Krefeld Krefelds Hebammen schlagen Alarm: Schwangere unterversorgt

Krefeld · Der Kreisverband der Krefelder Hebammen spricht von einer dramatischen Situation. Aufgrund der hohen Haftpflichtversicherung gebe es keine selbstständigen Geburtshebammen mehr.

 Hebamme Eva Lucht mit ihren Kindern Frieda (links) und Ylvi. Die Vorsitzende des Kreisverbandes Krefelder Hebammen spricht von einer dramatischen Situation. Immer mehr Krefelder Hebammenpraxen müssten schließen.

Hebamme Eva Lucht mit ihren Kindern Frieda (links) und Ylvi. Die Vorsitzende des Kreisverbandes Krefelder Hebammen spricht von einer dramatischen Situation. Immer mehr Krefelder Hebammenpraxen müssten schließen.

Foto: L. Strücken

Schwangere können nicht mehr auf Begleitung bei der Geburt durch eine selbstständig arbeitende Hebamme aus Krefeld hoffen. "Die letzte Hebamme, die in Krefeld Beleggeburten angeboten hatte, hat jetzt auch aufgehört", sagt Eva Lucht, Vorsitzende des Kreisverbandes der Krefelder Hebammen. Eine Wahlmöglichkeit hätten werdende Mütter kaum noch. "Wenn nicht eine Hebamme von auswärts Zeit hat, dann können die Frauen eigentlich nur noch ins Helios Klinikum fahren. Dort arbeiten Hebammen im Schichtdienst. Es kann also passieren, dass während einer Geburt das Personal wechselt", erklärt die Hebamme.

Die "dramatische Situation" hat der Kreisverband in dieser Woche Vertretern des Rates deutlich gemacht. Im nächsten Jugendhilfeausschuss wird das Thema ebenfalls auf der Tagesordnung stehen. "Uns ist klar, dass Krefelder Politiker nichts entscheiden können, aber sie können ihre Vertreter im Bundestag für das Problem sensibilisieren. Und von dort erhoffen wir uns Hilfe", erklärt Eva Lucht. Und sagt weiter: "Es muss eine politische Lösung gefunden werden, die Haftpflichtprämien zu begrenzen und überhaupt Versicherer zu finden, die uns versichern."

Grund für die Misere sind die extrem gestiegenen Haftpflichtprämien. So zahlt eine selbstständige Hebamme, die Geburtsbegleitung anbietet, laut Kreisverband, rund 6200 Euro im Jahr für ihre Haftpflichtversicherung. Um dieses Geld zu erwirtschaften, müsste die Hebamme über 20 Geburten begleiten. Und hätte noch nichts verdient. "Dass das nicht funktioniert, kann sich wohl jeder vorstellen", sagt Eva Lucht. Die Versicherungen wiederum argumentieren mit hohen Regresszahlungen im Schadensfall. Aber: "Die Schadensfälle sind seit Jahren rückläufig, die Prämienzahlungen jedoch seit vier Jahren um 60 Prozent gestiegen." Richtig sei aber auch, so Lucht, dass die Schadensersatzhöhe bei Klagen in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen sei. "Heute wird direkt auf sechs Millionen oder mehr Schadensersatz geklagt. Diese hohen Regresszahlungen sind von den wenigen Hebammen nicht zu leisten. Wir brauchen also dringend jemanden, der uns absichert. Doch die aktuelle Lösung, ein Zusammenschluss von mehreren Versicherungen, gilt nur für ein Jahr. Dann wird neu verhandelt, mit unklarem Ausgang."

Seit 20 Jahren ist die Fischelnerin jetzt Hebamme. Erfolgreiche Klagen auf Schadensersatz gab es ihres Wissens nach in dieser Zeit in ganz NRW kaum. Trotzdem sorgen Einzelfälle für stetig steigende Versicherungskosten. Laut Kreisverband gibt es für kommendes Jahr noch keine Haftpflichtversicherer. Und bei Kreditvergaben stünden Hebammen auf dem Index der Banken.

Die Folgen spüren werdende Eltern, die sich auf eine lange Suche nach einer Hebamme einstellen müssen. Von fünf Hebammenpraxen in Krefeld haben zwei bereits geschlossen. Die übriggebliebenen drei haben sich aus der Geburtsbegleitung verabschiedet, bieten aber weiterhin Wochenbettbetreuung und Ähnliches an. "Der Bedarf in Krefeld ist aber weitaus größer. In diesem Jahr mussten wir bereits 385 Frauen absagen", erklärt Eva Lucht. Sie selbst vertröstete vor ihrer Elternzeit rund 50 Frauen im Monat. Auf Dauer, so ihre Prognose, werde der Beruf der freiberuflichen Hebamme wohl aussterben. Schon jetzt sei kaum noch eine Hebamme für Hausgeburten zu finden.

Auf die schwierige Situation der Hebammen macht auch CDU-OB-Kandidat Peter Vermeulen aufmerksam. Er macht sich für eine Existenzsicherung für Hebammen stark. Auch aus eigener Erfahrung wisse er, wie wertvoll die Betreuung bei der Geburt durch eine erfahrene und bekannte Hebamme sei.

"Jede Frau soll die Möglichkeit haben, vor, während und nach der Geburt ihres Kindes von einer Hebamme ihres Vertrauens vor Ort betreut zu werden", sagt der dreifache Vater. Und erinnert sich an seine eigenen Erfahrungen: "Die Unterstützung, die meine Frau und ich durch unsere Hebamme Brigitte Moseler erfahren haben, möchten wir nicht missen."

Doch laut Kreisverband der Hebammen steht bereits eine erneute Erhöhung der Haftpflichtprämie im Juli dieses Jahres bevor.

(RP)
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