Hochschule Niederrhein Krefelder entwickelt Prototyp für Mikroplastik-Analyse

Krefeld · Im Rahmen seiner Doktorarbeit entwickelte Gerrit Renner ein Prototyp-Verfahren zum Filtern und Analysieren von Mikroplastik aus Wasser und Sediment. Die Methode ist ein Vielfaches schneller als herkömmliche Systeme.

 Mikroplastik-Forschung: Die von Doktorand Gerrit Renner (l.) und Jürgen Schram, Professor für Instrumentelle und Chemische Analytik, entwickelte Methode arbeitet 60 Mal schneller als herkömmliche Systeme.

Mikroplastik-Forschung: Die von Doktorand Gerrit Renner (l.) und Jürgen Schram, Professor für Instrumentelle und Chemische Analytik, entwickelte Methode arbeitet 60 Mal schneller als herkömmliche Systeme.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Schneller und präziser – das in der Hochschule Niederrhein neu entwickelte Verfahren, um Mikroplastik aus Proben zu filtrieren und analysieren, ist ein bedeutender Schritt in der Mikroplastik-Forschung. Die von Doktorand Gerrit Renner und Jürgen Schram, Professor für Instrumentelle und Chemische Analytik, entwickelte Methode arbeitet 60 Mal schneller als herkömmliche Systeme und erreicht dabei signifikant geringere Fehlerquoten in der Analyse. Mikroplastikteilchen können so vollständig aus Proben filtriert und zu 95 Prozent korrekt bestimmt werden.

Aktuell werde durch extrapolierte Zahlen auf einen falschen Ist-Zustand des Mikroplastiks im Wasser geschlossen, berichtet Renner. Die Analytik von Plastik finde seit circa 15 Jahren statt, doch erst in den letzten Jahren werden standardisierte Systeme genutzt, um Fehlerquellen zu minimieren. Mit 50 bis 70 Prozent Trefferquote seien die genutzten Algorithmen allerdings nach wie vor zu unpräzise. Zusätzlich lange Arbeitszeiten der Analysen resultieren in kleinen Datensätzen, die in Kombination mit der hohen Fehlerquote falsche Rückschlüsse ziehen lassen, erklärt der 31-jährige Wissenschaftler weiter. Im Rahmen der Doktorarbeit hat Renner mit seinem Doktorvater Schram ein neues System entwickelt, das Fehlerquellen minimiert.

Das Verfahren läuft in drei Schritten ab: Zunächst wird aus einer Wasser-Sediment-Probe das Mikroplastik herausgefiltert. Dazu dient ein zirkulierendes Prototyp-System, das Renner und Schram eigens gebaut haben. Unter konstanter Bewegung der Probe werden die Plastikteilchen aus der Mischung gefiltert und nach Größe auf unterschiedlichen Filtern, Centstück-große Metallgitter, sortiert. Die untersuchten Mikroplastikteilchen haben eine Größe von 500 bis 20 Mikrometer (0,02 Millimeter, das entspricht der Größe einer menschlichen Zelle). Im zweiten Schritt werden die Plastikteilchen auf den Filtern in einem Infrarot-Mikroskop untersucht. Bei der Infrarotspektroskopie wird die Probe mit Infrarotstrahlung bestrahlt. Die Probe absorbiert Teile des Lichts und lässt andere passieren. Diese Messwerte für verschiedene Wellenlängen werden in einem Spektrum aufgetragen, das dem Fingerabdruck einer Probe gleicht. Jeder Stoff besitzt ein eigenes Infrarot-Spektrum. Im finalen Schritt des Verfahrens, wird das für jedes Teilchen gemessene Spektrum mit den bekannten Spektren einer Datenbank verglichen, um den Stoff sicher zu identifizieren. In herkömmlichen Systemen wird dazu jeweils das gesamte Spektrum abgeglichen. Mit Renners neuer Methode hingegen, vergleicht der von der Arbeitsgruppe entwickelte Algorithmus, unterstützt durch künstliche Intelligenz, nur Teilbereiche der Spektren und liefert so schneller und qualitativ hochwertiger Ergebnisse. So sei es sogar möglich zum Teil zersetztes oder von Biofilmen überzogenes Mikroplastik zu identifizieren, erklärt Renner. Eine von der Arbeitsgruppe eigens für das neue System erstelle Datenbank umfasst aktuell 25 Referenzspektren, die die meisten Kunststoffe abdecken. Die vier häufigsten Kunststoffe seien Polyethylen, Polypropylen, Polystyrol und Polyamide. Eine Erweiterung der Datenbank sei zudem in Planung und werde keinen großen Zeitverlust in der Analyse verursachen, erklärt Renner. Aktuell dauern die Messung und Auswertung eines Filters in Renners System fünf Stunden.

Das System ist ein Prototyp, der genutzt werden soll, um die Analytik von Mikroplastik in Realproben zu verbessern und zukünftig schneller bessere Messwerte zu ermöglichen. Die von Schram geleitete Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Entwicklung von Analyseverfahren. Die Forscher nutzen selbst erstelle Kontrollproben, so genannte Positiv-Kontrollen, um das entwickelte System zu testen. Eine Probe besteht aus zwei Litern Wasser, 200 Gramm Sand und 20 Mikrogramm Plastikteilchen. Zeigt das System wenig Fehler bei den Kontrollproben, werden exemplarisch Realproben, wie Sediment aus dem Rhein, genutzt. Realproben zeigen Fehler auf, die in den Positiv-Kontrollen nicht auftreten und fördern so die Entwicklung des Prototyps, bis dieser ausgereift ist. Renners Prototyp zeigt mittlerweile eine geringe Fehleranfälligkeit. Bald soll das Filter-System publiziert werden. Bisher hat die Arbeitsgruppe fünf wissenschaftliche Publikationen zum Analyseverfahren von Mikroplastik veröffentlicht. Die erste Version des Auswertungsalgorithmus wurde 2017 publiziert – die aktuelle Version steht momentan in der Revision. Ein kommerzieller Gedanke steckt nicht hinter der Forschung.

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Foto: CC BY Marketing Gesellschaft Mönchengladbach 2.0

Plastik und Mikroplastik sind seit einigen Jahren in scharfer Kritik. Schram beschreibt diesen Trend als bedenklich. „Plastik ist ein faszinierendes Material, das Dinge schaffen kann, die sonst kein Stoff schafft.“ Als Beispiel nennt er Bauteile im Auto oder Handy, die für mehre Jahrzehnte genutzt werden und dabei robust aber leicht sind. Auch der 3D-Druck mit Kunststoff habe viele Vorteile, zum Beispiel in der Prototyp-Entwicklung. Das von Schram und Renner entworfene Filtersystem wurde zum Beispiel per 3D-Druck gebaut. „Die Gesellschaft muss sich im Klaren darüber sein, wie wertvoll der Rohstoff tatsächlich ist“, sagt Schram. Knackpunkt sei der Entsorgungsmechanismus. Statt Schreddern und Verbrennen, sei durch Aufspalten der Polymere in Monomere, die Herstellung neuer, hochwertiger Plastikteile möglich. Gleichsam sei die Entwicklung von optimierten Polymeren, zum Beispiel solcher, die biologisch abbaubar sind, ein die Nachhaltigkeit fördernder Bereich, der oft übersehen wird. Plastik sei aus der Gesellschaft schwer wegzudenken, meint Schram. Gleichsam sei die Vermeidung von Wegwerfprodukten wie Strohhalme ein richtiger und bedeutender Schritt in der Plastiknutzung.

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