Ausstellungsprogramm in Krefeld 2022 ist im Museum auch Anfassen erlaubt
Krefeld · Adolf Luther, Jean Tinguely und Sonia Delaunay: Attraktive Namen stehen im Jahresprogramm der Krefelder Kunstmuseen für 2022. Neue Bezüge in die Gegenwart sind Thema. Und das Beste. Anfassen ist ganz oft erwünscht: Wer Kunst anguckt, wird selbst Teil des Kunstwerks.
In der Kunst ist nichts flüchtiger als Licht und Klang. Gerade die ephemeren Kunst-Stoffe stehen im kommenden Jahr im Mittelpunkt des Ausstellungsprogramms der Krefelder Kunstmuseen, das Museumsleiterin Katia Baudin und ihr Team am Donnerstag vorstellten.
Zum Beispiel Adolf Luther: Licht und Nebel reichten ihm, um ein unendliches Wirkungsspiel zu kreieren. „Seine Spiegel sind ja auch nicht für sich alleine Kunst, sondern es geht auch um den Betrachter und sein Umfeld, die Teil des Kunstwerks werden“, sagt Baudin. Spiel, Experiment, sich selber suchen, anderes finden - das ist der Leitfaden durch das Ausstellungsjahr. „Wir wollen ein Programm bieten, das Hoffnung und Leidenschaft weckt - das fehlt so vielen in dieser Corona-Zeit“, meint die Museumschefin.
Die Sammlung ist als DNA der Häuser Ausgangspunkt für Dialoge mit zeitgenössischen Künstlern, um neue Blickwinkel zu schaffen. Zu den ureigenen Aufgaben des Museums gehört auch die Wiederentdeckung von Künstlern, die Wegbereiter für neue Entwicklungen waren, betont Baudin. Der Krefelder Adolf Luther erlebt seit einigen Jahren international eine Renaissance. In den Museumsvillen hat er aber nie ausgestellt. Ab April treffen seine Arbeiten auf eine weitere visionäre Position der kinetischen Kunst der 1960er Jahre: der französisch-argentinische Künstler Julio Le Parc (92) wird ebenfalls gerade wieder entdeckt und die „Kunst der geometrischen Abstraktion im Raum“ präsentieren, aus einem etwas anderen Winkel. Im Kaiser-Wilhelm-Museum werden zwei Räume mit großen kinetischen Installationen zu Spiel-Räumen fürs Publikum, das ganz praktisch erleben soll, welche Rolle die Kunst in einem Raum erfüllt, und welche Rolle der Betrachter in dieser Kunst einnimmt.
Die Amerikanerin Andrea Zittel hat vor zwei Jahren das Gartenhaus der Villa Esters möbliert, es mit Kunst zu einem Ort gemacht, der als Café genutzt werden kann. Die bewohnbare Skulptur soll im Frühjahr erweitert werden in den Außenbereich. Bänke, die dann zum Skulpturengarten gehören, sind dann „außengastronomisch“ nutzbar.
Kunst, die direkten Einfluss auf das Leben der Museumsgäste nimmt, quasi den Alltag durchdringt, ist auch das von Robert Stadler entworfene K+: Das Café im KWM soll im Frühjahr eröffnet werden, flankiert von einer Präsentation neuer Arbeiten von Stadler.
Entwürfe für Einrichtungen, Stoffe und Tapeten hat die französische Avantgardekünstlerin Sonia Delaunay in ihrem „Artelier Simultané“ in Fülle gemacht. Ein 100 Zeichnungen umfassendes Konvolut aus den Jahren 1920 bis etwa 1950 hat das Museum vor zwei Jahren erworben. Waleria Dorogova hat zu den Blättern geforscht. Ihre neuen Erkenntnisse sollen ab Herbst in den Museumsvillen in einer Ausstellung präsentiert werden, die in Dialog mit den Textil- und Musterarbeiten von Zittel steht. Für beide Künstlerinnen existiert keine Grenzen zwischen freier und angewandter Kunst. In ihrer Konzentration, mit Flächen und Kuben zu bauen, sind sie der Idee Ludwig Mies van der Rohes verbunden.
Die große Herbstausstellung spricht auch den Hörsinn an. „Live on Air“ führt in die Zeit von Paul Wember, in die 1950er bis 1970er Jahre, als die Künstler auf der Suche nach neuen Materialien auch den Klang entdeckten. Es war die Zeit der Entgrenzung: Was sich leicht verformte wie Erde oder Filz, aber auch Flüchtiges wie Wasser, Feuer und eben Klang wurden zu Hauptakteuren einer neuen Sprache. „Wie sich der Sound, die Musik, das Klingende zu bildhauerischen Arbeiten verhält, ist als Thema in Krefeld bisher noch nicht aufgerufen worden“, sagt Sylvia Martin, die „Live on Air“ kuratiert. Die hauseigene Sammlung verfüge über etliche schöne Soundobjekte. Große Namen wie Tinguely und Bruce Nauman, Reiner Ruthenbeck kommen ins Spiel, auch Yaakov Agam, Jannis Kounellis, Robert Morris, Robert Rauschenberg - und es soll manche Entdeckung geben.
Bei diesem Erlebnis der Kinetik ist anfassen, ausprobieren, Teil einer künstlerischen Idee werden Programm. Das Studio 2, der museumpädagogische Raum, wird sich deshalb in ein Tonstudio verwandeln, in dem auch skulpturale Elemente zur Interaktion auffordern.
Im Sammlungssatellit #8, der wegen Corona verschoben wurde, setzt sich die kanadische Künstlerin Shannon Bool (*1972) mit dem Jugendstilkünstler Otto Eckmann auseinander: zeitgenössisches Design trifft auf Werkbund. Eckmann hat im Auftrag des damaligen Museumsdirektors Friedrich Deneken das erste Logo des KWM entworfen. Kurz bevor er 1902 mit 34 Jahren starb, hat er seinen Nachlass aufgeteilt und an drei Museen gegeben - unter anderem nach Krefeld.