Krefeld Krefelds Ein-Viertel-Denkmal

Krefeld · Die Werkkunstschule wird abgerissen, doch ihre Sahneseite bleibt erhalten: die Nordfassade steht noch in ursprünglicher Form. Sie ist aber ganz offenbar das einzige Relikt des 110 Jahre alten Bauwerks an der Petersstraße..

 Aus gleicher Perspektive heute: Die Werkkunstschule mit ihrer historischen Nordfassade und überbauten Westfassade. Historisches soll sich nicht mehr dahinter befinden.

Aus gleicher Perspektive heute: Die Werkkunstschule mit ihrer historischen Nordfassade und überbauten Westfassade. Historisches soll sich nicht mehr dahinter befinden.

Foto: Lothar Strücken

Es ist ein Haus mit denkwürdiger Geschichte, doch die denkwürdigste aller Geschichte ist die der Fassade: Wenn die 110 Jahre Werkkunstschule am Ostwall in wenigen Monaten abgerissen wird, dann bleibt eine Wand weiterhin stehen — die 2007 als Denkmal eingetragene Nordfassade überstand zwei Weltkriege und den Abriss des Gebäudes in den fünfziger Jahren. Die Denkmalschützer sehen deshalb in ihr ein "Zeugnis der früheren repräsentativen öffentlichen Architektur". Auch in den Neubau am Ostwall, in den in einigen Jahren die Wohnstätte zieht, soll die historische Fassade integriert werden.

 Dieses Bild zeigt die komplett zerstörte Ecke Neue Linner Straße/ Ecke Petersstraße nach dem Großangriff vom 22. Juni 1943 mit einer noch intakten Fassade, aber ohne Dach.

Dieses Bild zeigt die komplett zerstörte Ecke Neue Linner Straße/ Ecke Petersstraße nach dem Großangriff vom 22. Juni 1943 mit einer noch intakten Fassade, aber ohne Dach.

Foto: Stadtarchiv

Die städtische Tochter Wohnstätte will auf der Fläche der Werkkunstschule neu bauen und unten einziehen, oben sollen Wohnungen entstehen. 1,50 Meter hinter der nördlichen Fassade könnte im Neubau eine Glaswand aufgestellt werden, so dass die Kunden von innen auf die erhaltene Fassade schauen können — erhebliche Mehrkosten nimmt der Bauherr dafür in Kauf. Die weiteren Fassaden dürfen abgerissen werden. "Allerdings erst, wenn ein statisches Konzept zur Sicherung der zu erhaltenden historischen Fassade vorgelegt wird. Dies ist erforderlich, weil bei Abbruch aller anderen Teile, die Nordfassade alleine nicht mehr standsicher wäre", teilte ein Stadtsprecher mit.

Das Gebäude der Werkkunstschule zwischen Ostwall und Petersstraße wurde 1903 eröffnet und war ab 1904 als "Handwerker- und Kunstgewerbeschule" selbstständig. Errichtet wurde es von Stadtbaumeister Johann Burkart, der im ausgehenden 19. Jahrhundert die öffentliche Architektur Krefelds geprägt hat, wie es in einem Bericht der Stadt heißt. Der Krieg ging zwar nicht spurlos am Haus vorbei — aber die Werkkunstschule blieb besser erhalten als benachbarte Gebäude. Nach den Angriffen 1943 ist das Gebäude ausgebrannt, aber alle Fassaden standen noch aufrecht. Alte Bilder aus der Nachkriegszeit, die der Krefelder Einzelhändler Jürgen Kluth, mit seinem Geschäft ehemals Nachbar der Schule, aufgespürt hat, dokumentieren den Zustand des Gebäudes nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie zeigen die verheerende Wirkung der Bombennacht vom 22. Juni 1943, umliegende Häuser liegen brach, die Werkkunstschule an der Ecke Petersstraße/Neue Linner Straße hat zwar kein Dach mehr, allerdings besaß sie noch eine intakte Fassade. Diese wurde danach abgetragen.

Ab 1949 trug die Stadt das Haus. In diese Zeit fällt auch der Neubau: 1960 wurde der gesamte Flügel an der Petersstraße und die komplette Westfassade der Werkkunstschule im Rohbau neu erstellt. Reste der alten Fassade seien nicht mehr vorhanden gewesen, sagt die Stadt. Denkmalschutz nach heutigen Maßstäben gab es damals nicht. Die Krefelder Presse berichtete beim Richtfest unter der Überschrift "Aus drei Teilen wird eine Einheit" wird über die Verknüpfung des Altbaus an der Neuen Linner Straße, des neuen noch unverkleideten Flügels an der Petersstraße und die die beide Teile verbindende Aufstockung. In diese Zeit fällt die Hochzeit für die Werkkunstschule, an der berühmte Studenten tätig waren: die Designerin Jil Sander, Zeichner Janosch, Modefotograf Peter Lindbergh, Maler Markus Lüpertz. 300 Studenten waren in die berühmtesten Zeiten in Krefeld.

Die Geschichte von der Werkkunstschule ist — ganz nebenbei — auch eine vom Wechsel ihrer Bewohner: 1971 kaufte das Land der Stadt den Bau ab, im vergangenen Jahrzehnt kaufte die Stadt das Haus für 250000 Euro zurück, verkaufte zwischenzeitlich an Luximo. Die hatten große Pläne: Zu Beginn hatte Luximo angekündigt, den Krefelder Künstler Will Cassel die Fassade gestalten zu lassen. Daraus wurde nichts. Die Stadt kaufte das Haus nach fünf Jahren 2011 zurück, weil die Entwicklung dort nicht vorankam. Jetzt macht es eine städtische Tochter.

Vor dem Neubau müssen die Experten aber noch einmal prüfen, ob die lange Vergangenheit der Schule keine Spuren hinterließ: Es soll noch geprüft werden, ob Kampfmittel und archäologische Bodendenkmäler gefunden werden.

(RP/ac)
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