Im Krefelder Nordbahnhof Erste Kreativ-Arena im Schlüffken
Krefeld · Oberstufenschüler des Vera Beckers-Kollegs diskutierten gestern bei der überparteilichen Veranstaltung über das Thema „Corona – Fluch oder Segen für die Jugend?“. Neue Erkenntnisse gab es nicht.
Der Vorsatz war löblich. Die Jugend sollte zu Wort kommen, ungeschönt ihre Erfahrungen mit der Pandemie schildern, kritisch den Umgang von Politik und Schule mit der Krise und ihren Auswirkungen betrachten, Wünsche formulieren, wie Unterricht verbessert werden könnte und welche Themen Politiker anpacken sollten. Doch so richtig wollte die Diskussion bei Krefelds erster Kreativ-Arena, moderiert von Tobias Stümges, Kreisvorsitzender der Jungen Union, nicht in Fahrt kommen.
Als Vertreter der Politik stellte sich FDP-Bundestagsabgeordneter Otto Fricke den Fragen der 16 bis 19 Jahre alten Schüler des Vera Beckers-Berufskollegs. Die Eltern-Sicht vertrat Marita Kühne, Mutter zweier Kinder und Schulpflegschaftsvorsitzende des Moltke-Gymnasiums, die ein Buch über die Misere geschrieben hat mit dem Titel „Wo stehen wir in der Krise?“. Mit Hilfe eines blauen Würfels, der durch den Saal der Brauerei Schlüffken wanderte, konnten sich die Oberstufenschüler beteiligen.
Und wo standen die Diskussionsteilnehmer nach einer Stunde Austausch? Kritische Anmerkungen der Jugendlichen, vor allem zum Thema Schule, gab es wenig. Das mag auch der Tatsache geschuldet gewesen sein, dass zwei Lehrer anwesend waren und interessiert den Ausführungen ihrer Schüler zuhörten. Auch Themen wie „Vereinsamung“ oder „Depression“, die bei Kindern und Jugendlichen nachgewiesenermaßen häufig auftraten, wurden nicht angesprochen. Wer möchte sich auch schon im Klassenverband outen? So gab auch nur einer zu, die Zeit zu Hause hauptsächlich mit der Nutzung digitaler Medien überbrückt zu haben. Alles in allem erfuhr man in der Arena, die auch per Stream verfolgt werden kann, von den Schülern das, was zu erwarten war.
Leo, 17 Jahre, hat den Distanzunterricht als „starke Umstellung“ und teilweise auch „Überforderung“ empfunden. „Die Lehrer waren ja manchmal selbst überfordert. Dann musste man den Stoff selbstständig bearbeiten, was nicht immer einfach war“, berichtete der Zwölfklässler. Besonders das „Hin und Her“ der Politik habe ihn genervt. Er habe viele politische Entscheidungen auch nicht verstanden.
Mitschülerin Elisa fand es schwierig, dass Lehrer den Distanzunterricht so unterschiedlich handhabten. Und Simon, der damals noch an der Kaufmannsschule war, hat die Zeit als „relativ chaotisch“ erlebt. Es habe alles sehr stark vom Engagement der Lehrer abgehangen. Lennart wiederum taten die Lehrer leid, die zum Teil so schlechtes Internet zu Hause gehabt hätten, dass digitale Unterrichtsstunden abgebrochen werden mussten.
Mitschüler Fatih regte an, falls es noch mal zum Homeschooling kommen sollte, den Schülern erstmal den Umgang mit den digitalen Endgeräten und den Apps beizubringen. „Ich hatte vorher noch nie Zoom genutzt. Das war für mich alles neu.“ Dem stimmte Otto Fricke zu. „Ich kann dich beruhigen. Diese Probleme hatten auch einige Politiker. Damit bist du nicht allein.“
Marita Kühne gab der Landespolitik die Schuld an der Misere. „Das Land hat nichts für euch getan. Es gab schlecht geschriebene Anweisungen aus dem Schulministerium und Widersprüche zwischen der Schulpolitik der einzelnen Länder.“ Mi ihrem Buch möchte sie endlich etwas bewegen, eine Schulreform anstoßen. Denn: „Wir müssen euch stärker fragen, was ihr wollt und wie ihr es wollt. Kinder sind unglaublich gute Kritiker, man muss diese Kritik aber auch annehmen.“
Otto Fricke kann das Unverständnis für so manche politische Entscheidung gut verstehen. Er gab aber auch zu bedenken: „Die Politiker hatten Schiss, für Tote verantwortlich gemacht zu werden.“ Generell wünsche er sich mehr Klarheit in der Politik und eine deutlich modernere Schulpolitik. „Da hinken wir im Vergleich zu anderen Ländern hinterher.“ Auch eine andere Art der Kommunikation sei nötig, eine Art, die mehr die junge Generation anspreche und das Interesse für politische Themen wecke.
An diesem Vormittag wurde im Nordbahnhof für eine neue Gesprächskultur zwar ein Weg bereitet, beschritten wurde er in letzter Konsequenz jedoch noch nicht. Doch wie sagte Bundestagsabgeordneter Fricke zum Schluss: „Man muss nach vorne schauen und weitermachen.“