Kirchenjubiläum Krefelds größter Kirche droht das Aus nach 125 Jahren

Krefeld · St. Johann Baptist feiert am 10. Oktober Jubiläum – und bangt um seine Existenz als Gotteshaus: Der Antrag zur Profanierung ist gestellt. Die Kirche hat sich überregional mit einem eigenen, konservativen Frömmigkeitsprofil einen Ruf erarbeitet. Das Gebäude birgt kostbare Sakralkunst.

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Krefelds größter Kirche droht das Aus nach 125 Jahren

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Es ist Krefelds vielleicht erhabenster Kirchenbau: Der Turm ist mit 97 Meter der höchste im Bistum Aachen, das Innere atmet Proportionalität und Weite und jene Großzügigkeit, die Menschen, wenn sie solche Innenräume betreten, für Momente verblüfft erstarren lässt. Und doch: St. Johann Baptist, dieser Kölner Dom von Krefeld, bangt ausgerechnet im Jubiläumsjahr um seine Existenz als geweihtes Gotteshaus. Es wurde am 10.Oktober 1894 geweiht.

Die Gemeinde nimmt dieses Datum zum Anlass, mit einer Festwoche das 125-jährige Bestehen der Kirche zu feiern. Trotzig, möchte man sagen. Denn der Kirchenvorstand der Pfarrei Maria Frieden, zu der St. Johann Baptist gehört, hat im Jahr 2016 den Antrag auf Profanierung der Kirche gestellt. Hintergrund sind Sorgen um den Erhalt des Gebäudes.

Die Sanierung würde geschätzt  bis zu 2,5 Millionen Euro kosten, berichtet Jan Lange, Sprecher des Gemeindeausschusses, zugleich stellvertretender Vorsitzender der GdG Krefeld Süd. Lange ist mit 19 Jahren erstaunlich jung für dieses Amt, dabei sehr ernsthaft, sehr gut strukturiert und mit Leidenschaft bei der Sache.

Die Gemeinde hat 2016 davor zurückgeschreckt, eine Sanierung anzugehen, bei der höchst unsicher war, ob man die Kosten würde tragen und überhaupt nur absehen können. Ältere Gebäude sind bekanntlich bautechnisch unberechenbar. „Das Bistum hat über die Profanierung noch nicht entschieden“, sagt Lange. Er spricht leidenschaftlich für den Erhalt dieses schönen Baukörpers. „Es wäre eine Schande, wenn diese Kirche nicht erhalten wird“, sagt er. Die Festwoche zum Jubiläum soll die Würde der Kirche noch einmal ins Gedächtnis rufen. Vielleicht naht ja unverhofft Rettung.

Im Rahmen des sogenannten KIM-Prozesses im Bistum wurde St.Johann Baptist aus der Liste der mit Kirchensteuergeld zu unterstützenden Gebäuden gestrichen. KIM steht für Kirchliches Immobilienmanagement; die Gemeinden im Bistum hatten zu entscheiden, welche Gebäude bei der insgesamt kleiner werdenden katholischen Christenheit mit Mitteln der Diözese erhalten werden sollen.

St. Johann Baptist war nicht dabei. Bei Jan Lange ist spürbar, wie sehr ihn das umtreibt. Lange sieht wohl, dass die Gemeinde mit rund 2900 Mitgliedern eine kleine Ortsgemeinde ist; für ihn hat die Kirche aber in der katholischen Landkarte der Region ein sehr eigenes Profil, das überregional ausstrahlt und für ihn einen wichtigen Platz im katholischen Glaubenslebens ausfüllt.

Was er meint, sieht und spürt man bei vielen der Bildwerke in der Kirche, die einer traditionellen Volksfrömmigkeit folgen. Es gibt eine ausgeprägte Marienfrömmigkeit; es gibt eine Darstellung der Hirtenkinder von Fatima, die mit Marienerscheinungen Frömmigkeitsgeschichte geschrieben haben; es gibt eine eigene Anbetungskapelle, in der die 2016 heiliggesprochene Mutter Teresa verehrt wird. Auch Pfarrer Joachim Schwarzmüller pflegt mit Überzeugung eine konservativ geprägte Frömmigkeit und Liturgie. So gibt es in der Kirche einen sogenannten Volksaltar, der dem prachtvollen Hauptaltar in der Apsis vorgelagert ist – nach den Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 1965) sollten die Priester näher bei den Laien und ihnen zugewandt stehen. Schwarzmüller, so berichtet es Lange, leitet die Liturgie weiter gerne mit dem Rücken zur Gemeinde und dem Gesicht zum Altar; er feiert auch regelmäßig traditionelle Lateinische Messen.

Entscheidend für Lange ist: Diese Art der Frömmigkeit zieht Menschen an, „auch junge Leute, wie man an mir sehen kann“, sagte er lächelnd. Wenn in der Gemeinde die „Tage der Barmherzigkeit“ begangen werden, kommen Menschen bis aus Hamburg nach Krefeld, berichtet Lange.

Und die Kirche ist zur Heimat für Katholiken anderer Kulturen geworden, zum Beispiel für die Syro-Malankara-Kirche mit indischen Thomaschristen oder für Muslime, die Christen geworden sind. „Wir sind als Schmelztiegel der Kulturen unterm Kreuz vereint“, sagt Lange zu dieser Vielfalt. Darin ist für ihn diese Kirche auch ein Zeichen mit eigener Würde, Aussagekraft und Berechtigung.

Die Kirche birgt auch spätgotische Schätze. Sie sind dem ersten Pfarrer der Kirche, Kaspar Thywissen, zu verdanken, der 1894 sein Amt antrat und eine weitgehend leere Kirche vorfand. Sie war bestückt mit ausrangierten Bänken und Glocken aus St. Dionysius, die selbst gerade neu ausgestattet worden war. Der aus einer vermögenden Familie stammende Pfarrer Thywissen begann unverzüglich damit, spätmittelalterliche Kunstwerke für „seine“ Kirche zu kaufen – aus seiner Privatschatulle.

So kamen Kostbarkeiten zusammen: Eine Muttergottes mit Kind, die um das Jahr 1500 entstanden ist. Der als Hochaltar genutzte „Weltgerichts- oder Kreuzaltar“, der ebenfalls auf die Zeit um 1500 zurückgeht, sowie ein Marienaltar aus der gleichen Zeit.

Doch diese Kirche zeichnen nicht nur Größe im Äußeren und Kostbarkeiten im Innern aus. Im Geiste von Mutter Teresa hat die Gemeinde die „Johannes-Stube“ eingerichtet , in der täglich rund 20 Bedürftige ein Frühstück und sonntags zwischen 70 und 90 Personen ein Mittagessen bekommen – finanziert ausschließlich aus privaten Spenden, gedacht „für alle, bei denen der Geldbeutel sehr knapp ist“, sagt Jan Lange, „das können arme Rentner sein, Obdachlose oder Drogenkranke“. Auch dies macht die Größe einer Kirche aus. Manche sagen: ihre wahre Größe.

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