Krefeld Kresch zeigt Kafka open air: ein intensives Stimmungsgewitter

Krefeld · Das Kreschtheater hat Franz Kafkas "Brief an den Vater" als Klanglandschaft in Szene gesetzt. Die Premiere bildete das Finale des Schultheaterfestivals.

Präziser als zum Beginn der Kresch-Premiere im Innenhof der Fabrik Heeder hat Regen bei einer Open-Air-Veranstaltung wohl selten eingesetzt. Doch beeinträchtigen ließ sich niemand bei der "Klanglandschaft Kafka" - weder Akteure noch Publikum. Der Bühnenaufbau stand im Raum hinter der Rampe im Trockenen, und die Zuschauer sammelten sich ein wenig dichter unter dem Dachvorsprung und in den Eingängen über der gegenüberliegenden Treppe. Von dort folgten sie gebannt der Performance, die Franz Mestre und Ludwig Kuckartz aus Franz Kafkas nie angekommenem "Brief an den Vater" gemacht hatten. Zuvor war auf den Studiobühnen der Fabrik Heeder das diesjährige einwöchige Schülertheater-Festival "Staunzeit" zu Ende gegangen, und obwohl es für ein echtes Resümee noch zu früh war, zeigten sich Helmut Wenderoth und Dirk Wiefel angetan von Engagement und Darbietungen der teilnehmenden Schulgruppen.

"Liebster Vater, Du hast mich letzthin einmal gefragt, warum ich behaupte, ich hätte Furcht vor Dir" - so begann Franz Kafka seinen Brief an den Vater, und so las sein Vornamensvetter Mestre, der selbst bald zum zweiten Mal Vater wird, alles aus diesem ersten Satz heraus, was hineingelegt ist.

Indem der Vater nicht fragte, warum sich der Sohn fürchtete, sondern lediglich, warum er behauptete, sich zu fürchten, offenbart er bereits das Ausmaß an Distanz, Desinteresse und Unverständnis, mit dem er seinem Nachwuchs gegenüberstand. Für den heranwachsenden Franz war der Erzeuger zeitlebens einer, der ihn durch seine gewaltige körperlicher Erscheinung, seine selbstgefällig ausgelebte Überlegenheit in vielen Dingen und seinen beißenden Spott so verunsicherte, dass der Sohn sich nicht nur von Statur schwach fühlte, sondern sich selbst auch sonst so sehr misstrauen "lernte", dass ihm sogar erzielte Erfolge nur als Vorboten des unweigerlich drohenden Absturzes erschienen.

Mit entschieden klarer Artikulation, manchmal unterstrichen von Wiederholungen per Loop, und wechselnden Positionen und Haltungen auf der Bühne verlieh Mestre den Ausführungen in der sich senkenden Abenddämmerung bei an- und abschwellendem Regen ein hohes Maß an Intensität, während Kuckarts am elektronisch unterstützten Klavier mit romantischen Improvisationen den Text des unversöhnten Sohnes in jene Stimmung einband, die Kafka für seinen Vater sicher viel lieber empfunden hätte.

(MoMe)
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