Krefeld „Ohne die Stadt ginge es schneller“

Krefeld · Grüne und FDP kritisieren den von SPD und CDU getragenen Haushalt. Wir fragten Krefelds Oppositionsführer nach Alternativen.

 „Dennoch ist sparen möglich. Die Stadt Solingen hat beschlossen, jedes Jahr durch Digitalisierung zwei Millionen Euro im Personalbereich einzusparen“: Joachim C. Heitmann, FDP-Fraktionschef im Rat.

„Dennoch ist sparen möglich. Die Stadt Solingen hat beschlossen, jedes Jahr durch Digitalisierung zwei Millionen Euro im Personalbereich einzusparen“: Joachim C. Heitmann, FDP-Fraktionschef im Rat.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Der Haushalt wird nun zum fünften  Mal von den Großen SPD und CDU getragen. Macht sich aus Ihrer Sicht so etwas wie die Arroganz der Macht breit?

 „Die Stadt Köln hat zum ersten Mal ihren Haushalt mit einem Nachhaltigkeitsbericht beschlossen. Es geht darum, welche Auswirkungen haben die Dinge, die wir heute auf den Weg bringen in 15, 20 oder gar 50 Jahren.“: Heidi Matthias, Fraktionschefin der Grünen im Rat.

„Die Stadt Köln hat zum ersten Mal ihren Haushalt mit einem Nachhaltigkeitsbericht beschlossen. Es geht darum, welche Auswirkungen haben die Dinge, die wir heute auf den Weg bringen in 15, 20 oder gar 50 Jahren.“: Heidi Matthias, Fraktionschefin der Grünen im Rat.

Foto: Jens Voss

Heitmann Wenn man so etwas beklagt, klingt man immer wie eine beleidigte Leberwurst. Den Gefallen tue ich denen nicht. Nein, die haben die Mehrheit, die sind sich einig und müssen sich nicht wundern, wenn sie eine Breitseite bekommen. Da wir nun außen vor sind, dann hat man freies Spiel und kann in Ruhe kritisieren. Wenn man mit einbezogen ist, muss man Kompromisse machen. Das müssen wir nun nicht. Damit kann ich leben.
Matthias Wir verstehen nicht, wieso Haushaltsanträge nicht mehr offen in den Ausschüssen diskutiert und abgestimmt werden können. SPD und CDU einigen sich auf eine Prioritätenliste, die dann ausschließlich im Finanzausschuss kurz vor der letzten Ratssitzung eingebracht und mit ihrer Mehrheit verabschiedet wird.

Warum sind die Grünen aus der Haushaltskoalition ausgestiegen?

Matthias Um das noch einmal klarzustellen: Es waren nicht wir, die die Zusammenarbeit beendet haben. Nach drei Jahren erfolgreicher gemeinsamer Haushaltsberatung wurde unsere ablehnende Haltung zu Fischeln Südwest und unsere abweichende Position zum Kommunalbetrieb von CDU und SPD nicht mehr akzeptiert. Obwohl wir dem Haushalt insgesamt zustimmten, machten wir stets auf die Frösche, die wir zu Gunsten des gemeinsam getragenen Haushalts schluckten, regelmäßig aufmerksam. Dass sie das auf Dauer nicht billigten, kann ich sogar verstehen.

Sie haben beide in Ihren Haushaltsreden kritisiert, dass die Sanierung des Haushaltes auf Einmaleffekten beruht und nicht nachhaltig ist. Wie kann man nachhaltig etwas ändern für Krefeld?

