Interview Philip Erbers „Wir können Olympia“

Philip Erbers ist Co-Geschäftsführer der Rhein Ruhr Olympic City 2032-Initiative, die die Olympischen Spiele in unsere Region holen möchte. Der 36 Jahre alte Mönchengladbacher sieht Krefeld als Standort für die großen Boxkämpfe und als Trainingsstätte für die Ruderer vor.

Fotos: Philip Erbers spricht im Interview über Olympia
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Philip Erbers spricht im Interview über Krefeld als Olympia-Standort für Boxkämpfe

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Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Herr Erbers, Olympische Spiele an Rhein und Ruhr, mitten in NRW - wie kam es zu dieser Idee?

Erbers Die Idee ist im Rahmen eines Zeitungsinterviews entstanden, in dem Michael Mronz (Geschäftsführer des CHIO Aachen und Witwer des früheren Außenminister Guido Westerwelle, die Red.) über Großereignisse in NRW angesprochen wurde. Das war rund um die Olympischen Spiele in Rio 2016. Vom breiten Kulturangebot an Rhein und Ruhr her kommend, hat er abgeleitet, dass es zahlreiche bereits vorhandene Sportstätten in ganz NRW gibt. Gemeinsam, im Verbund mehrerer Städte, wäre es also möglich ein Sportgroßereignis wie Olympische und Paralympische Spiele in der Metropolregion auszurichten. Die Idee wurde anschließend von der Landespolitik, damals noch unter Hannelore Kraft, positiv aufgegriffen. Im Koalitionsvertrag der aktuellen Landesregierung ist die Olympia-Initiative verschriftlicht.. In der Folgezeit haben wir die Initiative ins Leben gerufen und ein Planungspapier erstellt, 2018 wurde die Rhein Ruhr City GmbH gegründet.

Aber warum Olympische Spiele mitten in NRW?

 „Grundsätzlich kann man sagen, dass die Sportbegeisterung in NRW hoch ist, und unsere Umfragen haben ergeben, dass zwei Drittel der Menschen hier positiv gegenüber Olympia gestimmt sind...

„Grundsätzlich kann man sagen, dass die Sportbegeisterung in NRW hoch ist, und unsere Umfragen haben ergeben, dass zwei Drittel der Menschen hier positiv gegenüber Olympia gestimmt sind...

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Erbers Weil bereits mehr als 80 Prozent der benötigten Sportstätten für die Ausrichtung Olympischer Spiele an Rhein und Ruhr vorhanden sind. Wir sind damit schon heute nachhaltig und werden es auch nach den Spielen sein, denn die heute genutzten Sportstätten werden von den Betreibern fit für die Zukunft gehalten, auch unabhängig von Olympischen Spielen Wir haben geprüft, welche Sportstätten in der Region vorhanden sind und welche sich schon bei sportlichen Großereignissen bewährt haben. Der Hockeypark in Mönchengladbach etwa, in dem schon eine Weltmeisterschaft ausgetragen wurde, ist solch ein Beispiel oder der CHIO in Aachen oder die Lanxess Arena in Köln. Wir haben mit den -größtenteils privatwirtschaftlich geführten- Betreibern jeder der infrage kommenden Sportstätten Kontakt aufgenommen, sie uns vor Ort angeschaut und einen Steckbrief erstellt. Die Initiative hat immer mehr an Fahrt aufgenommen und ist zu einer Vision für Visionen für übergeordnete Themen geworden.

 14 Städte sieht die Initiative vor, in denen olympische Wettbewerbe ausgetragen werden könnten.

14 Städte sieht die Initiative vor, in denen olympische Wettbewerbe ausgetragen werden könnten.

Foto: Rhein Ruhr City 2032

Apropos Fahrt: Rudern steht für Krefeld nicht zur Debatte. Dabei gilt der Elfrather See doch als Windgeschützt und ausreichend groß, mit Lisa Schmidla haben wir eine Goldruderin aus Krefeld dabei, und der Crefelder Ruderclub hat sich eine Startanlage angeschafft, die Olympia-tauglich ist.

