Lesung in Krefeld Ein gelungener Abend mit Grosse und Krug
Generalintendant Michael Grosse las im „Theater hintenlink“ Ausschnitte aus den Kindheitserinnerungen des Schauspielers.
In Steißlage, also „mit dem Hintern zuerst“, sei er geboren und habe seiner Mutter damit große Schmerzen bereitet. Die Art und Weise, wie Manfred Krug den Beginn seines Erdenlebens schildert, ist für ihn typisch. Raue Schale, weicher Kern: Der prominente Schauspieler konnte durchaus ruppig und bärbeißig auftreten. Aber an Empathie für Menschen, denen er nahe stand, fehlte es ihm nicht. Das machen auch seine Kindheitserinnerungen „Mein schönes Leben“ deutlich, aus denen Michael Grosse im „Theater hinten links“ Auszüge rezitierte.
Geboren wurde Krug 1937, aber schon 1880 ging die Erzählung los – mit einem Rückblick auf „die Urmutter“, seine zu dieser Zeit 20 Jahre alte Urgroßmutter Johanna. Krug hat sie nie kennengelernt. Aber in ihrem Lebensweg, von dem ihm vor allem seine geliebte Großmutter berichtete, sah Krug ganz wesentlich die Wurzeln seiner eigenen Persönlichkeit begründet. Die taubstumme Frau aus Kattowitz diente treu als Haushaltshilfe einer reichen Familie. Nachdem sie ein Kind des Hausherrn entbunden hatte, setzte man sie vor die Tür. Aber sie fand wieder Arbeit in einer Töpferei, ihr Kind durfte sie zum Betrieb mitbringen.
Angekündigt war die Veranstaltung als szenische Lesung. Das konnte insofern missverstanden werden, als die Szenen aus Krugs Kindheit nicht gespielt, sondern vorgelesen wurden. Aber Szenerie fand trotzdem statt. In Peter Gutowskis stimmiger Inszenierung war Urmutter Johanna stets als Krugs Alter Ego auf der Bühne präsent. Wenn von ihr die Rede war, ließ Anuschka Gutowski die taubstumme Verwandte pantomimisch in Erscheinung treten, ließ sie die Wäsche aufhängen oder deutete gemeinsam mit Grosse die Annäherungen des Hausherren an. Die persönliche Sicht der Urgroßmutter kam aus dem Off. Für musikalische Untermalung sorgte Ruslan Maximovski mit dem Akkordeon.
Grosse rezitierte den Krugschen Text sehr lebendig, wechselte dabei Ort und Körperhaltung und ließ den Vortrag zu keiner Zeit langweilig werden. Natürlich war es auch der Text selbst, der das Zuhören leicht machte. Krug erwies sich als glänzender Erzähler - ebenso schnodderig wie pointiert. Immer wieder blitzte Krugs trockener Humor auf. Die keineswegs zimperlichen Erziehungsmethoden seines Vaters schilderte er mit glaubwürdiger Zwiespältigkeit. Die Angst vor den körperlichen Züchtigungen war unverkennbar, die Liebe zum Vater aber auch. Herrlich waren die Schilderungen der sehr unterschiedlich handelnden Nonnen im katholischen Kindergarten und der aus heutiger Sicht doch sehr gefährlichen Streiche in einer schlimmen Zeit. Als der kleine Manfred bei Kriegsende mehrere Waggons mit Sprengstoff zum Explodieren brachte, kam er mit dem Schrecken davon. Erwischt hat man ihn nicht.
Das begeisterte Publikum dankte mit langem, herzlichen Beifall.