Renaturierung im Hülser Bruch Pappeln verschwinden aus Krefeld

Krefeld · Das Hülser Bruch wird renaturiert. Die charakteristischen Pappeln werden Zug um Zug verschwinden und durch bruchtypische Bäume ersetzt, wie Eschen, Erlen, Vogelkirschen oder dem Baum des Jahres 2019, die Flatterulme.

 Eine gefällte Pappel im Hülser Bruch.

Eine gefällte Pappel im Hülser Bruch.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Krefelds neuer Stadtförster Jens Poschmann wird  in einiger Zeit ein Projekt beenden, das still und weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit seinen Lauf nahm und nimmt: die Renaturierung des Hülser Bruchs. Die Pappeln, die dort das Landschaftsbild dominierten, werden nach und nach ganz verschwinden und durch bruchtypische Bäume ersetzt:  Eschen, Erlen, Eichen, Vogelkirschen  und Flatterulmen. Die Flatterulme, so benannt nach ihren großen, im Wind flatternden Blättern, wird im Jahr 2019 als Baum des Jahres gewürdigt. „Hintergrund ist ein kleines Naturdrama: In den 80er Jahren gab es durch den Ulmensplintkäfer ein großes Ulmen-
sterben in Deutschland und Europa. Das ist überwunden, und die Flatter-
ulme hat sich als stabil erwiesen“, sagt Poschmann.

Seit den 90er Jahren sind die Pappeln im Bruch nach und nach weggenommen worden. Das liegt zum einen daran, dass die nach dem Krieg massenhaft gepflanzte Pappel nach 60, 70 Jahren nicht mehr standsicher ist. Zum anderen hat sich der Grundwasserpegel im Bruch wie im gesamten Krefelder Stadtgebiet geändert. „Nach den Hochphasen der Wasserentnahmen durch Verbraucher und Industrie in den 70er Jahren, die sinkende Grundwasserstände zur Folge hatte, ist der Wasserverbrauch mehr und mehr zurückgegangen“, erläutert Helmut Döpcke, dem als Leiter des Kommunalbetriebs Krefeld auch das Forstamt untersteht. Damit ändert sich auch der Wasserhaushalt im Bruch, so dass sich dort die Chance ergibt, den Baumbestand der alten Kulturlandschaft  wiederherzustellen. „Der Hülser Bruch“, sagt Poschmann, „profitiert vom steigenden Grundwasser. Wir wollen hin zu standortlich typischen Baumarten“. Ziel sei es, „eine naturnahe Entwicklung zuzulassen.

Der Prozess sei kompliziert, erläutert Döpcke,  die Prinzipien seien im KNEF, im „Konzept zur naturnahen Entwicklung von Fließgewässern“ hinterlegt. Es geht etwa um die Anlage von Pumpen, um den Wasserhaushalt im Bruch zu regulieren und eine ökologisch wertvolle,  wasserreiche Gräben- und Auenlandschaft wachsen zu lassen. Ein Sonderproblem stellt übrigens die Brombeere dar, erläutert Poschmann. Fachleute vermuten, dass der Reichtum an Stickstoff  im Boden das Wachstum des Strauches befördert. „Wenn wir nicht aufpassen, sind viele Flächen rasch von der Brombeere eingenommen“, sagt Poschmann.

 Stadtförster Jens Poschmann steht vor gefällten Pappeln aus dem Hülser Bruch. Diese Baumart wird immer mehr verschwinden.

Stadtförster Jens Poschmann steht vor gefällten Pappeln aus dem Hülser Bruch. Diese Baumart wird immer mehr verschwinden.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Der Austausch der Pappeln ist – auch aus Verkehrssicherheitsgründen - fast abgeschlossen. „In Krefeld sind noch vier Prozent der Bäume Pappeln“, sagt Poschmann. Der Austausch von Baumarten wird auch in den kommenden Jahren seinen Arbeitsalltag bestimmen. Das ist natürlich dem Klimawandel geschuldet. Die Sommer werden trockener, die Winter milder. Die Folgen für den bestehenden Baumbestand sind teils verheerend. „Noch zwei, drei trockene Sommer wie den von 2018, und es wird in Deutschland keine Fichte mehr geben“, sagt Döpcke etwa.  Der Borkenkäfer hat gegenüber dem geschwächten Baum leichtes Spiel. Für Stadtförster wie Poschmann heißt das auch: experimentieren und beobachten, welche Bäume mit den neuen Klimatrends klarkommen. „Krefeld  hat 39 flächig angepflanzte Baumarten; das ist viel“ sagt Poschmann. Ein guter Arten-Pool, um zu sehen, welche Bäume überleben.

