Premiere im Krefelder Theater Hänsel & Gretel: Warum alle diese Oper lieben

Krefeld · Schon vor der Premiere sind Vorstellungen ausverkauft. Engelbert Humperdincks Märchenoper „Hänsel und Gretel“ zieht Kinder und Erwachsene gleichermaßen an. Hinrich Horstkotte inszeniert die romantische Oper zum vierten Mal. Er glaubt, die Faszination liegt in der Musik – und im Gruselfaktor.

 Hänsel (Susanne Seefing) und Gretel (Sophie Witte) sind im Wald bei der Hexe gelandet. Dort ist es ziemlich unheimlich, vir allem wegen des Backofens.

Hänsel (Susanne Seefing) und Gretel (Sophie Witte) sind im Wald bei der Hexe gelandet. Dort ist es ziemlich unheimlich, vir allem wegen des Backofens.

Foto: Matthias Stutte

Es ist ein eher stiller Moment, wenn sich Hänsel und seine Schwester im Wald verlaufen haben. Gretel singt „Brüderchen, komm tanz mit mir“; und Hänsel setzt ihr einen Blumenkranz aufs Haar. „Dann gibt es im Orchester eine Stelle, die mich sehr berührt“, sagt Hinrich Horstkotte. Er muss nicht lange überlegen, wenn er nach seiner Lieblingspassage gefragt wird. „Hänsel und Gretel“ gehört zu den Top-Favoriten auf seiner Opernliste. Auch die Hexe, der Abendsegen und das Sandmännchen begeistern ihn seit Jahrzehnten. Mit vier Jahren hat der Berliner die Märchenoper zum ersten Mal gesehen, später hat er sie als Puppenspieler aufgeführt, dann als Regisseur vier Mal in Szene gesetzt. Er kennt sie in- und auswendig und sagt aus tiefer Überzeugung: „Diese Oper hat keine Schwachstelle.“ Das sei auch die Meinung von Generalmusikdirektor Mihkel Kütson, der die musikalische Leitung zur Chefsache erklärt hat. Am Sonntag, 11. November, 16 Uhr, ist Premiere im Krefelder Theater.

Auch das Publikum schätzt die Oper. Für die Premiere und die Folgevorstellungen sind die Karten bereits weg. „Größere Mengen gibt es noch für den 23. und 25. Dezember“, erklärt Theatersprecherin Sabine Mund. Regisseur Horstkotte wundert es nicht. „Das ist die Oper, mit der die meisten Kinder das Theater kennenlernen; und für Erwachsene funktioniert sie auch noch.“ Wegen des „Unheimlichkeitsfaktors“ sei das Opus kein reines Kinderstück. Aber ein bisschen Grusel sei eben auch höchst angenehm.

Mitte der 1970er Jahre hat der amerikanische KinderpsychologeBruno Bettelheim mit „Kinder brauchen Märchen“ ein Plädoyer für die Volksmärchen der Brüder Grimm veröffentlicht, auf das sich noch immer Psychologen, Pädagogen und Literaturwissenschaftler stützen. Bettelheim vertritt den Standpunkt, dass die oft grausamen Inhalte der Märchen Kindern zumutbar seien, da am Ende immer das Gute siege. Horstkotte sieht es ebenso: „Es ist wichtig, dass Eltern ihren Kindern Märchen so erzählen, wie sie sind. Dann können Kinder die faszinierende Oberfläche sehen, sich außerdem Gedanken dazu machen und sich auch an ihren eigenen Ängsten abarbeiten. Zu viel Verniedlichung ist nicht gut.“ Die Geschichte von Hänsel und Gretel sei eine wunderbare Coming-of-Age-Geschichte, ein Paradestück übers Erwachsenwerden.

Für Engelbert Humperdinck (1854-1921) war die um 1890 komponierte Märchenoper ein immenser Erfolg, finanzieller Segen, aber auch künstlerischer Fluch. Denn oft wurde er auf das „One-Hit-Wunder“ reduziert. Entstanden ist das Opus aus einem Weihnachtsspiel, für das Humperdincks Schwester das Libretto schrieb und den Bruder um musikalische Stückchen bat. Der hatte offenbar immenses Vergnügen an dem Märchen und – bestärkt durch seinen Komponisten-Zeitgenossen Hugo Wolff – schrieb er eine komplette Oper.  Sie wurde zu Kassengold und auch von allen renommierten Musikerkollegen überaus wertgeschätzt. Richard Strauss dirigierte die Uraufführung.

Humperdinck selber war Wagner-Anhänger und eng mit der Familie Richard Wagners verbunden. Er war Privatlehrer und Vertrauter des Sohnes Siegfried und führte einen regen Schriftwechsel mit Cosima Wagner. „Ein bisschen hört man die Anlehnung, weil er die Leitmotive musikalisch leicht anklingen lässt. Er hatte so den Nimbus des  Wagner fürs Kinderzimmer“, sagt Horstkotte. Er zollt diesem Umstand Tribut mit dem Knusperhäuschen. Horstkotte, der am liebsten auch Bühnenbild und Kostüme für seine Inszenierungen übernimmt, hat das Hexenhäuschen  dem Bayreuther Festspielhaus nachempfunden. „Humperdinck war maßgeblich an der Entstehung der Festspiele beteiligt.“

Das Knusperhaus, sagt Horstkotte, sei das einzige Element, das er in allen vier Inszenierungen eingesetzt hat. „Sonst achte ich darauf, dass ich immer neue Ansätze habe. Und je tiefer ich mich damit beschäftige, desto mehr sehe ich.“

Für die Krefelder Inszenierung setzt er auf die leicht düstere Märchenhaftigkeit. Die Operngeschichte ist weniger grausam als das Märchen: Es gibt keine Stiefmutter, die Hänsel und Gretel loswerden will. Es ist die leibliche Mutter, die sie zum Beerensuchen schickt, und die Kinder verlaufen sich. „Sie gehen in den Wald, also quasi ins Leben hinaus. Und die Eltern sorgen sich um sie und suchen sie“, so Horstkotte. „Auch an der Hexenszene sieht und hört man, dass Humperdinck enormen Spaß daran hatte.“ Die Hexe wird übrigens abwechselnd von Markus Heinrich, der in der Premiere singt, und Debra Hays verkörpert. Als Hänsel und Gretel treten Susanne Seefing und Sophie Witte auf. Und der Damenchor wird von 40 Kindern unterstützt.

Kartenreservierung unter Telefon 02151 805125.

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