Doppelausstellung in Hüls Wie Kinder und Künstlerinnen ihre Heimat sehen

Drei Generationen, drei Blickwinkel: In Kulturrucksack-Projekten haben Kinder Hüls und Linn erkundet. Es sind tolle, kunstvolle Bilder entstanden, die von Werken der Künstlerinnen Mauga und Agnes Kaiser flankiert werden.

 Die jungen Kreativen in der Konventskirche mit ihren Mentoren (hinten, v.l.) mauga, Karl Heußen, Christoph Dautermann (Museum Burg Linn) und Anke Zwering.

Die jungen Kreativen in der Konventskirche mit ihren Mentoren (hinten, v.l.) mauga, Karl Heußen, Christoph Dautermann (Museum Burg Linn) und Anke Zwering.

Foto: Petra Diederichs

Das Foto ist bezeichnend: Ein halbes Dutzend Kinder liegt bäuchlings auf dem Boden, um mit ihren Kameras die optimale Perspektive zu finden. Das Tor der Burg Linn ist ihr Motiv. Denn einfach nur auf den Auslöser zu drücken, das bringt wenig. Das haben sie bereits gelernt. Beim Fotografieren kommt es auf den Blick an. Beim Malen ist das nicht anders. Wer genau hinsieht, erkennt und entdeckt. Kinder der Katholischen Grundschule an der Burg und aus dem Jugendzentrum am Wasserturm (Türmchen) haben in den vergangenen Monaten ihre Stadt intensiv kennengelernt und dokumentiert. In einer sehenswerten Doppelausstellung mit Malerei der Künstlerin Mauga Houba-Hausherr sind ihre Eindrücke zurzeit in der Hülser Konventskirche und in den Hülser Heimatstuben zu sehen.

Hintergrund der Ausstellung bilden zwei Kulturrucksack-Projekte. Solche Projekte bietet das Krefelder Kulturbüro - unterstützt durch Landesgelder - regelmäßig an für interessierte Kinder und Jugendliche. Die Teilnahme daran ist kostenfrei und freiwillig und soll den Zugang zu Bildung und Kultur fördern. Wie nachhaltig, intensiv und begeisternd solche Projekte sind, zeigt die Ausstellung in großartigen Ergebnissen. Wer sie mit offenen Augen besucht, erlebt, wie eine Künstlerin vor mehr als hundert Jahren ihre Stadt gesehen hat, wie eine Künstlerin der Gegenwart sie interpretiert und wie die (Künstler-)Generation von morgen sie  entdeckt - und sieht selbst vielleicht manches Detail erstmals oder in anderem Licht.

 Mauga mit ihrer blauen Interpretation der Klausur im Garten der Heimatstuben neben Karl Heußen und Thorsten Hansen, dem neuen Bezirksvortsher Hüls (l.).

Mauga mit ihrer blauen Interpretation der Klausur im Garten der Heimatstuben neben Karl Heußen und Thorsten Hansen, dem neuen Bezirksvortsher Hüls (l.).

Foto: Petra Diederichs

„#Auf den Spuren von Agnes Kaiser“: Für dieses Projekt waren Kinder der Grundschule an der Burg in den Weihnachtsferien in Hüls unterwegs. Karl Heußen vom Heimatverein Hüls hat ihnen vormittags historische Gebäude vorgestellt: Rektoratshaus, Schultheißenhaus, Klausur... Über deren Geschichte, die früheren Bewohner, Fakten und Anekdoten weiß Heußen eine Menge und kann spannend erzählen. Die Kinder haben eifrig Fakten notiert und die Kulisse auf Zeichenblöcken skizziert. Nachmittags ging es mit der Künstlerin Mauga an die künstlerische Umsetzung.

In der Konventskirche sind die Bilder von Hüls ausgestellt. Das Wappen ist ein wichtiges Motiv.

In der Konventskirche sind die Bilder von Hüls ausgestellt. Das Wappen ist ein wichtiges Motiv.

Foto: Petra Diederichs

Auch Mauga hat in Hüls und in ganz Krefeld gemalt. Ihre Ausstellung „Streifzüge durch Krefeld“, die gerade im Museum Burg Linn zu Ende gegangen ist, war eine Spurensuche. Sie ist den Stadtansichten gefolgt, die Agnes Kaiser um 1900 bis in die 1920er Jahre mit Pinsel und Zeichenstift dokumentiert hat. Aus den gleichen Perspektiven hat Mauga gemalt. Einiges hat sie unverändert vorgefunden, anderes war verändert, manches gar nicht mehr erhalten.

 Die übermalten Fotografien der Türmchen-Kinder werden in Holzkästen professionell präsentiert.

Die übermalten Fotografien der Türmchen-Kinder werden in Holzkästen professionell präsentiert.

Foto: Petra Diederichs

„Wir machen in der heutigen Zeit, was Agnes Kaiser vor 100 Jahren gemacht hat“, fassen die Kinder ihr Projekt zusammen. Dabei haben sie eine Menge gelernt. Zum Beispiel, dass die alte Kaplanei einst eine Lateinschule  war, „aber nur für Jungs“. Sie haben sich von den Fensterläden des Schulteißenhauses am Hülser Markt faszinieren lassen, von Details an Türen und Giebeln der historischen Gebäude - und vom Hülser Wappen. Die Bilder zeigen, wie sich die jungen Kreativen mit Farbe und Perspektive beschäftigt haben und wie genau sie beobachten.

„Als Mauga das Projekt vorstellte, war ich sofort begeistert“, erzählt Heußen. So die Leidenschaft und den Blick für die eigene Geschichte zu wecken, das gefällt ihm. Pfarrer Paul Jansen, der im vergangenen Dezember gestorben ist, hatte sich die Präsentation in der Konventskirche gewünscht. Im Altarraum harmonieren die bunten Bilder mit der Farbigkeit der Spierling-Fenster.

Hülser Ansichten von Mauga und von Agnes Kaiser sind in den benachbarten Heimatstuben zu sehen - eine spannende Ergänzung zu jenen Bildern, die zuvor in Linn ausgestellt waren.

„#Stadt.Bilder“: Linn war Ziel der Stadterkunder vom Türmchen. Unter Leitung von Gabriele Grimm Piecha sind sie mit Kameras losgezogen, haben die Burg durchstreift, historische Fassaden abgelichtet, Details entdeckt. Viele Aufnahmen überraschen durch ihre Perspektive und professionell wirkende Qualität.

Piero Cassone (8) war der jüngste Fotograf. Ein Besuch bei Otto von Linn in der Burg hat ihn schwer beeindruckt: das Skelett im gläsernen Sarg, aber auch die Geschichte der Ritter und ihrer Feinde und die ausgestellten Rüstungen. „Mit Fotos kann man noch viel mehr machen“, erzählt er. Zum Beispiel malerisch überarbeiten. Piero hat mit dem Pinsel bunte Tropfenschleier um sein Motiv gezogen. Von Drip Painting und Jackson Pollock hat er nie gehört, aber auf die Wirkung ist er zurecht stolz. Andere haben dezent oder plakativ Details betont, die Welt, die die Kamera realitätsnah eingefangen hat, mystisch verändert. Auf Quader gezogen sind das wahre Entdeckungsobjekte.

Anke Zwering, die die Kulturrucksack-Projekte im Kulturbüro koordiniert, ist begeistert von der Kreativität der Kinder. „Manche kommen so erstmals mit Kunst und künstlerischen Erfahrungen in Berührung. Es gibt Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus früheren Jahren, die inzwischen eine künstlerische Berufsausbildung gestartet haben.“

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