Sammlung moderner Kunst Kunstkirche Pax Christi ist jetzt Denkmal

Krefeld · Kirche und Kunst – geht das zusammen? Ja, in Pax Christi: Bei beidem geht es um die zentralen Fragen des Lebens.

Es ist eines der ersten Kunstwerke, das in die Sammlung von Pax Christi kam: eine Zeichnung ohne Titel von Leiko Ikemura. Das Bild mit dem Kind und dem Ochsen wird als Weihnachtsbild der Gemeinde neben dem Altar aufgehängt – direkt neben den Sumerischen Gesetzestafeln der türkischen Künstlerin Berrin Gökcen.

Es ist eines der ersten Kunstwerke, das in die Sammlung von Pax Christi kam: eine Zeichnung ohne Titel von Leiko Ikemura. Das Bild mit dem Kind und dem Ochsen wird als Weihnachtsbild der Gemeinde neben dem Altar aufgehängt – direkt neben den Sumerischen Gesetzestafeln der türkischen Künstlerin Berrin Gökcen.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Das Kind hockt auf einer Matte. Wie zum Schutz hat es den Arm um den Kopf gelegt. Hinter ihm wacht ein Ochse – es ist ein friedvolles Bild: Zu Weihnachten hängt es in unmittelbarer Nähe des Altars in Pax Christi. Doch ein Weihnachtsbild im eigentlichen Sinne ist es nicht. Die japanische Künstlerin Leiko Ikemura (geboren 1951) hat Ort und Zeit in ihrer Kohlezeichnung offen gelassen. Eine Weihnachtsszene hatte sie nicht im Sinn, als sie das Bild 1989 zeichnete. Und doch passt es wunderbar. Im kirchlichen Zusammenhang erzählt es von Geburt und Geborgenheit, von Schutz und Hilflosigkeit und lässt im religiösen Sinn die Deutung von der Menschwerdung Gottes zu.

1989 kam das Bild, dem die Künstlerin keinen Titel gegeben hat, ins Gemeindezentrum Pax Christi, das damals ganz neu entstanden war. Es war eines der ersten Kunstwerke, das die Gemeinde anschaffte. Zur völlig neuartigen Konzeption, die Kirche und Gemeindeaufgaben unter einem Dach und mit einem gemeinsamen Eingang verbindet, kam eine zweite Besonderheit, die auch heute, 40 Jahre nach den Anfängen, Zeichen setzt: eine Sammlung mit Werken zeitgenössischer Künstler, die es in dieser Form und Qualität an keiner anderen Gemeinde gibt.

Pfarrer Karl Josef Maßen, der Gemeinde und Sammlung mit klugem Kopf, hartnäckigem Verhandlungsgeschick und einem unbeirrbar guten Gespür für die Zeichen der Zeit, geformt hat, fand: Kunst und Kirche gehören zusammen. Beide stellen die entscheidenden Fragen. Dabei muss die Kunst nicht religiös sein. Im Gegenteil. Wenn sich ein Künstler ohne die Berufung auf Religion und Gott mit Leben, Sinn und Tod auseinandersetzt, dann kommt er zu den gleichen Fragen, die sich auch die Gläubigen stellen.

Günther Uecker, Joseph Beuys, Felix Droese Ulrich Rückriem, Ewald Mataré, David Rabinowich und etliche andere namhafte Künstler hat der „Kunstpfarrer“ in Pax Christi verewigt. Maßen ist vor zweieinhalb Jahren gestorben. Die Sammlung wächst weiter, wenn auch langsam. „Wir halten sein Lebenswerk in Ehren, und wollen es in seinem Sinne erweitern“, sagt Pastoralreferent Theo Pannen. Pax Christi als Kunstkirche ist jüngst in die Denkmalliste aufgenommen worden – ein Höhepunkt im Jubiläumsjahr.

Die Avantgarde von vor 40 Jahren hat in ihrer Wirkung auch heute noch Bestand. Ueckers Nagelboot „Chichicastenango“, das anlässlich des Katholikentags 1980 entstanden ist und auf die Grausamkeit von Menschen an Menschen hinweist, nimmt Bezug auf tausende aufständische Landarbeiter und Priester, die bei Massakern in Guatemala ermordet wurden. Heute liest es sich wie ein aktueller Bezug auf die zahllosen übers Meer Geflüchteten. Norbert Prangenbergs Kreuz, das nicht aus festen, geraden Linien, sondern fließenden Wellen geformt wird, lässt sich auf die Taufe und das geweihte Wasser beziehen, aber ebenso gut auch auch auf die zunehmende Unsicherheit vieler Menschen in ihrem Glauben.

