Literatur in Krefeld Sehnsuchtsbücher für den Gartenstuhl

Krefeld · Der Literarische Sommer startet in Krefeld am 6. August. Die 21. Version des deutsch-niederländischen Literaturfestivals ist im Umfang stark reduziert. Aber sie bietet Neu- und Wiederentdeckungen. Und vor allem: Kulturerlebnisse live.

 Gabriele König, Kulturbeauftragte, links, und Evelyn Buchholtz, Leiterin der Mediothek organisieren den Krefelder Teil des Literarischen Sommers.

Gabriele König, Kulturbeauftragte, links, und Evelyn Buchholtz, Leiterin der Mediothek organisieren den Krefelder Teil des Literarischen Sommers.

Foto: Petra Diederichs

Mit Streaming und Online-Lesung muss man Gabriele König nicht mehr kommen. Die Krefelder Kulturbeauftragte findet: „Lesung sollte Lesung bleiben“ – und dazu gehört die persönliche Begegnung mit dem Autor und die Dynamik, die beim Zuhören im Publikum entsteht. Deshalb haben sie und Mediotheksleiterin Evelyn Buchholtz, die gemeinsam den Krefelder Teil des deutsch-niederländischen Lesefestivals „Literarischer Sommer“ ausrichten, lieber bei der Quantität gespart und auf das Live-Erlebnis gesetzt.

Der Literarische Sommer läuft in 13 Städten dies- und jenseits der deutsch-niederländischen Grenze vom 29. Juli bis 9. September. In Krefeld wird es nur zwei statt der gewohnten vier Termine geben. Am Donnerstag, 6. August, liest Michael Roes im Golf & Country Club An der Elfrather Mühle aus „Melancholie des Reisens“, am folgenden Donnerstag, 13. August, präsentiert die Niederländerin Hagar Peeters „Malva“ in der Fabrik Heeder. Die Leseorte sind so gewählt, dass die Veranstaltung in einem einladenden Außenbereich stattfinden soll, bei Regen aber unter Einhaltung aller Hygienevorschriften für die gleiche Zuschauerzahl nach drinnen verlegt werden kann.

Es sind zwei preisgekürte Autoren: Michael Roes ist viel dekoriert und in diesem Jahr mit dem Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis ausgezeichnet worden, Hagar Peeters hat niederländische und belgische Preise eingeheimst. „Und eigentlich sind es auch drei“, sagt Evelyn Bucholtz: drei Lesungen und drei Preisträger. Ulla Lenze, die am 6. September in Krefeld den Niederrheinischen Literaturpreis überreicht bekommt, wird in der Mediothek am 7. September aus ihrem Roman „Der Empfänger“ lesen. Das passt noch ins Zeitfenster. Und sie liest am 12. August  in der Neusser Stadtbibliothek.

Überhaupt lohnt es sich, beim verringerten Angebot in diesem Jahr ein Blick ins Programm der Nachbarstädte zu werfen. Willi Achten hat mit „Die wir liebten“ einen der berührendsten Romane des Jahres über das Erwachsenwerden zweier Brüder am Niederrhein geschrieben. Er liest am 29. August im niederländischen Vaals. Krefelds niederländische Partnerstadt Venlo ist nach mehrjähriger Pause wieder mit im Boot. Dort ist am 8. September der Krimi-Kult-Autor Jan Costin Wagner zu Gast. Und für Fans der niederländischen „Büro“-Saga von J.J. Vokuil gibt es eine Lesung mit Markus Andrae am 6. August in Neuss (Mönchengladbach nimmt in diesem Sommer nicht teil).

Krefeld bietet an diesem Tag quasi das thematische Gegenprogramm mit Roes und der „Melancholie des Reisens“. Der 60-Jährige, der 1996 einer größeren Leserschar mit „Rub’ al-Khali“ („Leeres Viertel“) bekannt geworden ist, hat Afghanistan, Israel, den Jemen, Mali, Marokko und Tunesien bereist und gibt seine Eindrücke und Erfahrungen in Tagebuchform wieder. Dabei bleibt er immer in der Position des Fremden, des Beobachters, der sich die andere Kultur niemals aneignet – das hat einen sogartigen Charme. Über Aden schreibt er: „die ganze Stadt ein siecher Mythos seiner selbst“, eine „dunkle Schöne auf den dritten Blick“, bei der syphilitisch und sinnlich Adjektive in direkter Nachbarschaft sind. Aber er setzt auch auf Geduld, dann werde der Garten Eden erneut auf dem „Flecken erkalteter Lava“ erblühen.

Hagar Peeters lässt in „Malva“ die von Pablo Neruda verstoßene, behinderte Tochter aus dem Jenseits mit dem kaltherzigen Vater abrechnen – auf poetisch schöne, surrealistische Weise. Ein eigenwilliges Buch, das für Evelyn Bchholtz „sofort die Erinnerung an Filmbilder“ wachgerufen hat: an „Il Postino“, in dem Neruda als sensibler Ratgeber eines verliebten Postboten auftaucht, und an Peter Jacksons Fantasy-Drama „In meinem Himmel“, bei dem ein ermordetes Mädchen aus dem Zwischenreich die Umstände seines Todes aufklären möchte. Isolde Wabra vom Kresch-Theater wird die deutsche Stimme der Autorin an diesem Abend sein.

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