Konzert in St. Josef Händels Brockes Passion mit großer Dramatik

Krefeld · Der Schwächeanfall einer Sängerin trübte das Karfreitagskonzert des Crescendo Chores. Aber es war ein beeindruckender Abend, der die Seelenqualen und die Marter Jesu in drastischer Form schildert.

 Ein gewaltiges Werk führte der Crescendo Chor unter Leitung von Heinz-Peter Kortmann in St. Josef auf.

Ein gewaltiges Werk führte der Crescendo Chor unter Leitung von Heinz-Peter Kortmann in St. Josef auf.

Foto: Mark Mocnik

Ein Zwischenfall hat die Aufführung der Brockes Passion am Karferitag überschattet. Eine Sängerin des Crescendo Chores erlitt am Ende des Konzerts einen Schwächeanfall. und musste medizinisch versorgt werden. Sie ist aber wieder wohlauf.

Das Konzert war eine kraftvolle und lange Interpretation der Leidensgeschichte Jesu. Wie immer sind die Bankreihen in St. Josef bestens gefüllt, wenn der Crescendo Chor mit Solistinnen und Solisten sowie dem Rheinischen Oratorienorchester ein Konzert gibt. Die Brockes Passion  ist ein selten zu hörendes Werk, wie Dirigent Heinz-Peter Kortmann in seiner Begrüßung sagte. Diese Passionsdichtung mit dem Titel „Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende Jesus“ schrieb der  Jurist und Ratsherr Barthold Heinrich Brockes aus Hamburg im Jahr 1712; fünf Jahre später vertonte es Georg Friedrich Händel.

Das Orchester beginnt eine instrumentale Einleitung, die recht harmonisch und freudvoll daherkommt – vom dramatischen Passionsgeschehen ist noch nichts zu ahnen. Brockes schildert in seinen Texten für die Rezitative, Arien und Choräle die Ereignisse zwischen dem letzten Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern bis zum Tod Jesu mit einer brutal klingenden, drastischen Sprache.

In seinem ersten kurzen Part stellt der Chor sehr bestimmend die zentrale Aussage des Ostergeschehens „Euer Tod soll mit ihm sterben“ heraus. Ulrich Cordes (Evangelist) leitet als Erzähler in die Situation des letzten Abendmahls ein, Andreas Elias Post schlüpft mit seinem Rezitativ in die Rolle des Christus und versetzt das Publikum mitten in die Szene. Dabei braucht Cordes dezente Aufforderungen von Post und auch Kortmann, dass sein zweiter Einsatz überraschend schnell kommt.

Doch dann präsentiert sich Cordes als ein sehr überzeugender Berichterstatter des Passionsgeschehens. Jedem Satz, Nebensatz oder auch einzelnem bedeutenden Wort gibt er einen starken Ausdruck, der der barocken Sprache des Autors gerecht wird.

Die gleichen Qualitäten zeigt auch Sebastian Hoffmann, ein Tenor aus dem Crescendo Chor, in seiner Rolle als Petrus. Seine Interpretation der Arie „Gift und Glut, Strahl und Flut ersticke, verbrenne, zerschmettre…“ ist ein gutes Beispiel hierfür.

Die vielen Nuancen der Seelenqualen und Ängste Christi schildert Post in seinem Part, auch er lässt das biblische Geschehen sehr lebendig werden. Für den Bass Dae Jin Kim als Caiphas sehen die Geschichte und auch der Komponist nur eine kleine Rolle vor. Ähnlich ist es für den Verräter Judas, dem Gert Hohmann (Altus) seine Stimme leiht.

Bei den beiden Sopranistinnen Ewa Stoschek und Chelsea Kolić schafft es die junge kroatisch-kanadische Sängerin, den von ihr verkörperten Rollen (Tochter Zion, „gläubige Seele“) einen größtmöglichen Ausdruck aller geforderten Emotionen zu geben. Als Opernsängerin im Konzert stellt sie Stoschek in deren Interpretationen und Rollen in den Schatten. 

Überzeugend setzt der Crescendo Chor seine Aufgabe um, die Meinungen und Erwartungen des Volkes im biblischen Geschehen darzustellen oder auch stimmgewaltig wie im Part „O Donnerwort! O schrecklich Schreien!“ die Augenblicke des Todes Christi zu schildern.

In den letzten Minuten der Aufführung kommt es zum Zwischenfall, der jedoch weder das Ende der musikalischen Darbietung, noch das mehrfache Defilee der Solisten und des Dirigenten unter dem verdienten langanhaltenden Applaus beeinträchtigt. Eine der Chorsängerinnen ist zusammengebrochen; eine Konzertbesucherin ruft den Rettungswagen und zwei Sanitäter des Malteser Hilfsdienstes sind noch schneller bei der Frau als der Dirigent. Auch wenn die Chormitglieder zwischen ihren Gesangsbeiträgen auf Hockern sitzen konnten, weshalb musste die Brockes-Passion mit ihrer Dauer von gut zweieinhalb Stunden ohne Pause durchgezogen werden?

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