 ...Und wir haben es geschafft, 14 Oberbürgermeister von unserer Idee zu überzeugen. Das sind 14 Städte und Regionen, die sich gemeinsam an einen Tisch setzen und sich als Region verstehen und nicht nur ihr eigenes Süppchen kochen....

...Und wir haben es geschafft, 14 Oberbürgermeister von unserer Idee zu überzeugen. Das sind 14 Städte und Regionen, die sich gemeinsam an einen Tisch setzen und sich als Region verstehen und nicht nur ihr eigenes Süppchen kochen....

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Erbers Im Rudern haben wir uns aus der Sachlogik heraus für Duisburg entschieden, weil es dort eine separate Rücklaufbahn gibt. Aber den Elfrather See haben wir als mögliche Trainingsstätte im Blick.

 ... Der Gedanke einer solchen Region, das ist etwas, was aus unserer Initiative entsteht und dauerhaft werden kann“, sagt Philipp Erbers, Geschjäftsführer der Olympia-Initiative Rhein Ruhr.

... Der Gedanke einer solchen Region, das ist etwas, was aus unserer Initiative entsteht und dauerhaft werden kann“, sagt Philipp Erbers, Geschjäftsführer der Olympia-Initiative Rhein Ruhr.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Und warum gerade Boxen in Krefeld?

Erbers Die Yayla-Arena ist eine extrem gut aufgestellte Sportstätte mit einer passenden Kapazität. Wir sagen zu ihr immer „die kleine Lanxess-Arena“. Das ist nicht despektierlich gemeint, sondern es soll ausdrücken, dass die Halle zwar kleiner, aber von der Infrastruktur gleich gut ist. Daher stand von Beginn an fest: Wenn Boxen, dann sollte die Arena in Krefeld dabei sein. Krefeld hat zudem eine lange Tradition im Boxen, mit dem Boxclub 1920. Und, was natürlich auch eine Rolle spielt: Bei den Profi-Kämpfen von Felix Sturm und Ina Menzer war die Halle voll und die Stimmung hervorragend. Das zeigt auch, dass das Interesse hier in der Region groß ist. Die Entscheidung für die Sportart Boxen wurde deshalb auch ganz bewusst getroffen und nicht nach dem Motto „Hier ist eine gute Halle, da muss jetzt die und die Sportart stattfinden“.

Aber das war ja jetzt lediglich ein Kampfabend. Bei Olympischen Spielen gibt es viele Gewichtsklassen und Vorrundenkämpfe mit locker 400 Boxern. Ist die Halle nicht viel zu klein dazu?

Erbers Unser Ansatz ist es, die vorhandenen Sportstätten optimal und sinnvoll zu nutzen. Das ist der Vorteil von Spielen in einer Region. Wir haben in Düsseldorf, Dortmund, Essen und Köln mehr als 700.000 Quadratmeter Messeflächen. Wir können dort also problemlos fünf, sechs Boxringe aufbauen für die Vorrundenkämpfe, wo auch die Zuschauerresonanz geringer ist. Und die großen Kämpfe würden dann in Krefeld ausgetragen. Im Hockey ist das ähnlich.

Dann spielen Sie nicht nur im Hockey-Park in Mönchengladbach? Aber sonst gibt es doch kein richtiges Hockey-Stadion.

Erbers Wir würden mit dem Hockey-Wettbewerb im Hockey-Park und im Borussia-Park von Mönchengladbach spielen.

Im Fußballstadion?

Erbers Das Stadion wird als Spielfeld 1 genutzt, mit einer Kapazität von mehr als 40.000 Zuschauern. Darin finden die Spiele statt, die richtig viele Zuschauer anziehen, etwa die Spiele der Niederlande oder von Deutschland. Vorrundenspiele oder Spiele mit geringerem Zuschauerinteresse können im Hockey-Park ausgetragen werden, trotzdem vor einer vollen Kulisse mit großartiger Atmosphäre. Das Stadion hat den Vorteil, dass wir eine Anlage haben mit einer Zuschauerkapazität, die im Hockey nahezu einzigartig ist. Dadurch können wir auch entsprechend viele Tickets anbieten.

Und was sagt Borussia Mönchengladbach dazu?

