Krefelder Museen Buchschätze kommen ins Digital-Verzeichnis

Krefeld · Die Historische Bibliothek von Burg Linn wird Forschern weltweit zugänglich gemacht. „Buchschätze“ sind bis 4. November zu sehen.

 Ralf-Günter Stefan (links) arbeitet ehrenamtlich im Museum Burg Linn, hier mit Christoph Dautermann, stellvertretender Museumsleiter, in der historischen Bibliothek.

Ralf-Günter Stefan (links) arbeitet ehrenamtlich im Museum Burg Linn, hier mit Christoph Dautermann, stellvertretender Museumsleiter, in der historischen Bibliothek.

Foto: Stadt Krefeld

Die Welt ist heute nicht mehr ganz so, wie Gerhard Mercator sie einst geschildert hat. In wundervollen handkolorierten Zeichnungen hat er seinen Zeitgenossen im Jahr 1612 die damals bekannten Erdteile und Länder vorgestellt. Der Mercator-Atlas ist eines der Herzstücke aus der historischen Bibliothek des Museums Burg Linn. „Der Wiederbeschaffungswert läge heute bei mehr als 100.000 Euro“, hat Christoph Dautermann gesagt, als im Frühjahr die „Buchschätze“-Ausstellung begann, die noch bis zum 4. November schmucke, wertvolle und höchst seltene Exemplare aus der Sammlung zeigt. Die ältesten Schriften sind aus dem 15. Jahrhundert.

Ralf-Günter Stefan, ehemaliger Kriminalhauptkommissar, nimmt sich des wertvollen Bestandes ehrenamtlich an. Er erfasst die Buch-Kostbarkeiten, die Band an Band in den Holzregalen, die aus einer alten Krefelder Apotheke stammen, in der Bibliothek stehen. Etwa 15.000 Bände umfasst die komplette Bibliothek. 3440 gehören zur Historischen Bibliothek, sie stammen aus der Zeit vor 1900. Einige Schriften sind so selten, dass sie heute weltweit in keiner anderen Bibliothek nachgewiesen sind, andere werden in ganz wenigen in- und ausländischen Sammlungen aufbewahrt. Aber sie sind eben immer noch Arbeitsgrundlage für Forscher. Dautermann vergleicht die Linner Arbeitsbibliothek mit dem Bestand im Rokokosaal der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar. Für eine elfbändige Atlantenreihe von 1662, wie sie das Museum besitzt, müsste man laut Dautermann heute 400.000 Euro bezahlen.

 Ein echtes Prachtstück: Der Mercator-Atlas stammt aus dem Jahr 1612 und ist mit großer Könnerschaft handkoloriert. Der Band gehört zur Historischen Bibliothek des Museums Burg Linn und ist derzeit in der Ausstellung „Buchschätze“ zu sehen.

Ein echtes Prachtstück: Der Mercator-Atlas stammt aus dem Jahr 1612 und ist mit großer Könnerschaft handkoloriert. Der Band gehört zur Historischen Bibliothek des Museums Burg Linn und ist derzeit in der Ausstellung „Buchschätze“ zu sehen.

Foto: Petra Diederichs

Stefan arbeitet seit rund 20 Jahren ehrenamtlich für das Museum Burg Linn. Unter anderem wirkt er als Kurator mit wie für die jetzt laufende Sonderausstellung „Bücherschätze“. Sein Hauptaugenmerk gilt jedoch dem historischen Buchbestand des Hauses. „Ich bin in der Regel zwei Tage in der Woche hier“, sagt Stefan, der auch selber Bücher sammelt. Wenn die Bienen des Hobbyimkers in der kalten Jahreszeit weniger Zeit in Anspruch nehmen, wolle er vielleicht noch an einem dritten Tag kommen: „Das genaue Erfassen von Büchern ist sehr aufwändig.“ Denn er muss jeden Band einzeln in die Hand nehmen. Dabei hat er einen Blick für die Schäden, die die Zeit in die Bücher gefressen hat. Pergament ist relativ unempfindlich, aber Holzschliffpapier, wie es ab 1850 verwendet wurde, enthält Schwefelsäure. Durch chemische Prozesse wird es an der Luft braun und brüchig. Auch Eisengallus-Tinte zersetzt sich mit den Jahrzehnten. Stefan beschreibt den allgemeinen Zustand des Buches, listet Schäden auf, guckt, ob Seiten fehlen. Auch die Notizen sowie Randbemerkungen von einstigen Besitzern nimmt er auf und notiert, welche Stiche, Zeichnungen oder Notenblätter in einem Buch vorhanden sind. „Je nachdem, was man sucht, kann es wichtig sein“, erklärt Stefan. Soweit wie möglich führt er auch die Provenienz in seine Beschreibung ein, die er durch Namenseintragungen oder Stempel nachweisen kann. Bei einer Ausgabe von 1696 über das Leben und die Taten von Friedrich Heinrich von Oranien (1584 bis 1647) ist das der Fall: Handschriftlich wird es für 1788 dem Bestand einer Bibliothek zugeordnet, dann mit einem Stempel,  einem Schloss und letztlich dem Heimathaus des Niederrheins, das der ehemalige Leiter des Museums Burg Linn, Albert Steeger, in den 1930er-Jahren am Nordwall in Krefeld gegründet hatte. „Das Buch befindet sich in einem guten Zustand. Es sind sogar noch alle Stiche vorhanden. Die hat man gerne herausgenommen und einzeln teuer verkauft“, sagt Christoph Dautermann. Das in Amsterdam gedruckte Werk verfügt über eine große Anzahl von Abbildungen: Festungen, Stadtansichten und Seeschlachten. „Je mehr Kupferstiche, desto teurer wurde es“, sagt Stefan.

Damit Bücher, die weltweit nur einmal bekannt sind, Wissenschaftlern in allen Ländern zur Verfügung stehen, werden sie im „Karlsruher Virtuellen Katalog“ gelistet. Das ist eine Meta-Suchmaschine zum Nachweis von mehreren hundert Millionen Medien in Bibliotheks- und Buchhandelskatalogen. Die Linner Schätze werden nun auch digital erfasst. „So könnten Wissenschaftler erfahren, was wir in unserem Bestand haben, und damit arbeiten“, sagt Stefan. Etwa 700 Werke hat er bis jetzt detailreich beschrieben und in eine Datenbank eingepflegt. Dann nimmt sich Stefan das nächste Buch, öffnet eine neue Seite, schaut sich das Werk an und beginnt zu tippen.

Die aktuelle Sonderausstellung „Bücherschätze“ zeigt zum ersten Mal einen Einblick in den umfangreichen historischen Buchbestand des Museums Burg Linn. Die Schau gliedert sich in unterschiedliche Themenbereiche. Die Rettung historischen Kulturguts steht gleich zu Beginn an. Kartenwerke, Reiseliteratur, theologische Bücher, Geschichtswerke, Ausgaben über Recht und Naturwissenschaft werden durch ein umfangreiches Begleitheft erläutert. Private Leihgaben und Exponate aus dem volkskundlichen Bestand des Museums ergänzen die Druckwerke. Anhand einer mittig platzierten Zeitpyramide können Besucher die Veränderung der Buchprodukte nachvollziehen.

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