Krefelder Vereine und Randsportarten „Ringen ist keineswegs brachial“

Serie | Krefeld · Das Ringen ist eine der ältesten Sportarten der Welt und stand schon bei den antiken olympischen Spielen in Griechenland im Programm.

 Beim Ringen geht es nicht darum, den Gegner zu verletzen – auch wenn es so wirken könnte.

Beim Ringen geht es nicht darum, den Gegner zu verletzen – auch wenn es so wirken könnte.

Foto: Oliver Stach

Für die meisten Leute bedeutet Ringen vermutlich, dass zwei muskelbepackte Männer unbeherrscht aufeinander eindreschen. Doch das ist lediglich das Bild, das das showorientierte Catchen dem Publikum vermittelt, erklärt Alex Jodas. „Mit dem eigentlichen Ringersport hat dies nur wenig zu tun. Beim Ringen wird zwar aneinander gezerrt, gerissen, geschleudert, geworfen und mitunter sogar geschraubt“, sagt der Sprecher des Vereines Germania Krefeld. „Doch man soll sich nicht täuschen. Ringen ist keineswegs brachial oder gar brutal. Im Gegenteil: Ringen ist eine ästhetische Kampfsportart, die höchste Koordination, Schnelligkeit, Kraft, Ausdauer, Strategie und vor allem Technik voraussetzt.“ Dabei sei Ringen eine der wenigen Kampfsportarten, bei denen es nicht das Ziel sei, den Gegner zu verletzten. „Der Sinn des Ringkampfes besteht darin, den Gegner aus dem Gleichgewicht zu bringen und ihn auf die Schultern zu befördern“, sagt Jodas. Da sei es auch ohne Probleme möglich, einen Profi mit einem Anfänger kämpfen zu lassen – „er wird ihm nicht wehtun. Der Anfänger wird sich nur wundern, wie schnell er sich auf dem Rücken wiederfindet.“

 

Krefelds einziger Ringerverein Germania Krefeld ist der einzige Ringerverein der Stadt. „Vergangenes Jahr stand er für einen kurzen Augenblick im Rampenlicht der nationalen Aufmerksamkeit: Aline Focken, die dem Verein angehört, wurde sensationell Ringer-Olympia-Siegerin“, berichtet Jodas. Dabei sei die Sportart in Deutschland nur eine Randsportart, die aufgrund der geringfügigen medialen Darstellung ein „trauriges Nischendasein“ fristet. In vielen anderen Regionen der Welt sieht es da ganz anders aus, weiß der Vereinssprecher. „Es ist in etlichen Ländern Osteuropas wie in der Türkei und im nahen Osten im Iran ein Volkssport, der ganze Stadien füllt. Sogar in der an Deutschland grenzenden Schweiz ist das historische ,Schwingen‘, wie das Ringen dort genannt wird, eine Massensportart.“ Es wird in traditioneller Arbeiterkluft gekämpft. Bei den großen eidgenössischen Wettkämpfen mit zehntausenden Zuschauern gibt es als ersten Preis sogar einen lebenden Ochsen zu gewinnen. In der ganzen Welt wird gerungen, in Japan heißt es Sumo-Ringen, in Österreich Rangeln, in der Mongolei wird es „Boke“ genannt. Auch im afrikanischen Senegal und Gambia ist „Borreh“, eine Art des Freistilringens, eine Nationalsportart und Volkssport. Ringen ist eine der ältesten Sportarten und stand schon bei den antiken olympischen Spielen im Programm.

 

 Krefelds Vorzeige-Ringerin ist Aline Focken, die 2020 die olympische Goldmedaille in Tokio gewann. Der KSV Germania ist der Heimatverein der 31-Jährigen, die nach den Spielen ihre Karriere beendet hatte.

Krefelds Vorzeige-Ringerin ist Aline Focken, die 2020 die olympische Goldmedaille in Tokio gewann. Der KSV Germania ist der Heimatverein der 31-Jährigen, die nach den Spielen ihre Karriere beendet hatte.

Foto: AP/Aaron Favila

Training und Kosten In Japan gelten die dicken Sumo-Männer als Schönheitsideal, sagt Jodas. „In Deutschland jedoch müssen die Ringer nicht dick sein. Denn Ringen wird in verschiedenen Gewichtsklassen gekämpft. Bei den Männern gibt es neun Gewichtsabstufungen zwischen 57 und 130 Kilo.“ Trainiert wird in der Aline-Focken-Halle an der Steinstrasse 73. Die Halle sei wie eine wattierte Gummizelle komplett mit Matten ausgestattet, um das Verletzungsrisiko zu minimieren. Dienstags, donnerstags und freitags findet dort das Training statt. Das Ringen zählt zu den Sportarten, die man sich durchaus leisten kann. „Die Vereinsbeiträge liegen für Kinder bei sieben Euro und für Erwachsene bei neun Euro monatlich“, so Jodas. Ansonsten brauchen die Sportler Ringerschuhe mit heller Sohle. Kostenpunkt: ab 40 Euro. „Für das Training reicht normale Sportkleidung wie Jogginghose und T-Shirt, für Wettkämpfe werden ein rotes und ein blaues Trikot benötigt.  Die gibt es ab 13 Euro.“

 

Der Verein Der Krefelder Ringerverein ist 130 Jahre alt. „Er mag in die Jahre gekommen sein, aber er ist alles andere als verstaubt. Im Gegenteil, der Verein strotzt vor Vitalität“, sagt Jodas. Das könne man in vielerlei Hinsicht erkennen: „Erstens durch den schon erwähnten Olympiasieg von Aline Focken. Zudem kann Krefeld mit einem sehr erfolgreichen, nicht versiegen wollenden Nachwuchs glänzen. So haben die Germanen mit Dieter Tschierschke und Leyan Colak zwei B Jugendmeister hervorgebracht, Ben Haeffner wurde dritter bei den nationalen Juniorenmeisterschaften, Sohayb Musa zweiter bei den Männern.“ Auch bei den Mannschaftskämpfen sind die Germanen sehr erfolgreich. Die Mannschaft kämpft in der dritthöchsten deutschen Liga, in der Oberliga. „Das besondere bei den Krefeldern: Sie sind fast ein Jahrzehnt ohne Verstärkung von außerhalb ausgekommen. Das heißt, die Mannschaft bestand aus 100 Prozent lokalem Anbau.“ Vergangenes Jahr habe man dieses nachhaltige Prinzip durchbrochen und drei „Legionäre“ eingekauft. „Und siehe da, die Krefelder wurden im Vorjahr gleich zweiter in der Liga. Diese Saison schreibt man den Germanen große Chancen zu, in die zweite Liga aufzusteigen“, sagt Jodas. Bei den Mannschaftskämpfen messen sich je zehn Männer in verschieden Gewichtsklassen und je zwei Frauen des einen Vereins mit den Kämpfern eines anderen Clubs. Der ersten Heimkampf in der Oberliga findet am 1. Oktober in der Turnhalle Felbelstraße statt. Hier kann man die Krefelder gegen den Niederländischen Verein Landgraaf kämpfen sehen.

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