Aus den Stadtteilen Halsbandsittiche: exotische Einwanderer

Krefeld · Ein Schwarm der Exoten hat sich am Linner Greiffenhorstpark niedergelassen, sie sind aber auch in Bockum zu sehen.

 Ein asiatischer Halsbandsittich pickt an einer reifen Frucht. Die exotischen Vögel haben es gelernt, in der für sie ungewohnten Umgebung erfolgreich zu überleben.

Ein asiatischer Halsbandsittich pickt an einer reifen Frucht. Die exotischen Vögel haben es gelernt, in der für sie ungewohnten Umgebung erfolgreich zu überleben.

Foto: Achim Kemper

Der Greiffenhorstpark in Linn bietet die malerische Umgebung, in der Hundehalter ihren Liebling gerne ausführen. Die langgezogene Wasserfläche des Mühlengrabens und der lockere Baumbestand strahlen eine idyllische Ruhe aus. Plötzlich aber ist es damit vorbei. Ein Schwarm von rund zehn etwa elsterngroßen, grüngelb gefiederten Vögeln mit grellrotem Krummschnabel und langen grünblauen Schwanzfedern, die mehr als die Hälfte der Körperlänge ausmachen,  flattert in anarchischer Unordnung um einen zerklüfteten Parkbaum herum und taucht dann laut durcheinander zwitschernd, zirpend, tschilpend und piepend im Grün des Baumes unter.

 Ein Exot am Niederrhein.

Ein Exot am Niederrhein.

Foto: Achim Kemper

Es sind Zwergpapageien der Gattung Psittacula krameri, besser bekannt als Halsbandsittiche wegen des rosafarbenen Halsringes der Männchen Mitunter besucht der Schwarm die kleine Baumgruppe am Linner Bahnhof oder den nahen Golfplatz, wo die Schwarmvögle ihre Schlafbäume finden, wenn sie nicht gerade brüten. Norbert Peters wohnt in der Nähe. Er beobachtet die temperamentvoll lauten Zuwanderer nun im zweiten Jahr. Ihr Lärmen stört ihn nicht weiter, denn ihr farbenfrohes Federkleid ist auch hübsch anzuschauen. Die Sittiche hätten sich halt viel zu erzählen. Diskretion sei ihre Sache ohnehin nicht. Kritischer äußert sich Gerd Oletz, der unweit des Krefelder Zoos wohnt, wo sich bereits seit längerer Zeit ein Schwarm der Halsbandsittiche niedergelassen hat. Nachbarn würden sich über die großfleckige Hinterlassenschaften der Vögel auf dem Lack der Autos beschweren.

„Dass Zwergpapageien aus dem indischen und afrikanischen Raum bei uns heimisch wurden, ist eine Folge der Erwärmung des Klimas“, urteilt Achim Kemper vom Ornithologen-Arbeitskreis des Kölner Nabu. „Etliche Arten wie Höckerschwan und arktische Gänse werden auf Dauer im Rheinland verschwinden, andere werden sich als Neozäen hier ansiedeln.“ Psittacula krameri gehört dazu. Manche Biologen sehen in den Zwergpapageien eine invasive Tierart, die heimische Vögel verdränge. Sie fordern, das Bundesamt für Naturschutz (BfN) solle die Sittiche auf die neue Schwarze Liste setzen. Dort aufgeführte eingeschleppte oder zugewanderte Tierarten werden durch Entnahme der Brut oder Abschuss daran gehindert, sich weiter auszubreiten. Ob die Veränderung des Vogelbestandes im Latumer Bruch, das sich ganz in der Nähe des Greiffenhorstparks befindet, mit dem Aufkommen der  Sittiche zusammenhängt, ist nicht bewiesen. Ein Zusammenhang dürfte eher mit der allmählichen Austrocknung dieses Naturschutzgebietes bestehen.

Noch nicht beantwortet sind ökologische Schäden durch das vermehrte Auftreten von Sittichschwärmen. In ihren Heimatländern, wo sich die Sittiche hauptsächlich von Obst ernähren, haben sie sich regelrecht verhasst gemacht. Sie picken die Frucht nur an, statt sie ganz zu fressen, und fliegen dann weiter. Auch Maisfelder können zum Ziel werden. Daneben picken die Tiere bis zu anderthalb Meter lange Höhlen in die dicke Wärmedämmung von Häusern. Der Kölner Ornithologe fordert Korrekturen an der derzeitigen Stadtarchitektur zu machen, die die tierischen Zuwanderer in der Stadt stärker berücksichtigten.

Der wärmeliebende Halsbandsittich hat für seine allmähliche Ausbreitung vor allem das wärmere Mikroklima des Rheintals ausgesucht. Nach Kemper hat er es inzwischen auch nach Gummersbach, Münster und Aachen geschafft.  Auf das breite Nahrungsangebot in der Nähe der dortigen Städte haben sich die schlauen Sittiche spezialisiert. 120 verschiedene Samen, Blätter und Kerne in Parks und privaten Gärten dienen den Vegetariern als Festmahl. Zu einer Überpopulation wird es aber so schnell nicht kommen. Die Sittiche stehen auf dem Speiseplan von Mardern und Habichten. In sehr kalten Wintern erfrieren Teile der Krallen, so dass sie ihren Nistplatz nicht mehr erreichen können und verenden.

Achim Kemper weist den Vorwurf zurück, Halsbandsittiche würden heimische Vogelarten verdrängen. Die Sittiche seien eher Steigbügelhalter für andere Vogelarten wie Dohle und Hohltaube. Halsbandsittiche nisten standorttreu in den natürlichen Höhlen von Parkbäumen und leer stehenden Nisthöhlen von Spechten. Sie nehmen aber auch künstliche Brutkästen an. Durch ihre vergleichsweise frühe Brutzeit kämen sich die Konkurrenten nach der Einschätzung des bekannten Kölner Ornithologen nicht ernsthaft in die Quere. Im Gegenteil: Bäume wollen ihre Astlöcher und Nisthöhlen wieder verschließen. Mit ihrem scharfen Schnabel picken die Halsbandsittiche die Öffnungen wieder frei, die dann später brütenden Vögeln zur Verfügung stünden.

Mit der Mär, die Halsbandsittiche seien aus dem Kölner Zoo ausgebrochen, müsse er aufräumen, sagt Achim Kemper. In den sechziger Jahren hätten Kölner Geflügelzüchter die aus Indien stammenden Halsbandsittich-Jungvögel im Freiflug gehalten, da die erste Brut besonders standortbezogen sei. Bei einer Baumfällung sei eine Voliere zerstört worden. Die Tiere seien entkommen und hätten sich an die neue Umgebung gut angepasst. Den ersten Sichtnachweis habe es Anfang der Sechziger in Köln-Lindenthal gegeben.

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