Erbers Wir stehen mit allen Sportstättenbetreibern im Dialog, und auch die Borussia hat sich offen gegenüber unserer Idee gezeigt.

Sind noch mehr solche Modelle angedacht?

Erbers Ja, zum Beispiel im Basketball. Für Spiele mit geringerem Zuschauerinteresse würden wir in den Telekom-Dome Bonn gehen, die 6000 Zuschauer fasst. Die Finalspiele würden in der Merkur Spielarena Düsseldorf ausgetragen vor mehr als 40.000 Zuschauern. Gleiches im Handball oder im Volleyball. Die verschiedenen Bodenbeläge würden dann immer über Nacht ausgetauscht, die Halle entsprechend umgebaut.Wir können so den Olympischen Spielen ihren Sport zurückgeben.

Bei aller Flexibilität: Es müssten aber auch noch Sportstätten gebaut werden.

Erbers Eine Wildwasserbahn muss noch errichtet werden, auch besteht in NRW noch kein Leichtathletik-Stadion mit entsprechend großem Fassungsvermögen.

Aber ein neues Stadion kostet doch richtig Geld...

Erbers Sollte es seitens eines Fußball-Bundesligisten Überlegungen geben ein neues Stadion zu bauen, könnte eine Leichtathletikbahn integriert werden, wie es beispielsweise im Stade de France in Paris der Fall ist, ohne dass große Mehrkosten entstehen.  Alternativ kann man überlegen, ein modernes Leichtathletikstadion für NRW mit einer Kapazität von 20.000 bis 25.000 Zuschauerplätzen zu bauen. Für Olympische und Paralympische Spiele könnte es aufgestockt werden. Auch das wäre technisch möglich und nachhaltig, da es eine temporäre Lösung wäre, wie es beispielsweise auch bei der Veltins-Arena auf Schalke angedacht ist.

Was ist dort geplant?

Erbers Schwimmen.

Im Fußballstadion?

Erbers. Ja. Die Veltins-Arena hat den Vorteil, dass man das Dach schließen kann und der Rasen ausfahrbar ist. Es entsteht dann ein Höhenunterschied von fünf Metern Tiefe. Dies ist genau die Vorgabe für Schwimmbecken bei Olympischen Spielen. Dort ein entsprechend großes Becken zu bauen, stellt kein Problem dar und wird inzwischen bei EMs und WMs gebaut.Schwimmen vor 50.000 Menschen, das ist einmalig. Würden wir eine neue Schwimmarena bauen müssen, würde sie danach wahrscheinlich nicht nachhaltig genutzt werden, und unser Konzept setzt auf Nachhaltigkeit und eine sinnvolle Kosten-Nutzen-Relation.

Und das Olympische Dorf?

Erbers Es sollte dort entstehen, wo Wohnraumbedarf dringend benötigt wird. Dazu gibt es bereits erste Ideen. Der Bau des Olympischen Dorfes könnte teils privatwirtschaftlich teils öffentlich finanziert werden, um es danach sinnvoll als Wohnraum weiter zu vermarkten.

Anderes Thema. In Hamburg und München sind die Bewerbungen für die Spiele am Widerwillen der Bevölkerung gescheitert. Wie sieht es in NRW aus? Gibt es dazu schon Studien?

Erbers Es gab erste unabhängige Umfragen, die knapp 70 Prozent Zustimmung ergeben haben. Wir haben es geschafft, 14 Kommunen von unserer Idee zu überzeugen. 14 Kommunen, die sich gemeinsam an einen Tisch setzen und sich als Region begreifen, das Kirchturmdenken  abgelegt haben. Der Gedanke einer solchen Metropolregion, das ist etwas, was aus der Idee einer Rhein Ruhr City entsteht und Kräfte bündeln kann. Dieses neue „Wir-Denken“ stellt ein Motor für Themen wie vernetzte Mobilität und Digitalisierung dar.

Wie meinen Sie das?

