Umstrittenes Ranking zu Weihnachtsmärkten „Das ist eine der größten Unsinns-Studien“

Krefeld · Ein Ranking zur Beliebtheit deutscher Weihnachtsmärkte sieht den „Crefelder Weihnachtsmarkt“ auf Platz 75 von 76 untersuchten Städten. Die fachliche Kritik an der Studie ist massiv.

Weihnachtsmärkte 2023 NRW: Diese Märkte finden statt - Tipps
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Die schönsten Weihnachtsmärkte in NRW

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Foto: Panoramapilot

In einem Ranking des Verbraucherforums „Testberichte.de“ über die Beliebtheit von Weihnachtsmärkten ist der „Crefelder Weihnachtsmarkt“ auf dem vorletzten Platz von 76 Städten in Deutschland gelandet. Schlusslicht ist Gelsenkirchen.  Die Verfasser  haben für ihre Rangliste rund 67.000 Meinungsäußerungen bei Google oder Facebook zu mehr als 80 Weihnachtsmärkten in Deutschlands Großstädten ausgewertet und auf dieser Basis das nach eigener Einschätzung „ultimative Weihnachtsmarkt-Ranking“ geschaffen. Wer sich die Ergebnisse näher anschaut, kommt zu einem anderen Ergebnis. Dieses Ranking ist der ultimative Quatsch und hat beste Chancen,  im Ranking der blödsinnigsten Rankings einen vorderen Platz einzunehmen. Nun könnte man sagen: Warum kloppt ihr Journalisten so eine Meldung nicht einfach in die Tonne? Nun, weil solche Rankings Wirkung entfalten und in der Wirklichkeit echten Schaden anrichten können. Deswegen muss man sie analysieren und kritisieren.

Das Ranking beruht auf Meinungsäußerungen, die vom 13. bis zum 20. November bei Google oder Facebook aufgetaucht sind – zu einem Zeitpunkt, als die meisten Weihnachtsmärkte noch gar nicht eröffnet waren. Die Anzahl der Äußerungen spielte keine Rolle – einbezogen wurde lediglich die Untergrenze 30.  So ist der Weihnachtsmarkt von Gelsenkirchen auf der Grundlage von nur 30 Bewertungen auf dem letzten Platz gelandet. Fatal daran: Die Gelsenkirchener haben auf ihrem diesjährigen Weihnachtsmarkt erstmals ein Weihnachtsdorf zum geselligen Verweilen eingerichtet; insofern spiegeln die Meinungsäußerungen lediglich die Vergangenheit. Auch fehlt jeder Zusammenhang: Wer weiß, was die 67.000 Meinungsäußerer sagen würden, wenn man ihnen vorher sagte, dass ihre Meinung in einen bundesweiten Vergleich einfließt? Frage und Kontext prägen Antworten eben mit. So ist es nicht nur Lokalpatriotismus, sondern auch fachlich begründet, wenn Gelsenkirchens Stadtsprecher Schwardtmann zu diesem Ranking sagt: „Das ist eine der größten Unsinns-Studien der letzten Jahre.“

Ähnlich ist der Befund für Krefeld. Der „Crefelder Weihnachtsmarkt“ ist auf der Grundlage von 122 Bewertungen mit 3,08 Sternen auf Platz 75 gelandet.  Hauptkritikpunkt: „Viel mehr als Essen und Trinken wird laut Bewertungen nicht geboten.“ Was völlig durchs Raster fällt, ist, dass der „Crefelder Weihnachtsmarkt“ links der Dionysiuskirche nur ein Teil des Angebots ist; der völlig anders konzipierte Weihnachtsmarkt  „Made in Krefeld Special“ kommt nicht vor. Krefelds Marketing-Leiter Ulrich Cloos reagiert dann auch betont gelassen auf diesen Test. „Dieses Ranking bezieht sich allein auf den Crefelder Weihnachtsmarkt, der dem Konzept klassischer Weihnachtsmärkte folgt. Wir setzen auf ein ganz neues Konzept, das auf rundum positive Resonanz stößt“, und zwar sowohl von der Gestaltung wie vom Angebot her. „Das Verhältnis von Ess- zu Warenbuden ist bei unserem Special-Markt eins zu fünf“, sagt Cloos. Auch neu: Die hellen, modern anmutenden,  in Krefeld gebauten Buden werden im Schnitt von 2,4 Beschickern genutzt, um Krefelds Vielfalt abbilden zu können. Und es geht um Nachhaltigkeit: „Auf unserem Markt stehen 26 lebende Bäume, die nach Marktende wieder eingepflanzt und im nächsten Jahr wieder ausgepflanzt werden“, sagt er. „Wir haben das Gefühl, mit diesen Ansätzen Maßstäbe zu setzen“, resümiert Cloos. Das Interesse von Kollegen gibt ihm Recht:  Demnächst besucht die Stadtmarketing-Chefin von Münster den „Krefeld special“-Markt, um Ideen für Münster zu sammeln.

Und was ist mit den Spitzenreitern?  Bremen, Dresden, Berlin – natürlich stehen diese außergewöhnlichen Städte für außergewöhnliche Märkte. Dass allerdings ein Markt wie der von Leipzig relativ abgeschlagen auf Platz 26 liegt, ist schlechterdings nicht nachvollziehbar; die Stadt wartet mit einer wunderbaren historischen Kulisse und einem aufwendig gestalteten Markt auf, dazu mit einem riesigen Kauf-Angebot in allen Schattierungen und Preisklassen sowie einer reichhaltigen Palette kulinarischer Angebote. Platz 26? Ein Witz.

Auch die Anzahl der Meinungsäußerungen als Grundlage für die Rangfolge ist aberwitzig unterschiedlich. Mainz landet mit 69 Äußerungen auf Platz acht, Lübeck mit 66 Äußerungen auf Platz 66, das bekanntlich mit einer wunderschönen Altstadt gesegnete Münster wiederum mit 2627 Äußerungen einen Platz vor Leipzig auf Rang 25. Nichts von all dem ist vergleichbar, die Auswertung beruht auf Willkür und Zufällen.

Das Bittere für Leute wie Cloos oder seinen Kollegen Schwardtmann aus Gelsenkirchen ist, dass Bewegung und Bemühung bei der Gestaltung und die  tatsächliche Wertschätzung der Märkte mit solchen pseudo-objektiven Rangfolgen denunziert und kompromittiert werden. Fazit: Der Winston Churchill zugesagte Spruch „ich glaube nur an Statistiken, die ich selber gefälscht habe“ gilt unumwunden auch für Rankings. Darauf einen Glühwein.

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