Interview Krefelder Steuersünder-Anwalt: "99 Prozent würden das heute nie mehr machen"

Krefeld · Der Krefelder Anwalt Arne Lißewski vertritt am Niederrhein Mandanten, die ihr Geld in der Schweiz unversteuert angelegt hatten und jetzt Selbstanzeige stellen. Er fordert einen neuen Blick auf die Steuerhinterzieher.

 Arne Lißeski ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Lißewski & Partner, die einen Sitz im Behnisch-Haus, einen weiteren in Düsseldorf hat.

Arne Lißeski ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Lißewski & Partner, die einen Sitz im Behnisch-Haus, einen weiteren in Düsseldorf hat.

Foto: MICHAEL GUETH PHOTOGRAPHY

Herr Lißewski, Sie sind Fachanwalt für Steuerrecht. Schweizerische Banken empfehlen ihren Kunden vom Niederrhein, sich durch Anwalt Arne Lißewski bei der Selbstanzeige beraten zu lassen. Was sind das für Menschen, die Sie jetzt kontaktieren?

Arne Lissewski Durch die Hoeneß-Debatte gibt es aus meiner Sicht auf jeden Fall ein falsches Bild des Steuersünders in Deutschland — wenn ich die in meiner Kanzlei sehe, sind es ganz normale gesetzestreue Bürger. Die meisten sind 70 bis 80 Jahre alt. Deren Geld lag jahrelang in der Schweiz. Jetzt sind sie, auch aufgrund ihres Alters oder der stetigen Ankäufe von Steuer-CDs, so weit, dass sie langsam darüber nachdenken, was mit ihrem Erbe wird. Sie wollen nicht, dass ihre Kinder Probleme mit dem Schweizer Konto bekommen. Deshalb wollen sie jetzt einen geordneten Übergang. Andere Mandanten haben das Geld von ihren Eltern geerbt.

Sollte man also Mitleid mit Steuersündern haben?

Lißewski Aus heutiger Sicht klingt das ungewöhnlich. Es gab aber in den Achtzigern und Neunzigern eine Zeit, da war das Transferieren von Geld in die Schweiz ein regelrechtes Kavaliersdelikt. Einige meiner Mandanten sind Ärzte, die hatten 500.0000 Euro, manche 1.000.000 Euro, auf dem Auslandskonto. Bei Ärztekongressen standen die Banken aus der Schweiz und Luxemburg draußen vor der Tür und haben die Ärzte regelrecht gebeten, das Geld nach dort zu transferieren.

Wie einsichtig sind Ihre Steuersünder?

Lissewski Ich sage Ihnen: 99 Prozent der Mandanten würden das heute nie mehr machen. Steuerhinterziehung war eben ein Phänomen der Zeit. Heute herrscht eine ganz andere Sensibilität für das Thema. Die Debatte um Steuerhinterziehung und Selbstanzeige wird vor diesem Hintergrund viel zu hysterisch geführt. Wichtig ist auch zu betonen, dass alle ihr Vermögen schon einmal versteuert haben. Dazu kam ein hoher Spitzensteuersatz von 54 Prozent sowie die damals noch geltende Vermögenssteuer.

Was haben Ihre Mandanten mit Ihrem Schweizer Vermögen gemacht?

Lissewski Genau das ist das Problem. Das Geld ist faktisch tot. Wenn es transferiert wird, fällt das Vermögen auf. Deshalb kommen die Kunden nicht mehr ran. Die Mandanten haben erkannt, dass die Zeit heute eine andere ist und die Nachversteuerung der einzig vernünftige Weg ist, mit dem Auslandsvermögen umzugehen. Aus diesem Grund ist es für die Mandanten auch keine Alternative, das Geld nun in andere Länder zu transferieren. Auch in andere Länder wollen sie es nicht bringen.

Wenn die Steuersünder zu Ihnen kommen, was können Sie dann noch veranlassen?

Lissewski Wir Anwälte erstellen für das Finanzamt eine Nacherklärung über das Vermögen in der Schweiz. Darin werden die alten Erträge aufgelistet. Das Finanzamt versteuert dann diese Erträge und wertet diese Nacherklärung als eine Selbstanzeige. Eine interne Behörde im Finanzamt prüft dann, inwieweit die Selbstanzeige gültig ist. Generell kann man sich durch die Selbstanzeige in Straffreiheit begeben.

Es gibt aber doch auch Grenzfälle — was passiert mit all den Mandanten, deren Namen vielleicht auf einer Steuer-CD waren, die aber jetzt eine Selbstanzeige stellen?

Lissewski Genau das ist derzeit das Problem. Derzeit laufen Fälle, in denen der Steuerpflichtige eine Nacherklärung bei der Finanzverwaltung eingerichtet hat, dessen Name aber bereits auf einer Steuer-CD stand. Die Behörde argumentiert nun, dass die Selbstanzeige nicht gültig ist, weil der Steuerpflichtige durch die Berichterstattung in den Medien davon gewusst haben muss, dass sich sein Name auf einer CD befunden haben könnte.

Faktisch müsste man dann ja von einer Selbstanzeige sogar abraten.

Lissewski Die Gerichte haben in diesem Fall noch nicht entschieden. Ich meine, dass eine Selbstanzeige wirksam sein muss, wenn der Steuersünder noch nicht kontaktiert wurde. So ist auch die Gesetzeslage. Im Übrigen haben landeseigene Betriebe in der Vergangenheit kräftig an der Steuerhinterziehung mitgewirkt. Die WestLB hat für ihre Kunden Gelder auf die Cayman Islands verbracht und auch die Landesbank Rheinland-Pfalz hat in Luxemburg eine Tochtergesellschaft gehabt, die für deutsche Kunden Gelder verwaltet hat.

Ihre Meinung zum Fall Ulrich Hoeness, der bald verhandelt wird?

Lissewski Natürlich habe ich in diesem Fall zu wenig Sachverhalts- kenntnis, aber eines ist klar. Es ist schlimm, dass die Angelegenheit überhaupt an die Öffentlichkeit gelangt ist. Es gilt in Deutschland das Steuergeheimnis — auch für Uli Hoeness. Herr Hoeness hatte in der Vergangenheit auch sicher deshalb auf eine Selbstanzeige verzichtet, weil er befürchten musste, dass eine Selbstanzeige nicht geheim bleiben würde. Ich glaube, dass Herr Hoeness wusste, dass dies an die Öffentlichkeit kommt. Das ist meines Erachtens auch der Grund, warum er so lange mit der Selbstanzeige gewartet hat. Er hat einfach auf ein Steuerabkommen mit der Schweiz gewartet. Jetzt ist es anders gekommen. Ich als Anwalt profitiere nun natürlich. Für den Staat wäre es aber, da lege ich mich fest, wirtschaftlich bedeutend besser gewesen, wenn die Steuersünder ihr Geld über die anonyme Abschlagszahlung gemäß Steuerabkommen versteuert hätten. Die anonymen Abschlagszahlungen wären deutlich höher gewesen als nun die reguläre Nachversteuerung im Wege der Selbstanzeige.

SEBASTIAN PETERS FÜHRTE DAS INTERVIEW.

(RP)
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