„Der Dialog von Kunst und Religion ist heute spezieller geworden“, sagt Pannen. „Die Welt ist vielfältiger durch die globale Migration. Das verändert auch, wie Religion einen prägt.“ Christ sein, aber buddhistische Meditation für sich entdecken, sich auch für nicht-europäische Weltbilder öffnen, das nehme zu. „Die Menschen sind auf der Suche nach dem, was für sie speziell das Richtige ist“, erklärt Pannen. Das Weltverständnis changiere zwischen den Religionen, und die Kirche biete den Raum zur Auseinandersetzung. Droeses „Hungertuch“, Beuys’ Samurai-Schwert und Klaus Rinkes „Tor zur Ewigkeit“, das auf den ersten Blick schwarz und undurchdringlich scheint, beim Näherkommen aber das eigene Abbild spiegelt, sind ewig gültig. Klaus Staecks „Abendmahl“, das unter der Großfotografie eines reich ausgestatteten Galabüfetts, an dem sich Männer in dunklen Anzügen bedienen, für Länder der Dritten Welt Pappteller zeigt, die mit Steinen gefüllt sind, ist immerwährendes Mahnmal zur Verteilung von Reichtum und Armut und zum Umgang mit Ressourcen. Niels Dietrichs Keramik – eine dreieckige, aufgebrochene Form, in der die Umrisse eines Körpers ahnbar sind – erzählt von Freiheit, Ausbruch und Kraft.

Zu den neuen Werken der Sammlung gehört ein Fenster des Licht-Schrift-Künstlers Wolfgang Vetten, der an der Kunstakademie Düsseldorf bei Rolf Sackenheim und Rolf Crummenauer studiert hat. Er hat ein Fenster geweißt und den biblischen Text zur Arche Noah hineingeschrieben. „Das Wasser schwoll an...“ ist zu lesen. Je nach Lichteinfall verändert sich die Wirkung der Schrift im Raum.

Die jüngste Erwerbung steht im Außenbereich. „Tod und Leben“ von Günther Oellers (1925-2011) ist aus dem favorisierten Material des Linzers: ein Bogen aus weißem Marmor. Am Zenit wird die gleichmäßige Rundung gebrochen, gleich eines Grats. Pannen deutet es als Übergang vom irdischen in das ewige Leben. Der Bogen endet in einer Zweiteilung, die an zwei Köpfe erinnert. „Alles ist nur gemeinsam zu schaffen“, sagt Pannen.

 Niels Dietrichs Keramik steht für Auf- und Ausbruch.

Niels Dietrichs Keramik steht für Auf- und Ausbruch.

Foto: Petra Diederichs
 Wolfgang Vettens Lichtbild erzählt von Noahs Arche

Wolfgang Vettens Lichtbild erzählt von Noahs Arche

Foto: Petra Diederichs
 Klaus Simons Bodenskulptur „Überdunkelt“ trägt deutliche Spuren von Verwitterung.

Klaus Simons Bodenskulptur „Überdunkelt“ trägt deutliche Spuren von Verwitterung.

Foto: Petra Diederichs
Günther Oellers „Tod und Leben“ ist der neueste Zugang in der Sammlung

Günther Oellers „Tod und Leben“ ist der neueste Zugang in der Sammlung

Foto: Petra Diederichs
 Klaus Staecks „Abendmahl“ (Ausschnitt): Für die Armen gibt es Steine statt Brot.

Klaus Staecks „Abendmahl“ (Ausschnitt): Für die Armen gibt es Steine statt Brot.

Foto: Petra Diederichs

Ein paar Schritte weiter ist der Übergang an den sieben schwarzen Holzblöcken von Klaus Simon abzulesen. „Überdunkelt“ heißt die Arbeit, weil das Holz von einem Baum stammt, der im Schatten anderer Bäume nicht mehr wachsen konnte und umgefallen war. Gefährdung, Entwurzelung und Tod sind die Assoziationen bei den an Sarkophage erinnernden Blöcken. Die extremen Temperaturen der vergangenen drei Jahre haben dem Holz mehr zugesetzt als die Jahre zuvor. Einige Blöcke sind geborsten, Teile morsch geworden und herausgebrochen. In den „Wunden“ haben sich Moose und Pilze festgesetzt. „Wir haben überlegt, ob wir vielleicht einen oder zwei sehr beschädigte Stämme herausnehmen“, sagt Pannen. Doch Vergänglichkeit und anderes Leben lässt sich an diesen Skulpturen jetzt noch deutlicher ablesen. „Wenn ein Kunstwerk seine Aussage verändert, hat auch das Bedeutung“, findet Pannen.

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