Krefeld Heute Sondersitzung zur Mietaffäre Ertürk

Krefeld · Auf Anordnung von Oberbürgermeister Frank Meyer hat das Rechnungsprüfungsamt Mietverhältnisse der Stadt Krefeld mit Mandatsträgern unter die Lupe genommen. Für die Ergebnisse interessierte sich auch die Staatsanwaltschaft Krefeld.

 An der Heideckstraße hat SPD-Ratsherr Mustafa Ertürk Wohnungen an die Stadt vermietet.

An der Heideckstraße hat SPD-Ratsherr Mustafa Ertürk Wohnungen an die Stadt vermietet.

Foto: Norbert Stirken

Der Vorgang dürfte in der Stadtgeschichte äußerst selten, wenn nicht einzigartig sein: Der üblicherweise hinter verschlossenen Türen tagende Rechnungsprüfungsausschuss berät heute in einer öffentlichen Sondersitzung im Rathaus ab 16 Uhr in anonymisierter Weise über die Mietaffäre Mustafa Ertürk. Die Stadt hat mittel- und unmittelbar Wohnungen des SPD-Ratsherrn an der Hubertus, der Heideck- und der Inrather Straße sowie dem Hagerweg für die Unterbringung von Flüchtlingen gemietet. Darüber hatte der Mandatsträger weder seine Fraktion noch den Oberbürgermeister Frank Meyer rechtzeitig informiert. Der Rat der Stadt hätte einem Vertragsverhältnis zwischen Ertürk und der Kommune zustimmen müssen. Das ist bis heute nicht erfolgt.

 SPD-Ratsherr Mustafa Ertürk sieht „jegliche Verdachtsmomente entkräftet“. Diese Folgerung gibt der Schlussbericht 10/2018 des Rechnungsprüfungsamtes nicht her.

SPD-Ratsherr Mustafa Ertürk sieht „jegliche Verdachtsmomente entkräftet“. Diese Folgerung gibt der Schlussbericht 10/2018 des Rechnungsprüfungsamtes nicht her.

Foto: Spd

Das Rechnungsprüfungsamt nahm die Mietverhältnisse genau unter die Lupe und listete in drei Berichten eine Reihe von Merkwürdigkeiten und Versäumnissen auf, die sogar die Staatsanwaltschaft Krefeld interessierten. Deren Prüfung, ob die Fakten für einen Anfangsverdacht strafrechtlicher Vorwürfe ausreichen, sei noch nicht abgeschlossen, erklärte Axel Stahl, Sprecher der Staatsanwaltschaft auf Anfrage unserer Redaktion. Er bestätigte darüber hinaus, dass der Staatsanwaltschaft eine Anzeige wegen des Verdachts des Betrugs vorliege, die sich auf ein Mietverhältnis für eine Wohnung des Eigentümers Ertürk an der Inrather Straße beziehe. Derjenige, der die Anzeige erstattet habe, lasse offen, ob Ertürk, die Via Real Finance UG oder ein unbekannter Dritter, beschuldigt werde, erklärte Stahl. Der Mieterin sollen Nebenkosten für Gas in Rechnung gestellt worden sein, obwohl sie ihre Gaskosten direkt beim Versorger beglichen haben soll.

Ertürk ist bis auf die Wohnungen an der Heideckstraße nicht selbst als Vermieter an die Stadt aufgetreten. Für weitere Wohnungen, deren Eigentümer er ist, ist die Via Real Finance UG Vertragspartner der Stadt. Die Gesellschaft wird von der Lebensgefährtin Ertürks geleitet. Die städtischen Prüfer haben allerdings in ihren Berichten angeführt, dass auch Ertürk selbst in den Mietsachen tätig geworden sei. In dem so genannten Schlussbericht heißt es von Anwälten der Vermieterseite, „verfälschend ist der Eindruck, Ertürk habe in irgendeiner Weise in der Vergangenheit oder gegenwärtig Einfluss auf die via Real Estate und deren Handlungen“ genommen. Unserer Redaktion liegt aber die Kopie eines Schreibens vor, in dem Ertürk auf dem Briefpapier der Via Real Finance UG in einer Mietsache tätig geworden ist und den Inhalt persönlich unterschrieben hat.

Der so genannte Abschlussbericht 10/2018 des Rechnungsprüfungsamtes unterscheidet sich von den zwei vorherigen Berichten insofern, als dass er die Mängel und Versäumnisse erneut auflistet, darüber hinaus aber sowohl Ertürk als auch der Via Real Estate Finance UG und dem Fachbereich Zentrales Gebäudemanagement die Gelegenheit einräumt, zu allen kritischen Punkten eine Erklärung abzugeben.

Ins Visier geraten waren unter anderem Vermietung eines Schwarzbaus, Schimmel, fehlende Rauchmelder, falsche Angaben über die Wohnungsgröße, gleichsam doppelt gezahlte Nebenkosten, zu Lasten der Stadt geänderte Verträge, fehlende oder nicht unterschriebene Wohnungsübergabeprotokolle, fehlende Rechnungen, fehlende Aktenvermerke und noch einiges mehr.

Die Rechnungsprüfer urteilten über das Verwaltungshandeln im Fachbereich, es weise „Mängel in einer Häufung auf, die nicht nachvollziehbar sind“. Die abgeschlossenen Verträge seien unter anderem deshalb „schwebend unwirksam“, weil es an einem „Befristungsgrund“ mangele. Einlassungen Ertürks, der Via Real Estate Finance und des Fachbereichs konterten die Prüfer in der Sache oder kommentierten sie mit der Bemerkung: „Die Erläuterungen werden zur Kenntnis genommen.“ Ertürk selbst hält „jegliche Verdachtsmomente für entkräftet“.

In dem Zusammenhang soll auch ein Antrag der SPD behandelt werden, demzufolge die Verwaltung zum Beispiel die Mietverträge für Wohnungen beenden solle, die im Zuge der Unterbringung von Flüchtlingen nicht mehr benötigt würden. Ferner gelte es Kontrollmechanismen zu entwickeln, um korrektes Verwaltungshandeln in Zukunft zu garantieren.

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