Ausstellung in Krefeld Die Migranten des römischen Weltreichs

Krefeld · Mobilität und Migration waren auch in der Spätantike ein Thema. Das zeigt eine neue Ausstellung im Museum Burg Linn. Sie legt den Schwerpunkt auf die Herkunft der Menschen, die in Gelduba lebten.

 Sie haben „Heimat in der Fremde“ erforscht: (v.r.) Restauratorin Eileen Wolff, Stadtarchäologe Hans Peter Schletter, Eric Sponville und Alexandra Frischen.

Sie haben „Heimat in der Fremde“ erforscht: (v.r.) Restauratorin Eileen Wolff, Stadtarchäologe Hans Peter Schletter, Eric Sponville und Alexandra Frischen.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Was haben eine rote Keramikschüssel, ein bronzener Teller und ein silberner Handspiegel gemeinsam? Sie alle erzählen eine Geschichte zur Wanderung von Menschen im Römischen Weltreich. Jetzt zu sehen in der Ausstellung „Heimat in der Fremde“ im archäologischen Museum in Linn.

In Gelduba, einem seit 2000 Jahren ununterbrochen bewohnten Ort, standen in Römischer Zeit ein Kastell und die dazugehörige zivile Siedlung. Die Menschen wurden schon damals auf dem Gräberfeld bestattet: Mehr als 6500 Gräber haben die Archäologen ausgegraben, untersucht, dokumentiert und im Museumsdepot gelagert.

 In Grab 6352 fanden die Archäologen diese Keramiken, Gläser und Kleinode. Vermutlich gehörten sie einem reichen Landgutbesitzer.

In Grab 6352 fanden die Archäologen diese Keramiken, Gläser und Kleinode. Vermutlich gehörten sie einem reichen Landgutbesitzer.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Nun haben sich vier Fachleute im Team daran gemacht, Funde zusammenzustellen, die etwas über die Herkunft der Menschen in der Spätantike erzählen können. Stadtarchäologe Hans Peter Schletter, Doktorand Eric Sponville, Restauratorin Eileen Wolff und Alexandra Frischen haben Exponate aus fast 500 Jahren zu der Zivilsiedlung und dem militärischen Bereich in Vitrinen angeordnet, erklärende Landkarten erstellt und eine besondere Bestattungssituation sogar nachgebaut.

 Hier ist eine  Spendenröhre zu sehen, über die Verstorbene noch mit weltlichen Gütern versorgt wurden.

Hier ist eine  Spendenröhre zu sehen, über die Verstorbene noch mit weltlichen Gütern versorgt wurden.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

„Obwohl Gelduba so ein kleiner Ort war, können wir die Mobilität und Migration im römischen Weltreich zeigen“, sagt Schletter, „denn wir haben hier eine wunderbare Fundlage.“ Zum Beispiel der Boden der roten Keramikschüssel: Hier ist in Aramäisch – der Sprache Jesu – ein Name eingeritzt. Schlussfolgerung der Archäologen: Hier fand Fernhandel statt. Was sich auch aus den Knochen von Bär, Biber und Steinadler schließen lässt: „Das waren begehrte Handelsgüter“, sagt Sponville über Handel und Händler. 

Ein anderer klitzekleiner Knochen erzählt von einer Wanderratte, die wohl mit einem Schiff über das Mittelmeer über den Atlantik und dann den Rhein hinauf hierhergekommen sein muss: „Diese Knochen wurden in einem neun Meter tiefen Brunnen gefunden“, sagt Schletter, „es ist der einzige Nachweis einer Wanderratte im gesamten westeuropäischen Raum in der Spätantike.“ 

Einzigartig für die Gegend sind auch das Spendenröhrengrab und der sarmatische Spiegel. Das Spendenröhrengrab hat der damalige Museumsleiter Albert Steeger 1936 freigelegt; jetzt hat sich das Team genauer damit befasst. Damit auch die Besucher sich eine Vorstellung machen können, hat Eileen Wolff eine plastische Darstellung des Fundes angefertigt, die übrigens später Teil der Dauerausstellung werden soll. Eine solche Bestattungsart kommt sonst am Mittelmeer oder in Karthago vor – hier in Gelduba hat jemand diesen Ritus aus seiner Heimat am anderen Ende des Weltreiches mitgebracht. Das gilt auch für das sarmatische Grab. Eine Beigabe darin war ein kleiner Spiegel, von dem es nur noch eine einzige weitere Fundstelle im ganzen römischen Westen gibt. Die Sarmaten waren schwer bewaffnete und gepanzerte Reitereinheiten, die dem Römischen Heer dienten. Einige von ihnen müssen hier am Limes in Gelduba eingesetzt worden sein. „Hier wurde wahrscheinlich eine Sarmatin von Sarmaten begraben“, sagt Schletter, „Individuen aus dem ganz entfernten Osten sind hierhergekommen.“

Wo es noch solche Spiegelchen gab - auf der Krim, in der Ukraine und im südlichen und westlichen Sibirien - kann man einer großen Landkarte entnehmen. Schletter hat für die Relikte aus römischer Zeit jeweils eine Verbreitungskarte erstellt und zudem Landkarten mit der Ausdehnung des römischen Reiches und den verschiedenen Stämmen und Völkerschaften, die im betrachteten Zeitraum unterwegs waren. 

Einige Exponate sind erstmals zu sehen, einige rufen sich in Erinnerung – Mithraskult mit Ursprung in Mesopotamien – und wieder andere warten immer noch auf eine schlüssige Erklärung. Vom Pentagonduodekaeder, den es auch anderenorts gibt, ist die Funktion weiterhin ungeklärt. Das Gräberfeld von Gelduba mit seiner römischen Garnison und der Zivilsiedlung erlaubt allerdings den Rückschluss auf die Herkunft mancher Menschen, die hier lebten: „Migration und Mobilität sind die Grundbedingungen menschlichen Lebens“, fasst Schletter zusammen.

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