„Schule ohne Rassismus“ in Krefeld Menschenrechte – das große Thema am Moltke

Krefeld · Der Amnesty-Truck stoppte im Rahmen des Briefmarathons in Krefeld. „Ich erlebe oft, dass Mädchen und junge Frauen sich bei Menschenrechtsthe­men viel interessierter zeigen“, so Kontaktlehrer Martin Bir­kenbach.

 Katharina, Jette und Julia, 15 Jahre alte Schülerinnen der 10. Jahrgangsstufe des Moltke, unterschreiben Protestbriefe. 

Katharina, Jette und Julia, 15 Jahre alte Schülerinnen der 10. Jahrgangsstufe des Moltke, unterschreiben Protestbriefe. 

Foto: Sven Schalljo

Das Moltke-Gymnasium zählt zu den immer mehr werdenden Krefelder Schulen, die als „Schule ohne Rassismus“ in be­sonderem Maß für Menschenrechte eintreten. Dabei kooperiert die sie mit der Menschenrechts­organisation „Amnesty International“. Jetzt empfing die Schule nun zum großen, weltweiten Amnesty-Briefmarathon den Amnesty-Truck. Beim Briefmarathon wählen die Menschenrechtler all­jährlich eine gewisse Zahl an „Fällen“ aus, bereiten Musterbriefe vor, die schließlich viele Bürger unterschreiben und an die Machthaber in Ländern wie Iran, Russland oder Kuba schicken, um die Freilassung politischer Gefangener zu fordern.

Am Moltke sind vor allem die Schü­lerinnen und Schüler dabei, diese Briefe zu unterschreiben. Vier von ihnen, die den Philosophiekursus des Amnesty-Kontaktlehrers Martin Bir­kenbach besuchen, erklärten ihre Beweggünde. „Ich habe sie vor­geschlagen, weil sie sehr aktiv sind und sich stark einbringen. Dass es vier Schülerinnen sind, ist dabei nicht unbedingt Zufall. Ich erlebe oft, dass Mädchen und junge Frauen sich bei Menschenrechtsthe­men viel interessierter zeigen. Das war auch im Fall der WM zu sehen. Die Jungs haben auf das Thema Men­schenrechte in Katar eher abweisend reagiert. Sie wollen in überwiegen­der Zahl einfach Fußball schauen und sich das nicht kaputt machen lassen. Die Mädchen haben sich oft sehr intensiv damit befasst“, berichtet der Lehrer.

Die Teilnahme am Briefmarathon er­lebt er als sehr positiv für seine Schützlinge. „Sie erfahren oft, was in der Welt nicht stimmt. Hier können sie, wenn auch im Kleinen, etwas bewegen und erfahren Selbst­wirksamkeit. Viele sind wirklich mit Feuereifer dabei“, ergänzt der Pädagoge.

Die älteste der vier jungen Frauen ist Aliena Krull, die im Frühjahr Abitur machen wird. Für sie ist Amnesty ein wichtiges Thema. „Ich habe auch schon mit den Verantwortlichen gesprochen, mich im Studium weiter zu engagieren. Ich glaube, wir haben gerade im Thema Gleichbe­rechtigung noch viel zu tun – auch in Deutschland. Stichwort sexuelle Belästigung, Gender-pay-gap und so weiter“, sagt die 17-Jährige und fährt fort: „Über den Iran wird hier viel zu wenig informiert. Dazu würde ich gern meinen Teil beitra­gen.“ Der Iran ist das Kernthema der Krefelder Amnesty-Gruppe.

Alienas Mitstreiterinnen sind zwei Stufen unter ihr. Trotzdem sind Ju­lia, Katharina und Jette (Namen geändert) voll im Thema. „Ich finde es schlimm, wenn Frauen bei Protes­ten sterben und ihr Leben riskieren müssen, nur weil das Kopftuch nicht richtig sitzt. Ich möchte gern et­was tun, dass sich das ändert“, sagt Jette. Katharina fügt hinzu: „Gerade die Le­sung der Autorin Barbara Naziri vor einer Woche hat mich echt gepackt. Ich finde es toll, dass wir die mu­tigen Menschen im Iran mit Briefen und anderen Aktionen wenigstens ein bisschen unterstützen können.“

„Ich fand ebenfalls bedrückend, zu hören, wie sehr die Menschen oft leiden. Wenn wir da durch Briefe etwas tun können, dann unterstütze ich das auf jeden Fall. Ob ich mich neben der Schule noch weiter bei Amnesty engagiere, darüber habe ich noch nicht nachgedacht, aber ich will es auf keinen Fall ausschließen“, betont Julia. Ihre beiden ebenfalls 15 Jahre alten Mitschülerinnen ni­cken zustimmend. Alle versichern, durchaus darüber nachzudenken, sich in die Thematik mehr einzuarbeiten.

Wie viel die Briefe im Endeffekt bewirken, das sei von Einzelfall zu Einzelfall verschieden, sagen die Amnesty-Verantwortlichen. Aber es seien schon wiederholt politi­sche Gefangene auf öffentlichen Druck hin freigekommen. Die Amnes­ty-Iran-Expertin Jutta Koebernick sieht die Lage im Land aktuell eher undurchsichtig. „Dass die Sittenpolizei aufgelöst sei, wurde hier zwar berichtet, aber das stimmt so nicht. Sie patrouillie­ren nur nicht mehr, sondern bleiben in Autos. Auch können allerlei an­dere Gruppen Menschen gefangen neh­men. Der Generalstreik trifft die Regierung hart. Aber sie hat noch den Trumpf der Revolutionsgarden, der Elitetruppen. Wenn sie die ein­setzen, dann wird ihr Verhalten al­les entscheiden. Schließen sie sich – wie vereinzelt bereits geschehen, den Demonstranten an, kommt es wohl zum Umsturz. Stehen sie zum Regime, dann wird es eine sehr blutige Nie­derschlagung, fürchte ich“, sagt Jutta Koebernick.

Der internationale Druck, der auch und besonders über den Amnesty-Briefmarathon ausgeübt wird, sei hier eine große Hilfe für die Men­schen vor Ort. Zwar dreht sich der Marathon um Fälle aus aller Welt, aber na­turgemäß stehen die Situation und das Leben im Iran bei der Krefelder Gruppe ein Stück im Fokus.

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