Heitmann Wir brauchen einen Personalentwicklungsplan und eine klare Aufgabenkritik in der Verwaltung. Wir denken immer nur additiv und fragen, was die Verwaltung noch alles tun kann. Wenn Sie sehen, dass in den nächsten 15 bis 20 Jahren 60 Prozent der Mitarbeiter ausscheiden, dann muss man ohnehin überlegen, wie man Lücken gefüllt bekommt, denn diese Stellen werden Sie alle unmöglich besetzt bekommen.  Man muss Aufgaben in Frage stellen, es gibt Spielräume, die nicht genutzt werden.  Und wir brauchen mehr Baugebiete, um Neubürger  anzusiedeln, die von ihrem Einkommen leben. Drittens brauchen wir eine ordentliche Ansiedlungspolitik für Unternehmen, die in Krefeld umsiedelen müssten oder nach Krefeld kommen wollen. ; deshalb haben wir gefordert, die Grundstücksgesellschaft mit mehr geld zum Ankauf von Grundstücken zur Entwicklung von Gewerbegebieten  auszustatten.

Die Stadt argumentiert aber, dass immer neue Aufgaben als Pflicht dazukommen, zum Beispiel das Personal für neue Kitas.

Heitmann Dennoch ist sparen möglich. Die Stadt Solingen hat beschlossen, jedes Jahr durch Digitalisierung zwei Millionen Euro im Personalbereich einzusparen.
Matthias Wir haben doch seit Jahrzehnten beim Personal gespart, mit äußerst negativen Folgen wie z.B. schleppende Bebauungsplanverfahren oder mangelhafte Verwaltungsleistungen.

Wo kann man dann nach Meinung der Grünen über die kritisierten Einmaleffekte hinaus sparen?

Matthias Wir meinen, die Haushaltsführung sollte viel stärker die langfristigen Auswirkungen von Ausgaben und Investitionen im Blick haben. Wir werben dafür, uns den sogenannten „Nachhaltigen Haushalt“ der Stadt Köln einmal näher zu betrachten. Hier geht man neue Wege, um nicht nur die Daseinsvorsorge, sondern auch die natürlichen Lebensgrundlagen für die Zukunft sicher zu stellen. Dabei geht es u.a. auch um Ressourcenschonung, Generationengerechtigkeit und ökologisches Bauen..
Heitmann Aber in Fischeln Südwest hätten Sie doch die Chance, ökologisches Wohngebiet zu entwickeln.
Matthias Uns geht es aber darum, nicht noch mehr Landschaft zu versiegeln. Auch bei einer noch so ökologischen Bauweise werden in Fischeln Äcker und Am Wiesenhof Weideflächen unwiderruflich zerstört.

Bleibt die Frage, wie Sie den Haushalt sanieren möchten, wenn nicht über neue Baugebiete. Die FDP sagt: Leute ziehen geht nur mit neuem Bauland; alles andere ist nicht realistisch.

Matthias Das sehen wir anders. Es gibt innerhalb des Stadtgebietes genügend Brachflächen, die man entwickeln kann wie z.B. das Gelände der Alten Feuerwache auf der Florastraße oder das ehemalige Kasernengelände an der Kempener Allee.

Aber ziehen Neubürger etwa aus Düsseldorf wirklich in die Stadt oder wollen die nicht in Randlage wohnen?

Matthias Aber das ist doch Denken von gestern.

Vielleicht denken die Leute ja wie gestern.

Matthias Hier ist die Stadt in der Pflicht attraktive Alternativen zu bieten, um weiterem Flächenverbrauch vorzubeugen. Mit städtebaulich intelligenten Lösungen mit hochwertiger Architektur und grünen Lungen, wo Kinder geschützt spielen und Mieter ihr Gärtchen anlegen können, wo sowohl öffentliche Bereiche, als auch private Rückzugsmöglichkeiten ansprechend gestaltet sind. Es muss nicht immer das Eigenheim mit Handtuch großem Garten sein.
Heitmann Mit ist nicht klar, warum das mit den Bebauungsplänen so lange dauert. Für den Wiesenhof zum Beispiel gab es einen Wettbewerb mit Jury, ein Konzept wurde prämiiert und ist durch alle Gremien durchgegangen, und was passiert jetzt? Gar nichts.
Matthias  Das liegt daran, dass ein für die Zuwegung wichtiges Grundstück bisher noch nicht erworben werden konnte.
Heitmann Wenn man das privaten Investoren überlassen hätte, wäre man sich längst handelseinig geworden. Jetzt aber tritt die Stadt auf, kauft dort auch Grundstücke und verkompliziert alles. Wozu investiert die Stadt in ein Wohngebiet, wo es private Investoren gibt?

