Publizist aus Krefeld Ein Uerdinger Jong, der mit Böll und Frisch verkehrte

Krefeld · Literaturkritiker Werner Ross wurde vor 110 Jahren in Krefeld geboren. 1995 erhielt er als einer der Ersten den Niederrheinischen Literaturpreis der Stadt. Warum Reich-Ranicki ihm Telegramme schickte.

 Der Publizist und Literaturkritiker Werner Ross 

Der Publizist und Literaturkritiker Werner Ross 

Foto: Stadt Krefeld

(RP) Marcel Reich-Ranicki schickte ihm Telegramme für seine Buchkritiken: Der Publizist und Literaturkritiker Werner Ross wurde vor 110 Jahren, genauer: am 27. Januar 1912, im heutigen Krefeld-Uerdingen geboren. Er starb am 16. Juli 2002 in München. Ross wuchs in der Rheinstadt auf. Für sein autobiografisches Werk „Trockene Spätlese. Mein Leben und meine Ansichten“  erhielt er 1995 den Niederrheinischen Literaturpreis der Stadt Krefeld. „Werner Ross wollte immer Schriftsteller werden. Er ist es schließlich im Hauptberuf geworden, aber auf Umwegen, auf denen er freilich sein Ziel nie aus den Augen verlor“, sagte Laudator Hans Bungarten bei der Preisverleihung.

Ross studierte Germanistik, Romanistik und Philosophie in Bonn. Dort promovierte er 1938 über „Das Bild der römischen Kaiserzeit in der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts“. Nach dem Studium ging er als Lektor für deutsche Schriften nach Italien, bis er 1942 eingezogen wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte er mit seiner Familie in das Elternhaus nach Uerdingen zurück. Dort wurde er 1945 für die nächsten sechs Jahre als Gymnasiallehrer vor allem für Deutsch und Französisch am Fabritianum. „Das brachte Krefeld [auch] einen bedeutenden literarischen Mehrwert ein: die regelmäßige Lectura Dantis, eingeführt beim damaligen Bildungswerk, dem Vorgänger der Volkshochschule. […] Wenn sich Krefeld eine Dante-Stadt nennen darf, dann ist das nicht zum wenigsten das Verdienst des Preisträgers“, würdigte Bungarten.

Im Jahr 1956 übernahm Ross die Leitung der Deutschen Schule in Rom. 1964 wurde er Direktor des Goethe-Instituts in München. 1972 trat er wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Auswärtigen Amt zurück. Seit 1978 hatte er eine Honorarprofessur für vergleichende Literaturgeschichte an der Universität München. 1993 bis 1996 war er Präsident des Freien Deutschen Autorenverbandes.

Seit 1946 veröffentlichte Ross zudem Beiträge unter anderem in der Süddeutschen Zeitung, die Wochenzeitung „Die Zeit“ und in der Frankfurter Allgemeinen. „Deren damaliger Feuilleton-Chef, kein geringerer als Marcel Reich-Ranicki, schickte ihm manchmal ein Telegramm, um seine Begeisterung über seine gelungene Buchkritik auszudrücken“, so Bungarten.

Als Literaturkritiker pflegte Ross auch persönliche Kontakte zu Schriftsellern wie Heinrich Böll, Max Frisch und zu Schriftstellerinnen wie Ingeborg Bachmann sowie Ilse Aichinger. Neben seinen zahlreichen Büchern ist Ross’ bekannteste Publikation die Nietzsche-Biographie „Der ängstliche Adler“ (1980). Im Krefelder Jahrbuch „Die Heimat“, Jahrgang 52, schrieb er über „Eine rheinische Jugend“. Darin schildert er seine Erinnerungen unter anderem an die Zeit der Inflation und der Besatzung nach dem Ersten Weltkrieg sowie als Schüler in Uerdingen. „In der höheren Schule unterschied ein Lehrer die ‚gooten Schööler‘ von den ‚Schöölern aus gooter Familie‘. Beide Gruppen waren fördernswert, aber sie fielen selten in einem Exemplar zusammen. Die ‚Schööler aus gooter Familie‘ brauchten Nachhilfe, und die ‚gooten Schööler‘ gaben sie“, schreibt Ross. Seine Schilderungen kreisen um die Familie, seine Geschwister, dem sehr alten Vater und dessen Garten, der frommen Mutter, die vor dem Frühstück jeden Tag zur Messe ging, und einem gemütlich anklingenden Alltag in einer kleinen Stadt am Rhein.

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