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Sinfoniekonzert mit Tan Dun und Bruckner Kütson und die Schamanen

Krefeld · Ein ungewöhnliches Hörerlebnis erwartet das Publikum beim 2. Sinfoniekonzert. In Tan Duns „Fire Ritual“ wird der Dirigent zum Schamanen. Eine hochkarätige Solistin spielt das Violin-Solo. Warum danach nur noch Bruckner passt.

„Es gibt so viel gute Musik, die es sich zu entdecken lohnt“: Generalmusikdirektor Mihkel Kütson hat ein spannendes Programm um Krieg und Frieden zusammengestellt.

„Es gibt so viel gute Musik, die es sich zu entdecken lohnt“: Generalmusikdirektor Mihkel Kütson hat ein spannendes Programm um Krieg und Frieden zusammengestellt.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Es deutet schon Außergewöhnliches an, wenn ein Orchester vor dem Auftritt nicht nur die Instrumente stimmt, sondern auch die eigenen Stimmen wärmt. Beim nächsten Sinfoniekonzert sind die Musikerinnen und Musiker auch vokal gefragt.  Es wird exotisch.

Die Niederrheinischen Sinfoniker werden den Abend mit dem Violinkonzert „Fire Ritual“ von Tan Dun eröffnen, das der Komponist als „A musical Ritual for the Victims of the War“ beschrieben hat. Das musikalische Ritual für die Kriegsopfer verbindet die Tradition alter chinesischer Hofmusik mit ritueller, spiritueller Musik. Generalmusikdirektor Mihkel Kütson und sein Orchester werden auch Laute sprechen und summen. „Es wird sehr spannend“, sagt Kütson.

Planungen fürs konzertante Jahresprogramm haben einen langen Vorlauf. „Es ist erschreckend, welche Aktualität diese Musik jetzt hat“, bemerkt der GMD. Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine war damals noch unvorstellbar. Aber Tan Dun (Jahrgang 1957) bezieht sich auf kein konkretes Massaker. Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind geschätzt 65 Millionen Menschen in einem Krieg gestorben. Die Bedrohung, die Angst, das Leid sind permanent in der Welt. „Nur jetzt spüren wir es hier direkter“, sagt der GMD.

Tan Dun teilt das Orchester in zwei Gruppen, die auf der Bühne und im Saal platziert sind, so wird das Publikum eingehüllt in die Klangwelt. „Es muss nicht mitmachen, aber es wird auch diese körperliche Erfahrung haben, die Vibration spüren“, sagt Kütson. „Tan Duns große Stärke ist es, Musik so  lebendig zu schreiben, dass sie einen packt. Alles ist selbsterklärend. Das ist bei zeitgenössischer Musik nicht immer der Fall.“ Wer an Filmmusik denkt, liegt nicht falsch. Der Komponist - in China geboren und inzwischen in New York beheimatet - hat für seine Musik zu „Tigers an Dragons“ (2000) einen Grammy und einen Oscar bekommen. Die Themen  aus „Fire Ritual“ - grausame Kriege, unschuldige Menschen, Mantras der himmlischen Vögel und Ewigkeit -  werden entsprechend tonmalerisch umgesetzt. 

Nicht alles ist dabei auskomponiert, die Musiker sind gefragt, sich zum Beispiel die Mantras himmlischer Vögel  vorzustellen. Rituelle Laute und Geräusche, Summen und Raunen gibt Tan Dun vor. Auch Kütson darf nicht stumm bleiben. Er hat die Rolle eines Schamanen, der das Ritual leitet, das Kriegsgemetzel und die Klagen über die Toten und den Übergang in ein Friedensgebet.

Das Stück hat Tan Dun für die norwegische Violinistin Eldbjørg Hemsing geschrieben, die auch den Solopart bei den Niederrheinischen Sinfonikern spielt. Sie ist auf den großen Konzertpodien der Welt gefragt. Es ist ein Coup, dass Kütson sie an den Niederrhein holen konnte. „Es ist auch eine große Chance. Oft überlegen wir Interpreten, wie ein Komponist sich etwas vorgestellt hat, doch wir können ihn nicht mehr fragen. Jetzt haben wir die durch die Künstlerin, für die das Werk geschrieben wurde, eine Verbindung.“

Hemsing trat mit sechs Jahren erstmals als Violinistin auf. Mit 22 war sie Solistin im Philharmonieorchester Bergen, und sie spielte bei der Nobelpreisverleihung in Oslo. Seit 2010 kennt die heute 32-Jährige den Komponisten Tan Dun,  und es verbindet sie eine intensive Zusammenarbeit.

Vertraute Gefilde gibt es nach der Pause: Anton Bruckners Neunte in d-Moll, seine letzte, unvollendete Sinfonie. „Wenn ein Werk nach der Musik von Tan Dun passt, dann dieses“, begründet Kütson seine Wahl. Hier stelle der Komponist die treffendste aller Fragen: Was kommt nach dem Leben. „Das wird in der Musik hörbar.“

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