Krefelder Grundschüler sind Testleser Schüler als Lektoren für einen Kinderkrimi

Krefeld · Das Buch gibt es noch gar nicht: Brigitte Tietzel hat „Der Überfall - oder wo Katzen keinen Namen haben“ drei Probelesern der Gemeinschaftsgrundschule an Haus Rath vorgelegt. Von ihrem Urteil hängt die Veröffentlichung ab.

  Sie waren die ersten, die den Kinderkrimi gelesen haben: (v.l.) Felix, Hanna und Leon hatten die verantwortungsvolle Aufgabe, ihr Urteil zu fällen.

 Sie waren die ersten, die den Kinderkrimi gelesen haben: (v.l.) Felix, Hanna und Leon hatten die verantwortungsvolle Aufgabe, ihr Urteil zu fällen.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Für Hanna, Felix und Leon fühlte sich das Lesen wie eine Urlaubsreise in die Berge an. In der Zeit im Distanzunterricht kam ihre Klassenlehrerin Doris Krebs mit einem besonderen Vorschlag auf die Zehnjährigen der Gemeinschaftsgrundschule an Haus Rath zu: Sie durften ein Buch lesen, das es noch gar nicht gibt: das neue Kinderbuch der Historikerin und Schriftstellerin Brigitte Tietzel: „Der Überfall – oder wo Katzen keine Namen haben“.

Doris Krebs nennt die 4a ihre „wilde Leseklasse“: „Lesefähigkeit ist die Schlüsselkompetenz für Rechtschreibung und das Verfassen von Aufsätzen, aber auch für Naturwissenschaften wie Mathematik und Sachunterricht – die ganze Klasse ist sehr gut“, lobt die Lehrerin. Lesen sei wichtig für die intellektuelle Entwicklung der jungen Schüler, dabei darf gelesen werden, was Spaß macht, denn nur so könne ihnen der Zugang zum Buch in einer digitalen Medienlandschaft ermöglicht werden. Im normalen Schuljahr finden viele Aktionen rund ums Lesen statt, nicht unter Corona. Umso schöner nun die Zusammenarbeit zwischen den Schülern und der Autorin.

 Brigitte Tietzel hat  bereits mehrere Bücher veröffentlicht. „Der Überfall“ ist ihr erstes für Kinder.

Brigitte Tietzel hat  bereits mehrere Bücher veröffentlicht. „Der Überfall“ ist ihr erstes für Kinder.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Vor Corona war Tietzel bereits als Mentorin zwei Mal die Woche in der Schule und hat Kindern geholfen, ihre Lese- und Schreibdefizite aufzubessern. „Der Überfall“ ist ihr erstes Kinderbuch und handelt von den Geschwistern Beate (11 Jahre) und Vreni (15 Jahre). In jedem Winter fahren sie mit ihren Eltern zum Skilaufen nach Südtirol. Dort wohnen sie bei einer Familie auf einem idyllischen Bauernhof mit Kühen, Schafen und herumstreunenden Katzen. Mit dem gleichaltrigen Matthias freundet sich Bea an, sie gehen zusammen Skifahren, kümmern sich um die Tiere im Stall und erleben Abenteuer, von denen Bea als Stadtkind vermutlich nie erfahren hätte.

Dann wird es gefährlich, Räuber kommen ins Spiel - und eine Gefangenschaft. Dieser Part  hat den Lesekindern besonders gut gefallen. An dieser Stelle mussten sie  unbedingt weiterlesen, um zu wissen, wie sich die Heldinnen aus der gefährlichen Situation befreien würden. Handys gibt es dort nicht, „Der Überfall“ spielt in den 1980er Jahren – also werden die Protagonistinnen erfinderisch und lassen sich allerhand einfallen.

Hanna hat schon über 400 Bücher gelesen, darunter mehr als 100 Antolin-Bücher. Antolin ist ein web-basiertes Programm zur Leseförderung in Schulen und verbindet Lesen mit digitalen Aktionen, wie Rätseln, bei denen die jungen Leser Punkte sammeln können. Hannas Punktestand liegt derzeit bei rekordverdächtigen 10.000 Punkten, erzählt sie stolz. Beim Probelesen ist ihr aufgefallen, dass das Buch noch keine Bilder enthält, die die spannende Geschichte illustrieren. Die wünscht sie sich, denn was ein „Tonnenlift“ ist, kann sie sich nur schwer ohne Zeichnung vorstellen.

„Der Überfall“, ist eine Geschichte über Freundschaft, Geschwister und unterschiedliche Lebenswelten von Stadt und Land und „wie wichtig es ist, dass trotz der Unterschiede alle miteinander klarkommen“, fasst die Autorin zusammen. Die Welten, in denen die Geschichten von Brigitte Tietzel spielen, kennt sie oft aus eigener Erfahrung. Als Kind und Jugendliche ist sie jedes Jahr mit ihrer Familie und dann später mit Freunden nach Bozen, Norditalien gefahren und hat die besondere Atmosphäre in den Bergen in lebhafter Erinnerung. „Ich habe mich gefragt, wie warst du als Elfjährige und wie hättest du in dieser Situation gehandelt? Aus Sicht eines Jungen wäre mir die Geschichte nicht so leichtgefallen“, sagt Tietzel.

Den Anstoß zur Räubergeschichte hatte Tietzel als junges Mädchen, als sie - wie Beat - beobachtete wie am Skilift Geldscheine säckeweise in Plastikbeutel gepackt und völlig ungesichert transportiert wurden. „Darüber habe ich mich damals stark gewundert, und immer, wenn ich eine ungewöhnliche Geschichte erlebe, möchte ich darüber schreiben. So entstehen meine Ideen und dann überlege ich, wie die Geschichte endet. Wie sie sich weiterentwickelt, das weiß ich dann noch nicht.“

Das Projekt „Probelesen“ hat gut geklappt, die Schriftstellerin freut sich über die Lesebegeisterung der Klasse 4a. Jetzt wird Brigitte Tietzel für den spannenden Kinderkrimi  einen Verlag suchen.

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