ihnen viel zu derb.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort