Festjahr 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland Bewegendes Konzert mit Klezmer und Lesungen

Krefeld · Klezmermusik und Texte waren der Krefelder Beitrag zu 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Das Ensemble Scherele wurde gefeiert, die Lesungen dazu waren bewegend.

 Das Krefelder Klezmer-Ensemble Scherele.

Das Krefelder Klezmer-Ensemble Scherele.

Foto: KHU

Das Konzertprogramm am Sonntag in der Alten Kirche stand unter dem Thema „Aufstehen gegen das Vergessen – 1700 Jahre jüdisches Leben“. Man hätte  „in Deutschland“ noch korrekterweise hinzufügen müssen, denn die jüdische Kultur im Allgemeinen ist um einiges älter selbst als 1700 Jahre. Klezmermusik und Texte erwartete das Publikum in der gut gefüllten Kirche. Für die Musik sorgte das Ensemble Scherele mit Ceren Yazar (Violine), Elfi Coenders (Gesang und Moderation), Helmut Vester (Gitarre), Christian Dierlich (Gitarre, Laute und Percussion) und Karlheinz Uhlig (Klarinette, Akkordeon sowie musikalische Leitung).

Das Wort Klezmer geht zurück auf   hebräisch  kli, Werkzeug, Gerät, Gefäß, und zemer, Lied, Melodie, bedeutet wörtlich „Gefäß des Liedes“ und steht für Instrumente ebenso wie für Musikanten. Orientalische Klänge  kommen zunächst allein von den Saiteninstrumenten, werden dann unterstützt  von Klarinette und Geige, bis sich das Ganze zu einer tänzerischen Musik, die viel Lebensfreude ausdrückt.

Diese Atmosphäre findet jedoch ein schnelles Ende, als Manfred Bautz in seiner Begrüßung auf den Totensonntag hinweist und einige Gedanken als Pfarrer zu diesem Anlass äußert. Er schließt mit einem Zitat des Krefelder Architekten Ernst Althoff,  einem Kollegen von Joseph Beuys: „Wenn wir hoffen wollen – Zukunft haben wollen, dann müssen wir uns erinnern.“ Und leitet daraus ab, dass wir Verantwortung füreinander übernehmen müssen. Musikalisch führt Scherele diesen Auftrag instrumental mit dem Stück „Kumi Ori“ (Steh auf!) weiter.

Den nächsten Redebeitrag bietet Sandra Franz, Leiterin der der NS-Dokumentationsstelle der Stadt Krefeld in der Villa Merländer. Sie stellt heraus, dass die lange jüdischen Geschichte in Deutschland mehr als die zwölf Jahre der Naziherrschaft und die Verfolgung umfasst. Mit Blick auf die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Krefeld konstatiert sie, dass diese aktuell rund 1000 Mitglieder umfasst und viele Gruppen sowie Vereine das heutige Gemeindeleben ausmachen.

Nach einem weiteren instrumentalen Musikstück liest Bautz einen Text des ehemaligen Aachener Bischofs Klaus Hemmerle. Wie ein Refrain kommt darin nach den Beispielen von Schandtaten und Verbrechen in der  Pogromnacht vom 9./10. November 1938: „Die Meinen haben es getan.“

Dann tritt die Sängerin des Klezmer Ensembles erstmals auf. Coenders moderiert das bekannte Lied Dona Dona an und bezeichnet es als „die jüdische Shoa in drei Strophen“. Ausdruckstark interpretiert sie es in jiddischer Sprache. Es folgen ein tänzerisch beschwingtes Stück sowie ein Liebeslied, gesungen in einer Abendstimmung – so die Sängerin.

Ein Exkurs zum jüdischen Leben in Deutschland führt anschließend in das Dorf Laufersweiler. Bautz erzählt aus der Geschichte des Dorfes, das als einziges im Hunsrück eine Synagoge und demzufolge eine recht große jüdische Gemeinde besaß. Ihr Schicksal unterschied sich nicht von dem zahlloser anderer Gemeinden, doch nach dem Krieg sollte die ruinöse Synagoge durch den Einsatz des evangelischen Ortspfarrers saniert und zu einer Gedenk- und Tagungsstätte werden.

Danach bekommt das Konzert des Ensembles eine fröhlichere Note, und bei Liedern wie „Hava Nagila“ und „Hevenu shalom alejechem“ sieht man wippende Fußspitzen, mancher klatscht den Rhythmus mit. Die Freude ist auf beiden Seiten, dem Ensemble wie dem Publikum, groß, dass dieses Konzert in Coronazeiten wieder möglich ist. 

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