Kirche in Linn soll 2019 entwidmet werden Das Aus für St. Mariä Himmelfahrt

Krefeld · Die Linner Kirche St. Mariä Himmelfahrt ist eng verknüpft mit der Siedlungsgeschichte des Carl-Sonnenschein-Viertels in Linn. Ihre Kirchenfenster sind denkmalgeschützt. Nach 60 Jahren enger Integration in das Wohnviertel soll sie 2019 entwidmet werden. Viele Linner sind damit nicht einverstanden.

 Die Linner Pfarrei kann für den Unterhalt der Kirche St Maria Himmelfahrt nicht mehr sorgen. Sie soll entwidmet und verkauft werden.

Die Linner Pfarrei kann für den Unterhalt der Kirche St Maria Himmelfahrt nicht mehr sorgen. Sie soll entwidmet und verkauft werden.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Wenn im Jahre 2019 am Tage der Kirchweihe die katholische Kirchengemeinde St. Mariä Himmelfahrt in Linn ihr 60-jähriges Bestehen feiert, dann ist der runde Geburtstag auch Anlass zum Abschiednehmen. Das an der Boedikerstraße gelegene schmucke  Gotteshaus der Gemeinde wird zum Kirchweihfest entwidmet und soll verkauft werden, etwa an eine Kirchengemeinde anderen Glaubens, wie der Leiter des Pastoralteams der Katholischen Pfarrei St. Nikolaus – Gemeinschaft der Gemeinden (GdG) Krefeld Ost, Christoph Zettner, erklärte.

Als vor ein paar Monaten die Heizungsanlage der Kirche havarierte und auch die Orgel einen Reparaturaufwand in fünfstelliger Höhe forderte, kamen Kirchenvorstand, GdG-Rat und Gemeinderat Süd übereinstimmend zu der Entscheidung, keine weiteren größeren Investitionen in das Gebäude zu tätigen und für die Kirche St. Mariä Himmelfahrt nach einer sinnvollen Umnutzung zu suchen. „Wir haben uns diese Entscheidung wirklich nicht leicht gemacht. Die Gemeinde hat trotz aller Bedenken und Verärgerung das Ergebnis nachvollzogen, obwohl sie sich damit nicht wohl fühlt“, resümiert der leitende Pfarrer, der seit 2010 die neugebildete Großgemeinde St. Nikolaus leitet, zu der mit St. Peter, St. Johann Babtist, St. Pius X, St. Matthias, St. Andreas, St. Margareta, St. Mariä Himmelfahrt und St. Paul acht katholische Kirchengemeinden zählen.

 Die Fenster der St Maria Himmelfahrt habe  einen besonderen künstlerischen Wert. Sie stammen von Georg Meistermann und Hubert Spierling.

Die Fenster der St Maria Himmelfahrt habe  einen besonderen künstlerischen Wert. Sie stammen von Georg Meistermann und Hubert Spierling.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

„Letztlich bleibt uns einfach nichts anderes übrig, als mit Dankbarkeit auf die vergangenen 60 Jahre zu blicken.“ Vorangegangen war ein Beschluss des Kirchlichen Immobilienmanagements (KIM)  des Bistums Aachen, die baulichen Zuschüsse für pastoral genutzte Räume, gemessen an deren Raummeterzahl, um 30 Prozent zu kürzen, so dass die GdG St. Nikolaus zum Handeln gezwungen war. Für einen Laien erschließt sich die finanziell begründete Haltung des Bistums Aachen nur schwer, denn zwischen 1991 und 2011 stieg das Kirchensteueraufkommen der katholischen Kirche von 3,8 Milliarden Euro auf fünf Milliarden Euro.

 Liebevolle Details machen den Reiz der Kirche aus.

Liebevolle Details machen den Reiz der Kirche aus.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Nicht alle Gemeindemitglieder sind mit dem Entwidmungsbeschluss einverstanden. Ursula Giebels wohnt in dem Viertel, das mit der Entwidmung von St. Mariä Himmelfahrt seinen markanten Mittelpunkt verlieren wird. Die Vorsitzende des Linner Bürgervereins hat mit vielen betroffenen Bürgern gesprochen. Neben der Kritik an dem Verfahren, nach einem Gottesdienst mit einigen verbliebenen Kirchenbesuchern die Auflösung der Gemeinde durchzusprechen, vermuten viele, die Kirche werde Mitglieder verlieren, vor allem ältere Menschen, denen der Weg zu der einzig verbleibenden Kirche St. Margareta in Alt-Linn zu beschwerlich ist. Giebels meint, auch eine neue Heizungsanlage wäre bei geschickter Ausschreibung zu stemmen gewesen.

