Theater in Krefeld Kresch: Die Geister der Nazi-Opfer reden

Krefeld · Einen wichtigen, aber schweren Stoff bringt das Kresch-Theater auf die Bühne: George Taboris „Jubiläum“. Mit absurder Komik erzählt das Stück von einem Neonazi, einem fröhlichen Totengräber und auferstandenen Toten.

 Cloti Peukes (vorne) als Erzählerin bei den Proben zu „Jubiläum“ von George Tabori im Kreschtheater. Das Bühnenbild zeigt einen Friedhof. Die Bretter markieren Gräber.

Cloti Peukes (vorne) als Erzählerin bei den Proben zu „Jubiläum“ von George Tabori im Kreschtheater. Das Bühnenbild zeigt einen Friedhof. Die Bretter markieren Gräber.

Foto: Petra Diederichs

Die zarte Frau im roten Kostüm bewegt sich behutsam zwischen den Holzbrettern auf dem Boden der Studiobühne in der Fabrik Heeder. „Verbrecher kommen an die Orte ihres Verbrechens zurück“, sagt sie, ohne jemanden anzusehen. „Manchmal auch die Opfer.“ Der Satz knallt. Die Frau steht auf einem Friedhof. Die Bretter sind Gräber, Stolpersteine erinnern an die, die hier liegen: Opfer der Nazis – Juden, Homosexuelle, Menschen, die wegen körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen getötet wurden. Die Szene bewegt, auch wenn sie nur eine Probe ist. Das Kresch-Theater hat Georges Taboris Stück „Jubiläum – Unterwegs in die Vergangenheit“ in den Spielplan genommen. Am Freitag, 24. Januar, ist Premiere – kurz vor dem 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz.

Harter Stoff. „Unsere Generation konnte noch mit Zeitzeugen reden. Heute ist das nicht mehr möglich. Deshalb haben wir die Verantwortung, diese Geschichten zu erzählen“, sagt Isolde Wabra. „Gelebtes Leben berührt mehr als Fakten.“ Deshalb hat sich die Leiterin des Kresch für das Stück entschieden. „Und weil Tabori es heiter erzählt.“

Darf, kann oder soll man gar über dieses schreckliche Kapitel der Geschichte lachen? Tabori (1914-2007), ungarischer Jude mit US-Pass, hat einen großen Teil seiner Familie durch den Holocaust verloren. Er war ein Meister der makabren Tragikomödien. „Jubiläum“ gehört zu seinen erfolgreichsten Stücken und zu den am kontroversesten diskutierten. Geschrieben hat er es im Auftrag des des Bochumer Schauspielhauses mit Blick auf den 50. Jahrestag von Hitlers Machtergreifung 1933. Bei der Uraufführung 1983 führte Claus Peymann Regie.

Im Zentrum der Handlung steht Neonazi Jürgen, der auf einem Friedhof am Rhein die Gräber schänden will. Außer  dem rheinisch-fröhlichen Totengräber Wumpf ist er der einzige Lebende. Aber die Geister der Toten stehen auf und erzählen ihre Geschichten, die beklemmend normal sind. „Ist ein stockendes Herz, wenn die Türklingel geht, weniger dokumentarisch als das geschriebene Wort“, fragt die Frau in Rot im Stück.

Die Kresch-Inszenierung entstand in enger Kooperation mit der NS-Dokumentationsstelle und mit Jugendlichen vom Maria-Sybilla-Merian-Gymnasium. Seit vielen Jahren fahren Gruppen der Schule regelmäßig nach Auschwitz und bereiten sich  darauf ein Schuljahr lang vor. Einige Schüler haben Holzbretter, wie sie zum Bühnenbild gehören, künstlerisch gestaltet zu einer Ausstellung, die in den kommenden Wochen wachsen soll. Erste Arbeiten werden zur Premiere am 24. Februar zu sehen sein, eine größere Präsentation wird es am 17. März geben. Die Aktion bezieht sich auch auf das Schicksal der Kinder vom Bullenhuser Damm. In dem ehemaligen Hamburger Schulgebäude  sind kurz vor Kriegsende 20 Kinder von der SS erhängt worden. Die Kinder waren im Auftrag Mengeles medizinischen Experimenten unterzogen gewesen. Diese Schicksale hatten die Schüler tief bewegt.

„Wir müssen die Erinnerung am Leben halten, die jungen Leute tragen die Geschichten weiter“, sagt  Wabra. Sie freut sich, Tabori „wieder ausgegraben“ zu haben: Wir sind in Deutschland die einzigen, die dieses Stück in diesem Jahr spielen.“ Mit großem inhaltlichem Aufwand und bewusst sparsamem Bühennbild. Damit Sätze greifen können wie: „Jedes Laben hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende – wenn auch nicht in dieser Reihenfolge.“

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