Ausstellung in der Kunsthalle Künstler-Star Oehlen zeigt seine Wurzeln

Krefeld · Die Kunsthalle in Düsseldorf zeigt Arbeiten des Krefelder Künstlers Albert Oehlen. Seine Baummotive sind mit denen des US-Stars Carrol Dunham im Dialog. Oehlen hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Superstar der Kunstszene entwickelt.

 Carroll Dunham und der Krefelder Künstler-Star Albert Oehlen (rechts) in ihrer ersten gemeinsamen Ausstellung in der Kunsthalle in Düsseldorf am Grabbeplatz.

Carroll Dunham und der Krefelder Künstler-Star Albert Oehlen (rechts) in ihrer ersten gemeinsamen Ausstellung in der Kunsthalle in Düsseldorf am Grabbeplatz.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Bäume wachsen bisweilen durchaus in den Himmel – etwa die des Krefelder Künstlers Albert Oehlen. Der 65-Jährige zählt zu den international erfolgreichsten Vertretern des Kunstmarktes. Seine Werke wechseln für Rekordpreise die Besitzer. Oehlen zählt zu den 100 umsatzstärksten Malern der Welt. Seine Anfänge liegen in Krefeld und in Düsseldorf, wo er an der Staatlichen Kunstakademie studiert hat. In der Landeshauptstadt faszinierte ihn der Punk. No future.

Oehlens Karriere hat seitdem stetig an Fahrt gewonnen, der Protagonist sich mehrfach neu erfunden. Die Kunsthalle in Düsseldorf aktuell und im kommenden Jahr das Spren­gel Mu­se­um Han­no­ver rücken eine Episode aus den
1980-er Jahren in den Fokus – die Baumbilder. Dabei sind die kräftigen Gewächse für Oehlen ein Verhikel, um die Diskussion über Abstraktes und Gegenständliches zu beleben. „Die Baumzeichnungen von Albert Oehlen illustrieren den Punkt, in dem der Gegensatz zwischen konkret und abstrakt aufgelöst scheint“, schreibt der Kunstkritiker Martin Prinzhorn. Die Form eines Baumes unterliege gewissermaßen einer strikten visuellen Grammatik, schon Kinder verstünden den Übergang vom dicken Stamm zu dünneren Ästen und dann immer weiter zu noch düsteren Ästen, berichtet er. Oehlens Bäume seien dementsprechend entwurzelt und nirgends verankert. Die Symmetrie sei vollständig und die Entwurzelung bedeute in diesem Fall auch, dass offen gelassen werde, ob der Ausgangspunkt im Konkreten oder im Abstrakten liege, urteilt Prinzhorn.

 Albert Oehlens Bäume aus den 1980-er Jahren sind Maßstab der Abstraktion.

Albert Oehlens Bäume aus den 1980-er Jahren sind Maßstab der Abstraktion.

Foto: Kunsthalle/Albert Oehlen

Oehlen stellt in Düsseldorf gemeinsam mit dem Amerikaner Carroll Dunham aus. Die welt­weit re­nom­mier­ten und ge­ra­de für ei­ne jün­ge­re Ge­ne­ra­ti­on von Künst­lern enorm ein­fluss­rei­chen Ma­ler präsentieren ihre Arbeiten erst­mals ge­mein­sam. Bei­de Künst­ler kenn­zeich­net ein äu­ßerst ei­gen­stän­di­ges und kom­ple­xes Œuvre. Ex­akt zu dem Zeit­punkt, an dem Al­bert Oeh­len En­de der 1980-er Jah­re von fi­gu­ra­ti­vem „Bad Pain­ting“ in die Abs­trak­ti­on steu­ert, geht Car­roll Dun­ham ei­nen ent­ge­gen­ge­setz­ten Weg und ent­wi­ckelt nach or­ga­nisch abs­trak­ten An­fän­gen ei­ne sur­re­al an­mu­ten­de Fi­gu­ra­ti­on, in der ver­schie­de­ne Cha­rak­te­re gan­ze Werk­blö­cke prä­gen, die wie­der­um mit fast kon­zep­tu­el­ler Stren­ge auf­ein­an­der auf­bau­en.

Wäh­rend Dun­ham ab An­fang der 1990-er Jah­re ei­ne Hut tra­gen­de Fi­gur mit Phal­lus-Na­se in sein Werk ein­führt, die Jah­re spä­ter von weib­li­chen „Ba­den­den“ mit zum Teil gro­tesk über­zeich­ne­ten Ge­schlechts­or­ga­nen ver­drängt wer­den, pro­kla­miert Oeh­len sei­ne „post-un­ge­gen­ständ­li­che“ Ma­le­rei und ar­bei­tet als ei­ner der ers­ten Künst­ler mit di­gi­ta­len Tech­ni­ken.

 Caroll Dunhams Malerei ist opulent. Organische Strukturen sind erkennbar.

Caroll Dunhams Malerei ist opulent. Organische Strukturen sind erkennbar.

Foto: Kunsthalle

Bei­den ist ge­mein, dass sie in­ner­halb selbst ge­steck­ter Pa­ra­me­ter im­mer wie­der die Mög­lich­kei­ten der Ma­le­rei tes­ten, dass sie un­er­müd­lich Zei­chen set­zen und Spu­ren ver­wi­schen und da­bei in un­ge­mein ei­gen­stän­di­ger Wei­se mit Tech­ni­ken, Ober­flä­chen und Struk­tu­ren ex­pe­ri­men­tie­ren. Nir­gends wird dies deut­li­cher als bei dem ge­mein­sa­men Su­jet der Bäu­me, das bei­de Künst­ler mehr­fach in ih­rem Werk auf­ge­nom­men und für sich aus­for­mu­liert ha­ben. Wäh­rend Bäu­me bei Al­bert Oeh­len blatt­los kahl mit­samt Wur­zeln den Bild­raum do­mi­nie­ren und zum fi­gu­ra­ti­ven An­stoß abs­trak­ter Bil­der wer­den, ist der Baum bei Car­roll Dun­ham mal blü­hend, mal vom Wind ge­peitscht, dann wie­der frisch ge­fällt und tot zu se­hen.

In der Zu­sam­men­füh­rung von Dun­ham und Oeh­len, die im je­wei­li­gen Kol­le­gen den „wahr­schein­lich bes­ten Baum-Ma­ler der Welt“ se­hen, las­sen sich aus­ge­hend vom Su­jet des Bau­mes un­zäh­li­ge phi­lo­so­phi­sche, theo­lo­gi­sche, so­zio­lo­gi­sche, öko­lo­gi­sche und na­tür­lich kunst­his­to­ri­sche Be­trach­tun­gen ab­lei­ten. Vom bib­li­schen Baum der Er­kennt­nis und da­mit dem Ort des ers­ten Sün­den­falls bis zum Lieb­lings­mo­tiv der Ro­man­ti­ker, von der ra­di­kal-mo­der­nis­ti­schen Frag­men­tie­rung durch Piet Mon­dri­an bis zur Pflan­zung der 7000 Ei­chen durch Jo­seph Beuys für die Documenta in Kassel – der Baum ist im­mer wie­der ein zen­tra­les Mo­tiv der Re­li­gi­ons-, Geis­tes- und Kul­tur­ge­schich­te.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort