Krefeld „Wir kommen an Youtube nicht vorbei“

Krefeld · Wir sprachen mit dem Närrischen Ehrenbürger über die Zukunft des Karnevals und das Seidenweberhaus.

 „Die Verbundenheit zum Karneval ist mir quasi in die Wiege gelegt worden“, sagte der Närrische Ehrenbürger Klaus Esters im RP-Gespräch.

„Die Verbundenheit zum Karneval ist mir quasi in die Wiege gelegt worden“, sagte der Närrische Ehrenbürger Klaus Esters im RP-Gespräch.

Foto: Fabian Kamp

Klaus Esters (54) ist in diesem Jahr zum Präsidenten der großen Karnevalsgesellschaft Mösche Männekes und von der Stadt Krefeld auf Vorschlag des Comitée Crefelder Carneval zum Närrischen Ehrenbürger ernannt worden. Die Ehrung wird bei der Sessionseröffnung am 9. November im Stadtwaldhaus offiziell ausgesprochen; die Laudatio hält der Närrische Ehrenbürger 2017, Werner Krüger. Wir sprachen mit Klaus Esters über seine Liebe zum Karneval, Herausforderungen und das, was am Karneval heute wie früher wunderbar funktioniert.

Wie sind Sie zum Karneval gekommen?

Esters Die Verbundenheit zum Karneval ist mir quasi in die Wiege gelegt worden. Ich bin Krefelder, meine Eltern sind Krefelder und der Krefelder Karneval steckt mir somit im Blut. Mein Vater war Schatzmeister der Prinzengarde. Er hat auch viele Jahre das Wurfmaterial für den Krefelder Rosenmontagszug organisiert, das vor dem Zug in unseren betrieblichen Garagen gelagert wurde. Die Wachdienst-Wagen mussten in dieser Zeit oft auf dem Parkplatz vor dem Rathaus parken, weil Brocken die Garagen füllten. Selber aktiv beim Karneval habe ich zuerst als junger Fähnrich bei den Aufzügen der Prinzengarde mitgemacht. Da ich noch sehr jung war, durfte ich am Rosenmontag trotz Mannschaftsdienstgrad ausnahmsweise auf dem Offizierswagen der Prinzengarde mitfahren. Das war supertoll. Als Zehnjähriger bin ich dann in die Gastronomie eingestiegen und habe sonntags bei den karnevalistischen Stammtischen bei Wipi (jetzt Drüje Patroun) auf dem Westwall und auch bei Belles auf der Evertsstraße gekellnert. Gehalt gab’s nicht, nur Trinkgeld.

Die Mösche Männekes schaffen es, große Prunksitzungen im Seidenweberhaus zu bespielen, auch in Zeiten, in denen mancher den Karneval in der Krise sieht. Was machen die Mösche Männekes richtig?

Esters Die Mösche Männekes haben früh erkannt, dass man Traditionspflege mit aktuellem Zeitgeist verbinden muss, um auch junge Leute für den Karneval zu gewinnen. Bei den Mösche-Sitzungen hat man einen tollen Mix aus klassischen Büttenrednern, gemixt mit fetziger frischer Musik und moderner Comedy. Die Vereinsaktivitäten beschränken sich auch nicht nur auf die  Karnevalssession. So haben die Mösche auch den Halbfastenball erfunden, der jährlich auf halber Stecke zwischen Aschermittwoch und Ostern stattfindet. Es ist kein reiner Ball, sondern eine Mischung aus Tanz und Unterhaltungsprogramm mit jährlich wechselndem Motto. Anfangs kamen nur die Mitglieder, mittlerweile ist er ein überaus beliebter Termin bei Karnevalisten, um nach der eigentlichen Session noch mal unbeschwert zu feiern. Der nächste Halbfastenball findet unter dem Motto „Feiern wie die Griechen“ am 30.März 2019 im Mercure Hotel in Traar statt. Da freue ich mich schon jetzt drauf.

Wo machen sich Karnevalisten Sorgen um den Karneval?

Esters Ich spreche lieber von Herausforderungen. Wir müssen zum Beispiel das Internet und die sozialen Netzwerke zur Kommunikation nutzen, um auch kommende Generationen zu erreichen. Was mir etwas Sorgen macht, ist der Trend, dass Karnevalszüge von Jugendlichen zum Teil als Anlass für reine Saufgelage gesehen werden. Ich bin froh, dass da in den letzten Jahren geeignete Maßnahmen getroffen wurden, so dass man zum Beispiel auch in Verberg wieder toll Kinderkarneval feiern kann. Ansonsten ist natürlich immer wieder die Finanzierung ein Thema, da es immer schwieriger wird, die notwendigen Sponsorengelder für den Brauchtumserhalt zu bekommen.

Funktioniert der Karneval denn im Kern noch?

Esters Ich glaube ja, aber man darf sich den neuen Medien und den Erwartungen der nachfolgenden Generationen nicht verschließen. Wir haben 1993 als erster Karnevalsverein in Krefeld eine eigene Homepage angelegt und bekommen jedes Jahr mehr Kartenbestellungen über das Internet. Auch auf der Facebook-Seite von der GKG Mösche Männekes haben sich mittlerweile über 500 Mitglieder angemeldet, die sich bei den Mösche regelmäßig über Karnevalsaktivitäten informieren. In den nächsten Jahren werden wir auch an Themen wie Youtube nicht vorbeikommen, um die Jugend für unsere Kernthemen zu erreichen.

