Kraftwerksrückbau von Siempelkamp Neue Technik für Atomreaktor-Rückbau

Krefeld · Das Krefelder Unternehmen Siempelkamp hat eine neue Methode entwickelt, um Druckbehälter aus Atomkraftwerken deutlich schneller zu zerlegen. Die Prozedur, die bislang Monate dauerte, ist nun eine Sache von wenigen Tagen.

 Das nachgebaute Reaktorbecken, natürlich nicht verstrahlt, auf dem Siempelkampgelände. Alle Teile entsprechen exakt dem Reaktor, der als nächstes zerlegt wird.

Das nachgebaute Reaktorbecken, natürlich nicht verstrahlt, auf dem Siempelkampgelände. Alle Teile entsprechen exakt dem Reaktor, der als nächstes zerlegt wird.

Foto: Siempelkamp

In einer kürzlich neu gebauten Halle auf dem Gelände von Siempelkamp an der gleichnamigen Straße steht ein neun Meter hoher Betonzylinder mit einem Durchmesser von zehn Metern. Dieser ist mit Wasser gefüllt. Daneben ist ein Stahlgerüst mit einer Höhe von 15 Metern und einem Gewicht von rund 100 Tonnen aufgebaut. Die gesamte Konstruktion bildet die Reaktorbecken in Atomkraftwerken nach. Gebaut hat das Unternehmen die Anlage, um ihre Geräte zum Rückbau von Reaktoren zu testen und Personal für das nächste Projekt auszubilden.

„In dem Pool bilden wir genau die Strukturen nach, die in dem Kraftwerk aufgebaut sind, das wir gerade zurückbauen. Dann holen wir das dortige Personal hier her und zeigen ihm, wie sie unsere Geräte korrekt bedienen. Die eigentliche Demontage führen sie dann selbst aus. Unser Personal ist nur als Supervisoren vor Ort“, sagt Siempelkamp NIS-Geschäftsführer Christian Jurianz. Der Krefelder Maschinenbauer gehört zu den weltweit führenden Unternehmen im Rückbau von Atomkraftwerken. Dabei sind es vor allem innovative technische Lösungen, die den Unterschied zur Konkurrenz ausmachen.

Um die stark verstrahlten Teile des Reaktors zu zerlegen, kommt vor allem eine große ferngesteuerte Kreissäge zum Einsatz. Diese wird so am massiven Betongehäuse des Reaktors befestigt, dass sie fast schwingungsfrei arbeitet. Im Übungsbecken übernimmt dies ein 15 Meter hohes Stahlgerüst. Die Leistungsdaten der mannshohen Maschine sind beeindruckend. 30 kW (rund 41 PS) Leistung, ein Drehmoment von 15.000 Newtonmetern und ein Sägeblatt mit einem Durchmesser von knapp einem Meter (96,52 cm) lassen das millimetergenau anzusteuernde Gerät auch Stahl mühelos zerteilen.

 Die Kreissäge mit ihrem knapp einen Meter großen Sägeblatt arbeitet auch unter Wasser äußerst präzise.

Die Kreissäge mit ihrem knapp einen Meter großen Sägeblatt arbeitet auch unter Wasser äußerst präzise.

Foto: Siempelkamp

Die genaue Schnittführung ist dabei wichtig. „Es handelt sich um stark strahlendes Material, das in speziellen Behältern für lange Zeit gelagert werden muss. Jeder dieser Behälter kostet eine sechsstellige Summe. Da ist es wichtig, den Raum so gut wie möglich zu füllen“, erläutert Jurianz. Die Behältnisse, die in ihrer Bauart hohen Anforderungen an Lebensdauer und Robustheit für Transport und Lagerung genügen müssen, sind massiv mit speziellen Abschirmungen gefertigt. Das macht sie zu einem wesentlichen Kostenfaktor im Rückbau. Auch die Späne von Sägeblatt und Schnittgut sind stark belastet und müssen mit entsorgt werden. Sie werden aufgefangen und füllen alle Zwischenräume in den Behältern. Dazu kommen auch die Sägeblätter selbst. „Diese werden radioaktiv aktiviert. Das heißt sie strahlen selbst“, erklärt Jurianz. Dadurch entsteht auch beim Rückbau selbst weiterer hochkontaminierter Abfall.

Die größte Herausforderung aber ist das Zerlegen des Reaktor-Druckbehälters. Die massiven Stahlteile mit Wandstärken im Bereich von 25 Zentimetern werden herkömmlich mit Seilsägen zerlegt. Das dauert bis zu neun Monate. Siempelkamp hat hier eine neue Technik entwickelt. „Wir haben Brennschneider entwickelt, die durch ihr Strömungsverhalten an der Düse und andere Änderungen auch diese Stahldicken zerschneiden können. Damit können wir viel schneller und sauberer arbeiten, als bisher“, sagt Jurianz. Für einen Druckbehälter brauchen die Siempelkamp-Techniker fünf bis neun Tage, statt eines dreiviertel Jahres. „In einem Business, in dem Zeit Geld ist und vor allem jeder Kubikmillimeter Abfall teuer ist, ist das bares Geld wert“, sagt Jurianz. Wie die Technik funktioniert ist ein gut gehütetes Betriebsgeheimnis. Nur so viel verrät der Geschäftsführer: „Wir nutzen normales Brenngas. Es ist das Design der Düse und die Schnittführung, warum wir diese Wandstärken bearbeiten können.“

 Ein riesiges Stahlgerüst fängt die Kräfte auf, die sonst in den massiven Beton des Reaktors abgeleitet werden.

Ein riesiges Stahlgerüst fängt die Kräfte auf, die sonst in den massiven Beton des Reaktors abgeleitet werden.

Foto: Siempelkamp

Die Anlagen werden dabei für jeden Einsatz speziell konzipiert und weiterentwickelt. Drei Kernreaktoren hat Siempelkamp bereits zerlegt. Weitere Aufträge warten. Von deren Erteilung bis zum Abschluss der Arbeiten vergehen trotz der Neuerungen bis zu fünf Jahre. „Das hängt mit Planung, der technischen Entwicklung, vor allem aber Genehmigungsverfahren zusammen“, sagt Jurianz.

Siempelkamp ist Technologieführer. Und wenn die Experten mit ihrer riesigen Säge anrücken, dann wird ein weiteres Stück stark verstrahlter Altlasten beseitigt und sicher verwahrt. Dutzende Atomkraftwerke werden in den nächsten Jahrzehnten rückgebaut werden müssen. Siempelkamp stehen damit glänzende Geschäftsperspektiven ins Haus.

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