Aus den Krefelder Schulen Schüler kämpfen für Menschenrechte

Zum ersten Mal beteiligt sich die Gesamtschule Kaiserplatz am „Briefmarathon“ von Amnesty International. Am heutigen Donnerstag ist der weltweite Tag der Menschenrechte.

 Schüler der Jahrgangsstufe 13 der Gesamtschule Kaiserplatz setzen sich für zu Unrecht inhaftierte Menschen weltweit ein. Das Projekt von Amnesty International heißt „Briefmarathon“.   Fotos (2): bk

Schüler der Jahrgangsstufe 13 der Gesamtschule Kaiserplatz setzen sich für zu Unrecht inhaftierte Menschen weltweit ein. Das Projekt von Amnesty International heißt „Briefmarathon“. Fotos (2): bk

Foto: Bärbel Kleinelsen

Sie heißen Jani, Khaled oder Nassima und leben in Kolumbien, Algerien oder Saudi-Arabien. Sie verbindet, dass sie aktuell zu Unrecht im Gefängnis sitzen – weil sie sich für das Amazonasgebiet einsetzten, als Journalist unbequeme Wahrheiten veröffentlichten oder auch nur, weil sie als Frau Auto fahren und selbstständig sein wollten. Die Gesichter dieser Menschen sind derzeit auf Plakaten zu sehen, die im Foyer der Gesamtschule am Kaiserplatz hängen.

Zehn Gesichter sind es, und auf fast allen Bildern sehen die Menschen, die in ihrem Heimatland unterdrückt und gefoltert werden, glücklich aus. Die Kaiserplatz-Schüler wollen sich dafür stark machen, dass diesen zehn Menschen Gerechtigkeit widerfährt, dass sich ihre Haftbedingungen verbessern, dass sie im besten Fall sogar freigelassen werden und dann wieder so glücklich sein können, wie sie auf diesen Fotos aussehen.

 Ein Wegweiser zeigt, aus wie vielen Ländern die Schüler kommen.

Ein Wegweiser zeigt, aus wie vielen Ländern die Schüler kommen.

Foto: Bärbel Kleinelsen

„Wir haben im Unterricht über das Geschehen in Moria gesprochen. Dabei habe ich gemerkt, dass wir bei uns gar nicht mitkriegen, welche schrecklichen Dinge es woanders auf der Welt gibt. Mir sind die Bilder von Moria nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Deswegen ist es mir wichtig, bei den jüngeren Schülern ein Bewusstsein dafür zu schaffen, sie für solche Dinge zu sensibilisieren“, sagt Jule Dorn (17). Mitschüler Johann Kozok (18) ergänzt: „Wir haben heute mit den Zehntklässlern gesprochen und ihnen kurz die Fälle vorgestellt. Die Resonanz war sehr gut. Bis auf einen haben alle unterschrieben und waren für das Thema sehr offen.“

 Von der achten bis zur 13. Jahrgangsstufe werden derzeit Jugendliche aufgefordert, sich mit dem Thema Menschenrechte auseinanderzusetzen und durch ihre Unterschrift ein Zeichen zu setzen. „Ich erlebe unsere Jugendlichen als sehr engagiert. Von Politikverdrossenheit spüre ich an dieser Schule nichts“, sagt Jan von der Heydt, Didaktischer Leiter der Schule. Die Idee zu dem Projekt hatte Lehrerin Eva Willems und sprach Schüler der Jahrgangsstufe 13 an. Zehn erklärten sich bereit, in die Klassen zu gehen und das Projekt vorzustellen. Unterstützung bekamen sie dabei von Peter-Michael Friedrichs von der Krefelder Amnesty-International-Gruppe. Er hat vor 40 Jahren den Aktionskreis „Menschenrechtsbildung“ mitgegründet und ist seitdem oft in Schulen unterwegs, um mit der jungen Generation ins Gespräch zu kommen. In diesem Jahr jedoch ist es durch die Corona-Auflagen deutlich schwerer als sonst, Unterschriften zu sammeln. Es durften keine Informationsstände aufgebaut werden, auch die Veranstaltung in der Mediothek musste abgesagt werden. „Umso dankbarer sind wir, dass wir hier die Möglichkeit haben, für Unterschriften zu werben. Zwar läuft auch vieles übers Internet, das kann aber den persönlichen Kontakt nicht ersetzen“, betont Friedrichs.

 Schüler der Jahrgangsstufe 13 setzen sich für zu Unrecht Gefangene weltweit ein. Das Projekt von Amnesty International heißt "Briefmarathon".

Schüler der Jahrgangsstufe 13 setzen sich für zu Unrecht Gefangene weltweit ein. Das Projekt von Amnesty International heißt "Briefmarathon".

Foto: Bärbel Kleinelsen

2019 seien in Krefeld über 1000 Briefe gesammelt worden. „Wir zählen die eingegangenen Unterschriften pro Fall und teilen diese Zahl in einem offiziellen Schreiben den Verantwortlichen im jeweiligen Land mit“, erklärt er das Prozedere. Die Namen der Unterzeichnenden würden nicht weitergegeben. „Damit keiner Nachteile befürchten muss, wenn er beispielsweise in dieses Land einreisen möchte.“

Die Reaktionen auf solche Briefe seien unterschiedlich, doch sehr häufig würde durch sie Verbesserungen der Bedingungen erreicht. „Es geht nicht nur um Freilassung, auch eine bessere gesundheitliche Versorgung, ein Hafturlaub oder eine Besuchserlaubnis für die Familie sind Erfolge, die durch unsere Briefe erzielt wurden und den Betroffenen sehr weiterhelfen“, sagt Friedrichs.

Mit unterschiedlichen Kulturen kennen sich die Schüler der Kaiserplatz-Gesamtschule aus. 29 unterschiedliche Sprachen werden von den 1217 Schülern und 119 Lehrern gesprochen. Ein Wegweiser-Schild nennt die Regionen, aus denen Schüler kommen und zeigt an, wie weit deren Heimat von Krefeld entfernt ist. „Wir sind eine Schule ohne Rassismus, das heißt aber nicht, dass bei uns alles gut ist. Wir wollen uns den Konflikten, die wie an fast allen Schulen auch bei uns auftauchen, stellen und bewusst damit umgehen. Dafür ist es wichtig, das soziale Miteinander zu pflegen. Und das direkt zu Beginn, also schon in der fünften Jahrgangsstufe“, erklärt Lehrer von der Heydt.

Die Schüler hoffen, dass ihre Unterschriften die Welt ein Stück weit besser machen. Wie es bei Nasrin Sotoudeh geschehen ist. Um die Bürgerrechtlerin, die im Iran inhaftiert und in Folge eines Hungerstreiks schwer erkrankt ist, kümmerte sich die Krefelder Amnesty-Gruppe und erreichte Hafturlaub und bessere medizinische Versorgung. „So was ist allein durch Briefe möglich. Gemeinsam kann man viel erreichen“, weiß Friedrichs aus eigener Erfahrung. Und: Engagement ist besser als jeder trockene Unterricht. „Es bewegt etwas in euch. Es sind auch eure Menschenrechte.“

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