Einige Trends sind schon klar: Roteichen sind sehr pilzanfällig; sie werden aus dem Baumbestand verschwinden. Stiel- und Traubeneichen hingegen haben sich als robust erwiesen. Bedroht sind Eschen; das Problem ist in Krefeld etwa vom Europaring bekannt, wo die Eschen gefällt werden mussten. Sie waren vom Eschentriebsterben befallen, das ein Pilz mit einem niedlichen Namen auslöst: das „Falsche  Weiße Stengelbecherchen“. Der Bergahorn hat mit der „Rußrindenkrankheit“ zu kämpfen; benannt nach einem Pilz, der sich unter der Rinde verbreitet und schwarz wie Ruß aussieht. Gut gedeihen in Krefeld Esskastanien und ausgerechnet Gingko-Bäume, die wegen ihrer Robustheit eigentlich ideale Straßenbäume wären, wegen ihrer nach Aas stinkenden Früchte aber bei  den Anwohnern solcher Alleen alles andere als beliebt sind. In Hüls fordern Betroffene sogar, eine Gingko-Allee zu fällen.

 Jens Poschmann steht im Hülser Bruch auf einem Teilstück, auf dem schon neue Eichen gepflanzt worden sind. Sie ersetzen unter anderem die Pappeln.

Jens Poschmann steht im Hülser Bruch auf einem Teilstück, auf dem schon neue Eichen gepflanzt worden sind. Sie ersetzen unter anderem die Pappeln.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Die Geschichte des Waldes und der Waldwirtschaft ist faszinierend und wechselhaft: „Im 15., 16. Jahrhundert war Deutschland fast waldlos“, erläutert Döpcke. Bergbau und Verhüttung forderten ihren Tribut, die Abholzung war rücksichtslos; Holz war so knapp, dass auf Waldfrevel, also Holzdiebstahl aus dem Wald, sogar die Todesstrafe stand. Die Preußen haben Anfang des 19. Jahrhunderts mit systematischer Waldwirtschaft begonnen; durch sie wurde auch die Fichte zu dem deutschen Nadelbaum  schlechthin:

auch auf kargen Böden schnell wachsend.  Das Bild vom dunklen, wilden Wald, das die Romantik verherrlichte, war bis in die Nachkriegszeit prägend, berichtet Poschmann;  bis weit in die 70er Jahre herrschte das Ideal vom „Dunkelwald“, der dicht bewachsen kaum Licht bis zum Boden durchdringen ließ.  Unter dem Schock des Wald-
sterbens in den 80er Jahren wurde dann das Ökosystem Wald entdeckt. Pflege und Erhaltung des Waldes wurden nun immer wichtiger; am sichtbarsten vielleicht bei der Kalkung des Waldbodens, die bis heute  im Kampf gegen „sauren Regen“ eine Standardmaßnahme ist. „1990 wurde der Krefelder Wald unter das Landschaftsschutzgesetzt gestellt“, erläutert Döpcke. Der Vorrang  des  Schutzgedankens vor allen Bewirtschaftungsüberlegungen ist also relativ jung.

Auch Bäume unterliegen Moden und technischen Neuerungen. Pappelholz war früher das Material  für Obstkisten in allen Supermärkten; für viele Erwachsene eine Kindheitserinnerung  – „heute ist alles durch Kunststoff ersetzt“, sagt Döpcke. Im Gegenzug erlebe die Eiche „ein regelrechtes Revival“, sagt Poschmann; Eichenholz ist dementsprechend teurer geworden.

Nun, der Wald wächst langsamer, als Moden sich ändern. Vorrang in einem Kommunalwald haben heute Schutz, Pflege und – in Zeiten des Klimawandels - das Überleben des Waldes.

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