Krefelder Jugendtheater Die Suche nach dem Wunderland im Kresch-Theater

Krefeld · Es geht um das Lebensgefühl junger Leute Am 6. Mai hat „Where When Wonderlond“ Premiere im Kresch. Alice im Wunderland lässt grüßen.

 Sie sind nur die Platzhalter auf den Stühlen der Jugendlichen und hinter den Kresch-Kulissen aktiv: (v.l.) Helmut Wenderoth, Isolde Wabra und Dorothea Bootz.

Sie sind nur die Platzhalter auf den Stühlen der Jugendlichen und hinter den Kresch-Kulissen aktiv: (v.l.) Helmut Wenderoth, Isolde Wabra und Dorothea Bootz.

Foto: Petra Diederichs

Es ist ein typischer Eltern-Nerv-Satz: „Räum mal die Spülmaschine aus.“ Den hatte Dorothea Bootz auch auf der Rechnung. Überrascht hat sie ein ganz anderer Aspekt, als sie Zwölf- bis 15-Jährige fragte, was sie in ihrem Leben als störend empfinden, was sie belastet, was sie als Zwang empfinden. „Es ging sehr oft um Körperlichkeit. Darum dass Eltern sagen: Vielleicht solltest du das jetzt nicht mehr essen. Oder: Du müsstest mal mehr Sport machen. Oder: Geh mal raus, warum liegst du im Bett“, berichtet die Leiterin des Stadtjugendclubs 1 im Kresch-Theater. In solchen Situationen wollten Heranwachsende ausbrechen aus ihrer Realität in eine andere Welt.

Genau darum geht es im neuen Stück, das Bootz mit 14 jungen Leuten zwischen zwölf und 15 erarbeitet hat.  „Where When Wonderland“ hat am Freitag, 6. Mai, Premiere in der Fabrik Heeder. Der Titel erinnert nicht zufällig an die Geschichte von Alice im Wunderland. Motive aus Lewis Carolls bekanntem Buch finden sich auch in dieser Produktion, die in die Reihe der Partizipativen Projekte gehört.

Diese Bezeichnung ist dröge. „Intern sprechen wir von Parti-Club“, sagt Helmut Wenderoth, der die Reihe leitet. Das trifft die Sache besser. Denn der Inhalt soll ganz nah am Leben sein, Themen spiegeln, die die Agierenden - das sind Acht- bis Über-80-Jährige in verschiedenen Gruppen -  bewegen, die sie selbst nennen und mit Gleichaltrigen und dem Kreschteam umsetzen.

Parallelwelt ist das Stichwort für die jungen Heranwachsenden. „Das ist die Zeit, wo man einfach auch mal im Bett bleiben will, weil die vielen Anforderungen drücken. Besonders im Entwicklungsalter und mit der Pandemie“, betont Bootz.

Im Stück werden Realität und Traumwelt in witzigen Szenen aufgenommen. Es geht um die Frage, wie Traumbilder entstehen, wann sie als Ausweichmöglichkeit aus der Wirklichkeit wichtig werden. „Das Stück stellt auch bewusst die Frage, ob die Jugendlichen jemals aus dem Wunderland zurückkehren werden oder ob es immer eine Option bleibt, sich in eine scheinbare Parallelwelt zu flüchten, wenn die Herausforderungen und Probleme  der wahren Wirklichkeit unüberwindbar groß erscheinen.“ Wenderoth betont,  Zweck der Reihe sei: Mut zum Leben zu machen. „Wir leben in einer gemeinsamen Welt. Auch wenn wir meinen, dass Jugendliche in einer Parallelwelt leben und wir sie nicht erreichen können.“ Erwachsene hätten gelernt, in einer Welt zu funktionieren, „aber zwischen zwölf und 16 ist das eben eine andere Welt. In der Pandemie ist das noch schwieriger, einen Zugang zu finden in eine Welt, wo ich später geschätzt werde.“

Die Theaterarbeit helfe da immens. „Es geht nicht ums Ergebnis, auch wenn am Ende eine Aufführung steht. Wichtig ist die Entwicklung“, betont Kresch-Leiterin Isolde Wabra. Sie kennt etliche Beispiel für junge Menschen, die mit kleiner Stimme unsicher auf die Bühne treten und durch die gemeinsame Arbeit, die Freude am gemeinsamen Projekt Selbstbewusstsein gewinnen. „Es sind oft die Mädchen, die anfangs Angst haben, sich den Raum zu nehmen“, bestätigt Dorothea Bootz. Umso großartiger sei es, wenn sie dann ins Publikum schauen und mit lauter Stimmer ihren Text sprechen.

Dafür dann auch das Staunen und die Anerkennung der Erwachsenen zu spüren, sei ein tolles Gefühl. „Das möchte ich jedem Kin zweimal im Jahr wünschen“, sagt Wenderoth. Mehr als zwei Jahre Pandemie haben das Verhältnis von Eltern und Kindern verändert „durch die gemeinsame Erfahrung von undefinierbaren Angsträumen“, erklärt er. Und jetzt komme noch der Krieg in der Ukraine hinzu. „Das verändert Kinder und Jugendliche auch in ihrem Erwachsenenbild“. Es  sei „die vornehme Aufgabe“ für Kinder- und Jugendtheater, Räume zu schaffen, wo sie die Möglichkeit haben, groß und selbstbewusst zu werden.

„Es tut ihnen so gut, eine Begegnungsstätte mit anderen Jugendlichen zu haben außerhalb der Schule“, betont Isolde Wabra. In der Corona-Zeit haben viele das Kresch als Anker betrachtet. Sie berichtet von verzweifelten Lehrern, die um Workshops baten, weil so viele aus dem Kollegium krank waren. „Wir sind ein kleines Schiff und können gut manövrieren. Wir haben möglich gemacht, was ging“, berichtet sie. Produktionen, die eigentlich nicht mobil waren, so überarbeitet, dass man damit in die Schulen konnte. Das Kresch hat draußen gespielt und war eben „partizipativ“ zum Mitmachen.

Der Erfolg lässt sich messen. „Ich habe den Vergleich zu einer normalen Spielzeit vor vier Jahren gezogen. Danach werden sich in dieser Spielzeit unsere Zuschauerzahlen  verdoppelt haben“, erklärt die Theaterchefin. „Wir sind sehr glücklich, dass das Publium uns treu geblieben ist.“ Doch noch ist das Kresch nicht in der Sommerpause: Es stehen noch vier Premieren an.

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