 Die Kirche St Maria Himmelfahrt hat Denkmalwert.

Die Kirche St Maria Himmelfahrt hat Denkmalwert.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Linn verliert mit der Aufgabe von St. Mariä Himmelfahrt ein Stück seiner geschichtlichen Kulturlandschaft. Bedingt durch die Industrialisierung Linns und den vermehrten Zuzug junger Familien war seit 1951 das Wohngebiet um die Carl-Sonnenschein-Straße entwickelt worden. Auf Betreiben des damaligen Kaplans an St. Margareta Johannes Kaiser wurde am 14. August 1949  im Erdgeschoss des Bunkers am Memeler Platz eine Kapelle eingeweiht und unter dem Namen St. Matthias geführt. Die neu erbaute Pfarrkirche erhielt dann den Namen St. Mariä Himmelfahrt, da der Name der Bunker-Notkirche St. Matthias bereits an die  Hohenbudberger Kirche vergeben war. Am 14. Juli 1957 erfolgte der erste Spatenstich zu einem parabelförmigen Beton-Backstein-Bau, der zwei typische Kirchenbau-Metaphern der Nachkriegszeit vorträgt, das Zelt für den Schutz und das Schiff, das für die sicher durch die Brandung des Meeres führende Kirche steht.

 In den Seitenkapellen der zu entwidmenden Linner Kirche hatte Hubert Spierling die künstlerische Gestaltung übernommen.

In den Seitenkapellen der zu entwidmenden Linner Kirche hatte Hubert Spierling die künstlerische Gestaltung übernommen.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Die von Georg Meistermann – einem Schüler Ewald Matarés – entworfenen ornamentalen Kirchenfenster nehmen die Parabelform wieder auf. Blau-graue Töne der Bleiverglasung gehen in rot-violette Farben über. Der ansonsten schlicht gestaltete Kirchenbau besticht durch das Farbenspiel der Meistermann-Fenster und denen von Hubert Spierling gestalteten sehr farbkräftigen Fenstern der Seitenkapellen.  Die zeitbezogene Architektur, künstlerische Ausstattung und stadtgeschichtliche Bedeutung machen Teile der Kirche zu einem geschützten Baudenkmal, was den Verkauf der Kirche nicht erleichtert.

 Die Gestaltung der unterschiedlichen Motive im Kirchenraum ist vielfältig.

Die Gestaltung der unterschiedlichen Motive im Kirchenraum ist vielfältig.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Auch Pfarrer Zettner sieht, dass mit dem Verlust identitätsbildender Kirchengebäude und großer XXL-Gemeinden die Bindung an die Kirche breiter gefasst  werden muss. Ein bloßer Auftritt bei Facebook ist nicht genug, um den veränderten Formen von Kommunikation im digitalen Zeitalter entgegen zu kommen. „Darüber müssen wir verstärkt in den Gremien reden“, sagte der leitende Pfarrer. Wie der Zulauf zu Evangelikalen, Sekten und Anbietern spiritueller Wellness zeigt, zeigt die Gesellschaft eine ungebrochene Nachfrage nach Spiritualität, Orientierung und Gemeinschaft. „Im Handeln Jesu zeigt sich, dass Spiritualität und karitatives Handeln eins sind“, erklärte Zettner, „Bei freudigen Anlässen wie Taufe oder Hochzeit, aber auch in Krisensituationen sind die Menschen immer wieder überrascht, wie hilfreich für sie der Kontakt mit der Kirche ist.“

 Prächtige Skulpturen zieren das Innere des Gotteshauses.

Prächtige Skulpturen zieren das Innere des Gotteshauses.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Als Mitte des vorletzten Jahrhunderts der Kirchenbesuch zu wünschen übrig ließ, ging die Kirche mit einem massiven Bauprogramm in die Fläche. Die vielen neugotischen Kirchenbauten allerorten zeugen von dieser Strategie. Heute werden andere Schlüsse gezogen.Von über 700 Gotteshäusern, deren Verwendung sich in den nächsten zehn Jahren ändern wird, geht die deutsche Bischofskonferenz allein für den katholischen Bereich aus. Die Linner Kirche St. Mariä Himmelfahrt ist eine davon. Noch ist nicht klar, mit welcher Strategie die katholische Kirche dem einhergehenden Verlust an öffentlicher Geltung begegnen will.

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