Krefeld Pinguine Dank Eishockey zurück ins Leben

Wachkoma-Patient Wolfgang R. zeigte beim Abspielen der Stadion-Hymne der Pinguine erste Reaktionen.

 Dipl.-Psychologin Judith Faust (l.) vom Sozialen Dienst und Pflegedienstleiterin Sabine Baumann im Zimmer von Wolfgang R..

Dipl.-Psychologin Judith Faust (l.) vom Sozialen Dienst und Pflegedienstleiterin Sabine Baumann im Zimmer von Wolfgang R..

Foto: Carola Puvogel

Wolfgang R. liegt im Wachkoma. Bei einem Fahrradunfall im Jahr 2017 mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma wurde das Gehirn des heute 58-Jährigen durch Sauerstoffmangel irreparabel geschädigt. Was er von seiner Umgebung noch wahrnehmen kann, ist ungewiss. Doch jetzt ist dem Pflegepersonal der Wachkoma-Station im Gerhard Tersteegen Haus ein kleiner Durchbruch gelungen – mit Hilfe der Krefeld Pinguine.

Die erste wahrnehmbare Regung des Patienten überhaupt gab es beim Abspielen der Pinguin-Hymne. Das berichtet Diplom-Psychologin Judith Faust vom Sozialen Dienst der Einrichtung.

Der Weg bis zu diesem ersten kleinen Erfolg war lang. Über Monate hatte das Pflegepersonal sich bemüht, Informationen zu dem Patienten und seinem Leben vor dem Unfall zu finden. „Doch das war schwierig, weil Wolfgang R. keine engere Familie oder Freunde hat, nur ein paar Kumpels, die ab und zu vorbeikommen“, berichtet Pflegedienst-Leiterin Sabine Baumann. „Wachkoma-Patienten kommen oft erst bis zu ein Jahr nach zum Beispiel ihrem Unfall zu uns in die Pflege. Dann sind Wohnungen und damit viele Erinnerungen meist aufgelöst und verloren. Wenn es keine Familie oder Freunde gibt, ist es schwer, etwas über diese Patienten in Erfahrung zu bringen“, erklärt Faust. Dabei sind solche Bezüge zum einstigen Leben der Wachkoma-Patienten wichtig und können positiven Einfluss auf das Befinden der Betroffenen haben.

So beobachtete der belgische Neurologe Dr. Steven Laureys laut dem Online Portal „gip-intensivpflege“ bei einem im Wachkoma liegenden Familienvater, dass diesem Tränen über das Gesicht liefen während ihm Aufnahmen seiner Kinder gezeigt wurden.

Ein ähnliches Erlebnis hatten die Pflegekräfte jetzt im Tersteegen-Haus mit ihrem Patienten. Ein ehemaliger Nachbarsjunge von Wolfgang R. hatte den Hinweis gegeben, dass R. vor seinem Unfall glühender Krefeld Pinguine-Fan war. „Wir haben hin- und her überlegt und geguckt, was es da alles so gibt in Sachen Pinguine“, berichtet Faust. Von ihrem Tablet spielte sie dem Patienten schließlich die Stadion-Hymne vor. „Das war der Durchbruch: Ein hoher Grad an Aufmerksamkeit war plötzlich da“, berichtet Faust. „Wir hatten es endlich geschafft, ihm eine Brücke zu bauen.“

Faust will sich mit diesem ersten Erfolg nicht zufriedengeben, mehr für ihren Patienten tun - und organisierte für ihn den Besuch eines Pinguine-Heimspiels. „Als ich ihm das Ticket, das ich auf A3-Format vergrößert hatte, gezeigt habe, sind bei ihm Tränen geflossen und er hat gelächelt“, erzählt die Psychologin. Das sei für einen Wachkoma-Patienten ein außergewöhnlicher Moment. „Wolfgang R. hat sogar erstmals versucht, Sprache zu formulieren, das gab es vorher noch nie.“ Doch die Motivation über die Brücke „geliebter Verein und Sport“ habe beim Patienten eine ganz neue Wachheit erzeugt.

Zum Spiel gegen München ist Wolfgang R. schließlich live in der Yayla-Arena dabei. Ein gewaltiger logistischer Aufwand, denn R. kann die Knie nicht mehr beugen, also nur noch liegen. „Sein Liege-Rollstuhl ist sehr, sehr lang, so dass er in der Yayla-Arena nicht in den Fahrstuhl passte“, berichtet Faust. „Aber man hat uns toll geholfen, wir sind durch die Katakomben, am Spielfeld vorbei, durch die Küche zum Lastenaufzug gebracht worden, und damit konnten wir die Plätze erreichen.“ Beseelt habe ihr Schützling im Stadion gewirkt. „Ich glaube, er war glücklich in dem Moment“, sagt Judith Faust. Tatsächlich hätten einige Fans von der Nordtribüne Wolfang R. sogar erkannt. „Eine junge Frau kam zu uns und fragte ‚Wolli, bist du das?‘“, erzählt Faust. „Man kennt ihn dort aus der Fankurve, er scheint beliebt gewesen zu sein.“

Den ganzen Trubel habe ihr Patient gut verkraftet. „Obwohl es so ein langer und aufregender Tag war, ist Wolfgang R. ruhig und entspannt geblieben, völlig ohne Stress-Symptomatik“, sagt Judith Faust. Die Fotos von dem Ausflug hat sie vergrößert und laminiert, so dass das Pflegepersonal sie R. jederzeit zeigen kann.

Und auch das Zimmer ist nun mit Pinguin-Devotionalien dekoriert. Darunter natürlich das Trikot, das Wolfgang R. in der Eis-Arena bei seinem ganz besonderen Ausflug getragen hat.

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