Kunst- und Architekturbewgung Krefeld ist der Bauhaus-Hotspot in NRW

Krefeld · Oberbürgermeister Frank Meyer verwies in seiner Eröffnungsrede vor rund 300 Gästen aus Kunst, Kultur, Wirtschaft, Verwaltung und Politik auf die typische Krefelder Eigenart, kein positives Selbstbild pflegen zu wollen.

 Ausblick als auch  Rückschau auf 100 Jahre Bauhaus in Krefeld: Oberbürgermeister Frank Meyer hielt die Eröffnungsrede

Ausblick als auch  Rückschau auf 100 Jahre Bauhaus in Krefeld: Oberbürgermeister Frank Meyer hielt die Eröffnungsrede

Foto: Mark Mocnik

Der an die Sternwand der Shed-Halle des Fachbereichs Design der Hochschule Niederrhein (HSN) gebeamte eingerahmte Blick nach draußen aus dem Fenster einer der Krefelder Bauhaus-Villen sollte im bundesweiten Bauhaus-Jahr 2019 sowohl Ausblick als auch  Rückschau auf 100 Jahre Bauhaus darstellen. Vor rund 300 Gästen aus Kunst, Kultur, Wirtschaft, Verwaltung und Politik verwies Oberbürgermeister Frank Meyer in seiner Eröffnungsrede auf die typische Krefelder Eigenart, kein positives Selbstbild pflegen zu wollen. Dies weise den Krefelder als überzeugten Niederrheiner aus. Nach Hanns Dieter Hüsch wolle der Niederrheiner unauffindbar sein, weil er seine Ruhe haben wolle. Mit diesem Wunsch vergesse der Krefelder aber, welche Schätze Krefeld berge. Neben den von dem Bauhaus-Architekten Ludwig Mies van der Rohe entworfenen Textilfabrikanten – Villen Haus Esters und Haus Lange kann Krefeld auf den einzigen Fabrikbau von Mies van der Rohe verweisen. Das Verseidag-Stadthaus des Architekten Egon Eiermann fußt auf einer ursprünglichen Planung von Mies van der Rohe.

In Krefeld lebten und lehrten rund 30 Vertreter der Bauhaus-Bewegung, darunter Lilly Reich, Mies van der Rohe, Johannes Itten und Georg Muche. Daraus ergibt sich nach Meyer die Frage: Was bedeutet das Bauhaus heute für Krefeld? Wir müssen wieder lernen, groß zu denken, wenn es um den Abriss des Seidenweberhauses geht oder um die Frage, wie machen wir das Stadtbad Neusser Straße wieder für die Öffentlichkeit nutzbar? Zuvor hatte der Hausherr, HSN-Präsident Hans-Henning von Grünberg, über den Begriff des Nutzens einen kühnen Vergleich von der Bauhaus – Idee zu seiner Hochschule gezogen: Der Bauhaus-Gedanke sei gewesen, als Hochschule angewandter Wissenschaften in Freiheit auf die Welt zuzugehen und sich so nützlich zu machen. Auch an der HSN lernen die nunmehr 15.000 Studenten, sich selber Aufgaben zu stellen und zu nutzbaren Ergebnissen zu steuern. Das Bauhaus hat dies vorgegeben. Nach den katastrophalen Erfahrungen des Ersten Weltkrieges hatten die Bauhäusler begonnen, den Alltag und die Gesellschaft radikal neu zu denken.  Sie brachen mit dem überkommenen Wissen und bauten mit dem Bauhaus eine Hochschule auf, an der junge Menschen über das Lernen am Material ihre Kreativität voll zur Geltung bringen sollten. Aus dieser Auseinandersetzung sollten nicht künstlerische Einzelwerke hervorgehen, sondern Alltagsgegenstände, die zusammen mit der Industrie kostengünstig hergestellt werden sollten, um sie jedem Mitglied der Gesellschaft zugänglich zu machen. Seine avantgardistische Einstellung machte das Bauhaus immer wieder zur Zielscheibe von Angriffen. Es musste um seine Existenz kämpfen, hatte dadurch aber auch den Charakter eines Labors, aus dem neben vielen Versponnenheiten trotz zunehmender Industrialisierung eine Menge guter Formen erwuchsen. Ende September 1932 wurde der Druck durch die erstarkenden Nazis so groß, dass Mies van der Rohe das Dessauer Bauhaus schloss. Durch die Emigration vieler Bauhäusler verbreiteten sich deren Grundideen trotz des Zweiten Weltkrieges über die ganze Welt.