Erbers Wir haben an Rhein und Ruhr eine starke Wirtschaft, zehn DAX-Unternehmen, elf MDAX-Unternehmen, mehr als 500.000 Studenten, 450.000 mittelständische Unternehmen, Millionen Einwohner. All diese Menschen wollen hier leben und arbeiten. Dabei über den Tellerrand seiner eigenen Stadt zu schauen, ist doch ganz wichtig, beispielsweise bei der Mobilität im Straßenverkehr oder der Digitalisierung. Wenn, um ein Beispiel zu nennen, der Steinkohlenbergbau wegfällt, dann entsteht dort ein Strukturwandel, und das wiederum bedeutet, dass dort Arbeitsplätze im Bereich etwa der Digitalisierung entstehen könnten - die sind auch für die Menschen im Umkreis von Interesse.

Wie wollen Sie die Skeptiker überzeugen?

Erbers Mit unserem Gesamtkonzept. Unser Anspruch ist, dass wir hier nicht nur ein einmaliges Spektakel auf die Beine stellen wollen, sondern auf die Nachhaltigkeit und Olympia als Motor für andere Themen setzen. Darum sehen wir die Finanzierung auch aus drei getrennten Töpfen. Der erste ist der für die Sportstätteninfrastruktur. Mehr als 80 Prozent bereits vorhandene Sportstätten bedeuten weniger Ausgaben für den Bau neuer Sportstätten.

Und die anderen Töpfe?

Erbers Das sind die reinen Durchführungskosten und die Kosten für die Verkehrsinfrastruktur. Aber: Wenn dort investiert werden muss, etwa, in dem man eine Autobahn oder den öffentlichen Nahverkehr ausbaut, dann sind die Olympischen Spiele zwar der Anlass, die Nutzung danach ist aber Olympia-unabhängig und von dauerhaftem Nutzen für die Bürgerinnen und Bürger. Olympia kann hier vielmehr als Motor und Beschleuniger dienen.

Sie meinen also, dass Sie über die Spiele hinaus indirekt Mehrwerte für die Region erzeugen wollen.

Erbers Ganz genau.

Aber mal Hand aufs Herz: Sie organisieren Sportveranstaltungen. Können Sie auch Verkehrskonzepte?

Erbers (lacht) Alles können wir nicht, aber wir suchen uns dazu Partner, die es können. Im Bereich von Verkehrskonzepten etwa haben wir eine Kooperation mit der RWTH Aachen abgeschlossen. Auch mit Partnern aus der Wirtschaft arbeiten wir zusammen, wie Daimler oder Evonik. Wir veranstalten seit 2018 zudem jährlich den Kongress Metropolitan Cities, als Think Tank für Visionäre und Vordenker. Dort sitzen Profis, die Ideen für die Zukunft der vernetzten Mobilität entwickeln. Der nächste Kongress findet übrigens am 16. und 17. Juli in Aachen statt.

Trotzdem ist das ein Riesenbatzen Geld, auch wenn die Installationen dauerhaft genutzt werden. Was kosten Ihre Bemühungen denn eigentlich aktuell schon?

Erbers Den Steuerzahler? Nichts.

Wir sind eine private Initiative aus der Mitte der Gesellschaft heraus, als Angebot an die Politik und Sportpolitik. Sie ist rein privatwirtschaftlich finanziert und nicht mit Steuergeldern. Dazu haben wir tolle Partner gefunden, die die eben beschriebenen Entwicklungen und Potentiale in der Region sehen und uns daher unterstützen.

Wie geht es denn mit der Bewerbung weiter?

Erbers Grundsätzlich: Eine Bewerbung für Olympische Spiele muss über den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB, die Red.) erfolgen. Das muss im Jahr 2023 geschehen, im Jahr 2025 werden die Spiele für 2032 vergeben. Die Entscheidung, ob der DOSB sich bewirbt, muss früher als 2023 fallen, spätestens 2021 sollte Klarheit darüber herrschen.

Und wie geht Ihre Initiative dabei vor?

Erbers Uns ist es wichtig, frühzeitig mit den Menschen in den Dialog zu treten, um ihnen unser Konzept vorzustellen. Aktuell arbeiten wir am Papier für die Paralympischen Spiele und treiben die Themen rund um die vernetzte Mobilität und Digitalisierung weiter voran.

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