Theater in Krefeld Kresch-Premiere: Das Leben will dich!

 „Wasted“ zeigt die Sorgen der Generation Y. René Linke hat daraus ein Jugendstück zum Aufwachen gemacht.

  Im Kresch-Theater feierte das Stück „Wasted“ Premiere.  Foto: Weinmann

Im Kresch-Theater feierte das Stück „Wasted“ Premiere. Foto: Weinmann

Foto: Thomas Weinmann

Dumpfe Technobeats dringen durch die geöffneten Türen der Studiobühne I. In der Luft schweben dicke Rauchwolken, sie hüllen Bühne und Zuschauerraum in die perfekte Clubkulisse, laut und stickig. Das Publikum ist neugierig, sortiert sich rasch – denn die Warteliste für die Premiere von „Wasted“ zählt so einige mutige Krefelder, die jetzt belohnt werden. Das Licht erlischt, auf der großflächigen Videoleinwand nimmt die Kamera nun schnell Fahrt auf.

Nils Voges, Mitglied des Krefelder Künstlerkollektivs „sputnic“, startet auf den Dächern der Stadt, führt dann in schnellen Schnitten durch den Hintereingang der Fabrik Heeder, filmt menschenleere Flure, vorbei an Technik und Requisite, vorbei an den drei Hauptdarstellern des Stücks. Ihre Gesichter zoomt die Kamera dicht heran, in ihren Blicken liegen Einsamkeit und Ratlosigkeit. Im rotgefärbten Rampenlicht stehen die drei von der Leinwand nun wahrhaftig: Danny (Lukas Bendig), Ted (Roger Hilgers) und Charlotte (Laura Kotzmann, geb. Thomas). Auf über zwei Meter hohen Drehtürmen feiern sie die letzte Szene ihrer durchtanzten Nacht, gekrönt von buntem Konfettiregen, der bis in die letzte Stuhlreihe rieselt.

Mit dieser starken Anfangssequenz eröffnet Regisseur René Linke sein neues Stück „Wasted“ von der britischen Theaterautorin und Rapperin Kate Tempest. Herausgekommen ist eine bilderreiche und surreale Reise über eine Coming-of-Age Geschichte, die als Rückblick angelegt ist. Die drei Freunde treffen sich am Grab ihres vor zehn Jahren verstorbenen Freundes Tony wieder und fangen an, ihr Leben kritisch zu hinterfragen. Doch bevor Linke seine Darsteller meist in inneren Monologen und konzentrierten Dialogen den Blick zurück werfen lässt, wenden sich die drei Hauptcharaktere in einer Chor-Passage direkt an das Publikum: „Wir wünschten, wir hätten irgendeine unglaubliche Wahrheit, eine tiefere Bedeutung, haben wir aber nicht.“

Als Chor spielen sie auf eine überzogene Erwartungshaltung an, die nicht nur für die Generation Y charakteristisch ist. Starke Szenen gelingen besonders da, wo die Schauspieler ganz nah am Publikum sind. Der Treppenaufgang wird von ihnen als Erweiterung der Bühne genutzt, die wie eine Baustelle eingezäunt ist. Ted (wunderbar stark gespielt von Roger Hilgers), enttäuscht vom Schleier der Routine, gibt seinem Freund Danny den einfachen wie traurigen Rat, nicht groß zu denken und sich im Kleinen einzurichten.

Für Charlotte (facettenreiches Spiel von Laura Kotzmann) ist das Wiedersehen ein scheinbarer Augenöffner, endlich weg aus der Stadt, in der „die Träume immer trüber werden“ und für Danny (authentisch gespielt von Lukas Bendig) scheint sein Konstrukt aus kleineren und größeren Lebenslügen nur kurz ins Wanken zu kommen. Sympathische Anti-Helden, wie sie das Leben schreibt. Nicht unerwähnt dürfen die zahlreichen Song-Einlagen bleiben. Ein Highlight ist Hilgers Interpretation von „Under Pressure“, (Song von Queen und David Bowie), in dem es um permanenten Leistungsdruck geht und darum, wie Liebe einen Ausweg bieten kann. Obwohl die Schauspieler das Publikum „nicht super beeindrucken“ wollten, ist ihnen genau das gelungen: super beeindruckendes Theater, das wachrüttelt und herausfordert mitzuspielen, oder wie Tempest sagt: „Das Leben will dich! Es ruft deinen Namen! Es will dich umarmen!“

Weitere Termine: 21. Januar, 10.30 Uhr; 19. Februar, 19 Uhr: 20. Februar, 10.30 Uhr; 17. März, 19 Uhr 18. März., 10.30 Uhr.

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