Die SPD würde sagen: Weil sie die Grundstücke selber entwickeln und etwas Geld verdienen will.

Heitmann Das ist doch kurzfristig gedacht. Auf der einen Seite klagt sie, sie habe kein Personal, auf der anderen Seite hortet sie Grundstücke, um sie selber zu entwickeln.
Matthias Sie tun jetzt so, als ob es ohne die Stadt als Eigentümer wesentlich schneller ginge. Bebauungspläne müssen doch auch für private Investoren entwickelt werden.
Heitmann  Natürlich ginge es ohne die Stadt schneller.
Matthias Das stimmt doch nicht. Die Entwicklung an der Kempener Allee stockt ja auch, und da sind nur private Investoren am Zug.

Der Dissens ist deutlich. Die Ausgangsfrage ist doch: Wie kann die Stadt nachhaltig ihrer Finanzsituation verbessern. Kann man etwas tun, um Baugebiete schneller zu entwickeln.

Matthias   Ja, natürlich. Mehr Mitarbeiter einstellen. Das ist ja auch bereits geschehen. Mittlerweile sind wieder alle Personalstellen im Planungsamt besetzt.
Heitmann Jetzt muss es auch laufen, da sind wir gespannt.

Frau Matthias, an Personaleinsparungen glauben Sie nicht. Baugebiete in großem Stil wollen Sie auch nicht. Muss man dann nicht sagen: Eine Stadt wie Krefeld ist aus eigener Kraft nicht finanzierbar? Und bricht dann die Kritik an Einmaleffekten in sich zusammen? es bleiben doch nur noch Einmaleffekte etwa über hohe Steuereinnahmen.

Matthias

Das wird eine Gespensterdebatte. Wir haben ja über Jahrzehnte nichts anderes gemacht als gespart, am meisten bei der Gebäudeinstandhaltung und -sanierung. Das hat sich gerächt. Der derzeitige Zuwachs an Personal liegt im wesentlich am Kita-Ausbau. Die Kosten für eine Stadt senken Sie auf Dauer nur durch nachhaltige Entwicklungen. Die Stadt Köln hat in diesem Jahr zum ersten Mal ihren Haushalt mit einem Nachhaltigkeitsbericht beschlossen. Es geht nicht nur darum schwarze Zahlen zu schreiben; es geht darum, welche Auswirkungen haben die Dinge, die wir heute auf den Weg bringen in 15, 20 oder gar 50 Jahren. Unter diesen Gesichtspunkten wird jede Investition in Köln betrachtet und das ist vernünftig.
Heitmann  Alle Sanierungseffekte im Krefelder Haushalt gehen darauf zurück, dass wir seit zehn Jahren wirtschaftliches Wachstum haben. Wir wissen alle: Das geht vorbei, die nächste Konjunkturdelle kommt bestimmt.  Und dann?

Was ist mit Radikallösungen? Also: Stadtwerke und Wohnstätte verkaufen und Krefeld auf einen Schlag sanieren?

Heitmann Das hat Düsseldorf gemacht. Der Erlös wurde langsam verfrühstückt, die haben gewirtschaftet wie vorher, und jetzt kommt die Stadt wieder in einen gefährlichen Bereich. Wenn Sie nicht an die Aufwendungen nicht rangehen, nützt das alles gar nichts. Die Personalaufwendungen können reduziert vwerden. Neubürger, die auskömmlich verdienen, verhindern jedenfalls den Anstieg der sozialen Transferleistungen.
Matthias Ich meine: wir sollten uns den „Nachhaltigen Haushalt“ der Stadt Köln vorstellen lassen, um bestenfalls den gleichen innovativen Weg einzuschlagen, ressourcensparend, effektiver und mit größerem Weitblick zu wirtschaften.

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