Architekt Klaus Reymann erinnerte in einem Film des Stadtmarketings an die trotz der Kriegsverluste hohe bauliche Qualität in Krefeld. Diese gelte es unbedingt zu bewahren. Diese Forderung unterstrich er mit einem eingängigen Beispiel: Der alte Mann, der durch einen Kastanienwald geht, war einst ein junger Mann, der die Kastanien gepflanzt hat. In einem von dem Journalisten Helge Drafz moderierten Podiumsgespräch erinnerte der NRW-Beauftragte für das Bauhaus-Jahr Joachim Henneke unter anderem an insgesamt neun weitere bedeutende europäische Mies-Bauten. Krefeld nannte er den „NRW-Hotspot im Rahmen des Jubiläums“. Jörg Udo Lensing, künstlerischer Leiter des Düsseldorfer Theaters der Klänge, erinnerte an den Maler, Bildhauer und Bühnenbildner Oskar Schlemmer, der von 1920 am Bauhaus lehrte und 1925 Leiter der Bauhausbühne wurde. Schlemmer wies mit dem triadischen Experimentalballett den Weg zum modernen Ballett. In seinen Tanzszenen, die eher von zufällig zur Verfügung stehenden Tänzern und Musikern getragen wurden, tanzte und spielte er unter Pseudonym selbst mit. Das Theater der Klänge wird elf der zwölf Schlemmer-Szenen in eigener Interpretation in Krefeld vorführen, wobei Lensing den Esprit des Aufführungsjahres 1922 wiederbeleben möchte.

Julian Heynen, der ehemalige Leiter des Kaiser-Wilhelm-Museums (KWM), nannte den von dem Künstler Thomas Schütte erstellten Holzpavillon im Kaiserpark ein wenig spöttisch „Chinoiserie“. Dagegen wehrte sich Christiane Lange, Vorsitzende des Vereins „Projekt MIK“. Man habe einen weiteren Ausstellungsraum benötigt, und jeder, der das „Haus des Sammlers“ betrete, stelle überrascht die Frage: „Aber das ist doch kein Bauhaus-Stil.“ Damit habe man aber das Problem gelöst, das Interesse der Besucher für die Ausstellung zu binden.

Lange schilderte, dass beinahe Krefeld Sitz des Bauhauses geworden wäre, als es aus Weimar vertrieben wurde. Die Krefelder Textilindustrie habe damals nach einem anderen Image gesucht, um der französischen Konkurrenz zu begegnen. Dies habe man in der Bauhaus-Avantgarde gefunden. Deren Ideen hätten die Ausbildung junger Textil-Designer befruchten können. Der junge Bauhaus-Enthusiast Wilhelm Graf von Kielmannsegg habe eine Verbindung zur Bauhausleitung geschlagen und die Krefelder aufgefordert, Geld zu sammeln. Dies geschah auch so, aber Dessau war schneller und setzte sich gegen die Konkurrenz durch, zu der auch die Städte Frankfurt am Main, Magdeburg und Darmstadt gehörten. Der Dessauer Bürgermeister Fritz Hesse habe den gerade in Dessau gegründeten Flugzeugwerken des Ingenieurs Hugo Junkers städtischerseits etwas bieten wollen. Ein Jahr nach Vertragsabschluss wurde 1926 das von Walter Gropius entworfene neue Bauhaus-Hochschulgebäude bezogen.

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