Krefeld Krefelder Flüchtlingshelfer berichten

Krefeld · In bemerkenswert sachlicher Atmosphäre diskutierte der Katholikenrat die Flüchtlingssituation in Krefeld.

Krefeld: Krefelder Flüchtlingshelfer berichten
Foto: Thomas Lammertz

Auf dem offenen Podiumsgespräch, das der Katholikenrat der Region Krefeld im Katholischen Forum für Erwachsenenbildung veranstaltete, goss Wolfram Gottschalk, der Leiter des Krefelder Amtes für Soziales, Senioren und Wohnen die Lage der Flüchtlinge in Krefeld in nüchterne Zahlen: Die Hälfte der rund 2500 Flüchtlinge habe die Stadt in Wohnungen dezentral unterbringen können. 430 Menschen lebten noch in Turnhallen. Diese versuche die Stadt "leerzuziehen", um die Akzeptanz der Flüchtlinge zu verbessern. Daher bemühe sich die Stadt um Standplätze für beheizte Traglufthallen. 800 Flüchtlinge lebten in Gemeinschaftsunterkünften wie aufgegebenen Schulgebäuden oder Altenheimen. Die Glockenspitz-Halle könne 300 Flüchtlinge aufnehmen, sei aber nur mit 150 Personen belegt, da dort die Windpocken ausgebrochen seien. Die Zahl der Flüchtlinge, die nach Krefeld gelangen, steigt Woche für Woche um rund 100 Personen."Wir haben keine Puffer mehr", sagte Gottschalk.

Der Amtsleiter kritisierte, dass sich das Land nicht frühzeitig auf das Unterbringungsproblem vorbereitet habe, obwohl die Lage vorhersehbar gewesen sei. Da Flüchtlinge im Anerkennungsverfahren 15 Monate nicht arbeiten dürfen und so in dem Erwerb der deutschen Sprache behindert werden, will Gottschalk Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen für die Flüchtlinge unterhalb dieses Verbotes bereitstellen. Allerdings erinnerte der Amtsleiter auch daran, dass Krefeld neben einer Willkommens- auch eine "Abschiedskultur" entwickeln müsse, denn viel Flüchtlinge werden in Deutschland nicht bleiben können."

Mehrere Ehrenamtler merkten kritisch an, dass der Spracherwerb der Kinder durch den Besuch von Kita und Schule einigermaßen gesichert sei. Schlecht laufe es aber für die Erwachsenen, für deren Erlernen der Sprache des Gastlandes zu wenig getan werde.

Bernd Kaesmacher, Gemeindereferent der Pfarre Papst Johannes XXIII, engagiert in den Flüchtlingsheimen Gerber- und Lindenstraße, kritisierte, dass er mit einer Hilfslieferung Lebensmittel nicht die Einlasskontrollen hatte passieren dürfen. Gottschalk entgegnete: "Es wäre schön, wenn in jeder Unterkunft Sozialpädagogen Dienst täten, die Besucher auf Grund ihrer Bewertung der Situation steuern könnten." Derzeit täten Sozialarbeiter auf drei Vollzeit- und einer Teilzeitstelle Dienst. Für weitere sechs Stellen laufe das Auswahlverfahren. Ein Teil dieser Stellen solle dann für die Flüchtlingsfamilien eingesetzt werden, die verstreut in Wohnungen leben und nicht so schnell an Hilfe bei Behördengängen und Ähnlichem herankämen. Gerade in diesem Bereich "mobiler Sozialarbeit"sei das Engagement ehrenamtlicher Helfer erwünscht, denn das verfügbare Verwaltungspersonal sei völlig überlastet.Im Übrigen hofft Gottschalk auf Entlastung durch den neuen Flüchtlingskoordinator, den Oberbürgermeister Frank Meyer ernennen will. Das Missverhältnis von geschulten Sozialarbeitern und Ehrenamtlern kritisierte der frühere Ratsherr Christoph Bönders (Grüne). Um eine hohe Anerkennungswahrscheinlichkeit häufig traumatisierter Flüchtlinge zu sichern, brauche man geschulte Leute, denn bis "die Flüchtlinge den ,Blauen Pass' erhalten, müssten sie viele Klippen überwinden." Die derzeitigen Schulungsangebote seien nicht ausreichend.

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Foto: dpa, rwe jai

Ein pensionierter Lehrer, der Sprachkurse für Flüchtlinge anbietet, kritisierte die Verlässlichkeit der Flüchtlinge. Sie beteiligten sich nur unregelmäßig. Sein Kurs habe derzeit nur vier Teilnehmer. Die Flüchtlinge brächten einen anderen Lebensrhythmus mit, der erst am Abend richtig aufdrehe, meinte dazu eine andere Ehrenamtlerin. Sie begrüßte, dass die Caritas an einem Leitfaden für Ehrenamtler arbeite.

Viele aktuelle Informationen würden die Flüchtlinge nicht erreichen, da keine arabische Übersetzung vorliege. Hier könne ein Flüchtlingscafé wie das gut besuchte Innenstadtcafé "Sarah" oder das neue Flüchtlingscafé der Pfarrgemeinde Thomas Morus helfen, Informationen schnell weiterzutragen.

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Der Abend schloss mit einer versöhnlichen Szene, die Bernd Kaesmacher schilderte und die zeigt, dass zwischen Flüchtlingen und Deutschen nicht so große Unterschiede bestehen. Kaesmacher wollte einer syrisch-koptischen Flüchtlingsfamilie zwei Ikonen bringen, die ihm geschenkt worden waren. Die jüngste Tochter, die seit einigen Monaten die Kita besucht, öffnete die Wohnungstür und bat Kaesmacher in klarem Deutsch auf einen Kaffee herein. Dann wies das kleine Mädchen ihre Tante an, Kaffee für den Besucher zu bereiten und bot dem verblüfften Besucher einen Platz am Familientisch an.

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(oes)
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