Als Zuschauer wünscht man sich mehr politische Mottowagen. Viele der Festwagen sehen doch jedes Jahr gleich aus. Woran liegt’s?

Esters Das ist der wirtschaftlichen Situation in vielen Vereinen geschuldet. Die Wagen sind oft in Vereinseigentum, und ein Wagenaufbau kostet mehrere tausend Euro. Damit Mitgliedsbeiträge und Spenden sinnvoll verteilt werden, setzen die Vereine die Wagen über viele Jahre ein. Man darf auch nicht vergessen, dass die Mitglieder, die auf den Wagen mitziehen, einen eigenen Obolus zum Wurfmaterial leisten müssen. Zusätzliche Umlagen für jährlich wechselnde Wagenaufbauten würden die Vereinskassen und Portemonnaies der Teilnehmer zu stark belasten. Bei den Mösche laufen gerade Überlegungen, im Jahre 2020 zum neunten Mal ein Prinzenpaar in Krefeld zu stellen. Vielleicht gibt es dann von ja wieder einen neuen Mottowagen.

Ist Wurfmaterial nicht so langsam überlebt? Stehen die Leute überhaupt noch auf Süßigkeiten und Nippes?

Esters Das glaube ich schon. Ich nehme seit Jahrzehnten am Karnevalszug teil, und das Bild der Leute am Rosenmontagszug ist vielfach gleich geblieben. Man schaut in begeisterte Kindergesichter, die sich freuen, wenn sie ein paar Bonbons oder andere Süßigkeiten erhaschen. Während früher oft günstige Massenware geworfen wurde, achten die Vereine heutzutage mehr auf Qualität als auf Quantität. Ich denke, dass dies der richtige Weg zur Erhaltung des Rosenmontagszuges ist. Wenn dann noch die Finanzierung durch Förderer und Sponsoren weiter klappt, bin ich zuversichtlich, dass Krefeld in dieser Hinsicht eine attraktive Stadt bleibt.

Was, glauben Sie, war eine Ihrer wichtigsten Maßnahmen als Vorsitzender der Mösche Männekes, um den Verein zukunftsfest zu machen?

Esters Als ich noch Beisitzer war, hatten wir jedes Jahr nach der Session ungefähr 200 Mark auf dem Konto. Daher habe ich nach der Amtsübernahme als Vorsitzender als erstes eine Satzungsänderung in Richtung Gemeinnützigkeit auf den Weg gebracht. Das war eine entscheidende Voraussetzung, um Sponsoren zu gewinnen. Seitdem können wir ruhiger und zielgerichteter Veranstaltungen planen.

Und so wird man dann Präsident?

Esters (lacht) Nein. Ich habe 2002 nach zehn Amtsjahren den Vorsitz abgegeben, damit Jüngere frische Ideen einbringen konnten. Der Verein hat mich dann clevererweise zum Ehrenvorsitzenden ernannt, weil die Mitglieder wohl meinten, weiter von meiner Erfahrung profitieren zu können. Das hat offensichtlich auch funktioniert (lacht). Später war ich von 2012 bis 2016 noch einmal erster Vorsitzender und bin in diesem Jahr zum Präsidenten ernannt worden. Der jetzige Vorsitzende Winfried Schobert sagte auf der Mitgliederversammlung zu der Frage, warum ich Präsident werden sollte, „den Klaus lassen wir nicht von der Leine“.

Gibt es Dinge, bei denen der Gesetzgeber den Vereinen das Leben schwer macht?

Esters Nein. Als Veranstalter von Großveranstaltungen hätte ich aber gerne von Politik und Verwaltung mehr Planungssicherheit in Bezug auf eine Veranstaltungshalle. Ich und viele andere Organisatoren wären sehr glücklich, wenn sich die Entscheidungsträger bald auf eine Lösung für das Seidenweberhaus verständigten. Besonders die Akustik entspricht nicht mehr modernen Anforderungen. Bei vollem Haus wird es von Jahr zu Jahr schwieriger, eine geeignete Beschallung für alle Gäste zu garantieren. Leider habe ich das Gefühl, dass es in Krefeld bei wichtigen Entscheidungen zu lange hakt, weil man sich aus parteipolitischen Gründen nicht einigen kann oder möchte. Das ist schade und macht Krefeld nur sehr langsam fit für die Zukunft. Ich würde mir daher wünschen, dass sich Gremien und Aufsichtsräte zielorientiert zusammensetzen und dieses Thema lösen.

Wollen Sie irgendwann einmal Prinz werden?

Esters Ich fühle mich in der Rolle als Manager und Organisator sehr wohl. Ich möchte Impulse setzen und gerne innovative Dinge auf den Weg bringen. Als Prinz hat man die Zielsetzung, das närrische Publikum in den Session zu unterhalten. Brauchtumspflege braucht aber beides, Organisatoren und Unterhalter. Den Wunsch, auf die Unterhaltungsseite zu wechseln, sehe ich im Moment für mich nicht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort