Frühere Schlecker-Filiale in Stahldorf Schandfleck wird zum Quartierszentrum
Krefeld · Seit 2012, also gut zehn Jahre, war das Gebäude an der Remscheider Straße in Stahldorf ungenutzt und verfiel. Eine große Gruppe engagierter Bürgerinnen und Bürger hilft vor Ort beim Wiederaufbau.
Die Hochhaussiedlung an der Remscheider Straße in Stahldorf liegt im Dunklen. Sogar relativ wenige Fenster sind erleuchtet, obwohl es erst früher Abend ist. Umso auffälliger ist die hell erleuchtete Fensterfront des ehemaligen Schlecker-Marktes in der Kurve der Straße. Seit 2012, also gut zehn Jahre, war das Gebäude ungenutzt und verfiel zusehends. Mehrfach wurde die automatische Tür aufgebrochen und der verbliebene Inhalt gestohlen. „Das hört sich dramatisch an, aber einmal stand die Tür drei Tage offen. Über die Zeit wurden dann die meisten verbliebenen Dinge mitgenommen“, erzählt Sandy Schilling. Der Mitarbeiter der Fachstelle für Gemeinwesenarbeit der Stadt koordiniert vor allem die Quartiersarbeit. Mit rund einem Dutzend Helfer aus verschiedenen Bereichen ist er vor Ort, um aus dem gut 300 Quadratmeter großen Ladenlokal (die Zahl kann er im Termin nur schätzen) ein Quartiersbüro zu machen.
Im ersten Schritt sind die Helfer aktiv, um das alte Filialleiterbüro zu ertüchtigen. Hier soll künftig Quartiershelferin Heike Lorentz ihren Sitz haben. „Bislang ist sie an der Flüchtlingsunterkunft am Wehrhahnweg ansässig“, erzählt Schilling. Fortan arbeitet sie von der Remscheider Straße aus. Dabei sei viel zu tun. „Wir haben die Immobilie von der LEG zur Verfügung gestellt bekommen. Sie ist Eigentümerin. Wir bekommen nun fast kostenlos die Möglichkeit, das Gebäude zwischenzunutzen. Was langfristig hier passiert, ob es bei dieser Nutzung bleibt, ob das Gebäude ertüchtigt oder sogar abgerissen und die Fläche neu bebaut wird, das ist noch nicht entschieden“, erzählt Schilling.
Kurzfristig soll in dem Gebäude viel passieren. Eine große Gruppe engagierter Bürgerinnen und Bürger soll dabei helfen. „Es gibt unglaublich viele Organisationen, die sich einbringen. Die Freischwimmer sind dabei, die Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete am Wehrhahnweg, die Freunde des Stadtparks Fischeln, die Tafel, das Jugendzentrum Stahlnetz, der VfR Krefeld, verschiedene Schulen, Kitas und Religionsgruppen und ein paar andere. Das ist schon beeindruckend“, erläutert er weiter.
Beim VfR Krefeld, eigentlich ansässig an der Westparkstraße, wurde eigens eine Boxabteilung gegründet. Boxtrainer Sam Faruuk Ajagbe wird seinen Ring dennoch in dem alten Ladenlokal aufbauen. „Es soll hier mehrfach in der Woche Kurse für Jugendliche geben. Wir bauen einen kleinen Ring, Boxsäcke und verschiedene andere Trainingsgeräte. Ich finde soziales Engagement für Kinder und Jugendliche wichtig und Sport ist immer eine gute Möglichkeit, sie von der Straße zu bringen. So laufen sie nicht rum und machen Unsinn“, sagt der Trainer, der ein eigenes Boxstudio an der Oelschlägerstraße betreibt. Ein ähnliches Projekt am Horkesgath war vor einigen Jahren sehr gut angelaufen. „Aber in Corona ist es leider kaputtgegangen“, erzählt er bedauernd.
Was sonst im alten Schlecker angeboten wird, das sei noch offen. „Wir werden sehen, welche Bedarfe sich ergeben. Wir wollen situativ und kreativ vorgehen und offen bleiben. Quartiersarbeit sollte nicht nach Schema F vorgehen“, betont der erfahrene und engagierte Mitarbeiter der Stadt. „Öffentliche Räume wie hier laden immer zum Nachdenken und zur Kreativität ein“, sagt er. In einer Ecke des großen Raumes steht ein Flipchart, auf dem Ideen erfasst werden.
Stahldorf sei dabei auf den ersten Blick kein Problemstadtteil. „Die Statistik weist es nicht als Problemstadtteil aus. Aber hier ist eine ganz eigene sozioökonomische Struktur gegeben. Die Probleme zeigen sich nicht wirklich im öffentlichen Raum, aber umso mehr hinter geschlossenen Türen. Auch das ist ein Grund, um zu helfen“, sagt der Verwaltungsmann.
Die Freischwimmer, eigentlich mit dem Stadtbad an der Neusser Straße assoziiert, sind ein wichtiger Partner. „Wir sind schon seit einiger Zeit mit Sandy in engem Austausch und sind an vielen Projekten beteiligt. Unser Ziel ist, Gemeinwesen voranzubringen und auch ein Stück weit Selbstwirksamkeit zu vermitteln“, sagt Marcel Beging. Seine Mitstreiterin Katrin Mevissen ergänzt: „Zu Stahldorf habe ich persönlich keine Verbindung. Aber es ist ein total spannendes Quartier mit unterschiedlichsten Milieus. Ich finde es toll, hier aktiv zu sein.“
Gemeinsam mit vielen Helfern wollen sie nun dafür sorgen, dass das Ladenlokal, das an sehr prominenter Stelle in Stahldorf angesiedelt ist, bald wieder einen Mehrwert für den Stadtteil darstellt und eine wichtige Anlaufstelle für Jugendliche, aber auch Senioren wird.