Landgericht Krefeld: 69-Jährige schwer verletzt Mehr als sechs Jahre Haft für Geiselnehmer

Krefeld · „Es war ein extrem traumatisierendes Erlebnis für das Opfer”, betonte der Richter in seiner Urteilsbegründung.

 Der 47-Jährige wurde gestern zu sechs Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.

Der 47-Jährige wurde gestern zu sechs Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.

Foto: Samla Fotoagentur/Drabben

Vor knapp einem Jahr wurde eine Rentnerin am Krefelder Hauptbahnhof als Geisel genommen und vier Stunden festgehalten. Gestern verurteilte eine Kammer des Landgerichts den 47 Jahre alten Täter zu sechs Jahren und drei Monaten Haft. „Das war ein extrem traumatisierendes Erlebnis für die Frau“, sagte der Vorsitzende Richter in der Begründung. Der Mann habe zunächst seine Festnahme verhindern wollen, dann aber in Kauf genommen, dass die Polizei auf ihn schießt. Für ihn spreche, dass er versucht habe, die Frau zu beruhigen. Zudem habe er ein Geständnis abgelegt und sich in einer schwierigen Lebenslage befunden. Das Urteil ist rechtskräftig.

Deutliche Worte in Richtung des 47-Jährigen waren zuvor auch von der Staatsanwältin gekommen. „Das Sicherheitsgefühl der Allgemeinheit ist erheblich beeinträchtigt worden”, so die Anklagevertreterin, die sechs Jahre und sechs Monate Haft beantragt hatte. Mehrere Stunden sei die 69-Jährige bedroht und festgehalten worden: „Sie musste um ihr Leben fürchten!”

Zu der Geiselnahme komme, dass der Mann sich zuvor seiner Verhaftung entziehen wollte und die Beamten bedroht und mit Pfefferspray angegriffen habe. Dies sei als versuchte gefährliche Körperverletzung und Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte zu werten. Der Verteidiger sprach dagegen von einer Verzweiflungstat. Er griff das Geständnis seines Mandanten auf, in dem dieser davon sprach, er habe sich erschießen lassen wollen. „Er wollte lieber sterben als in Haft”, so der Anwalt.

Das Opfer wird die Tat ein Leben lang verfolgen. Die 69-Jährige war vier Stunden gegen ihren Willen festgehalten worden. Sie habe noch neun Minuten auf die Straßenbahn warten müssen und sich deshalb auf eine Bank gesetzt, erklärte die Frau in ihrer Vernehmung. Plötzlich sei ein Mann mit einem Messer gekommen und habe sie festgehalten. Er habe sie auf die Bank gedrückt und ihr die Klinge an den Hals gehalten. Zwar habe er immer wieder gesagt, sie müsse keine Angst haben, es werde ihr nichts geschehen, dennoch habe sie vor Panik kaum noch Luft bekommen. „Ich habe gedacht, ich sterbe jetzt”, so die Krefelderin. So richtig habe sie den Beteuerungen des Täters nicht geglaubt, dass sie sich keine Sorgen um ihr Leben machen müsse. Er habe die Polizisten aufgefordert, ihn zu erschießen. Besonders geschockt sei sie von den Worten gewesen: „Wenn ihr mich nicht erschießt, dann stech’ ich die ab!” Irgendwann war es den Mitgliedern des SEK gelungen, dem Angreifer in die Beine zu schießen. Der Täter ging dabei zu Boden und ließ das Messer fallen. Bei dem Einsatz wurde auch die 69-Jährige von einem Beamten mit einem Holzstab verletzt und erlitt einen dreifachen Nasenbeinbruch.

Eine Ex-Freundin des Angeklagten hatte damals kurz vor der Tat die Polizei verständigt, weil sie ein Messer von ihm gefunden und sich über mehrere Äußerungen des Mannes Gedanken gemacht habe. Am Tattag saß der 47-Jährige am Hauptbahnhof, als er von Polizeibeamten angesprochen wurde. Laut Anklage wollte sich der vorbestrafte Krefelder durch die Geiselnahme seiner Festnahme entziehen.

Ein Sachverständiger hatte im Prozess erklärt, dass er für eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten keine Anhaltspunkte sehe. Es sei keine tiefe Bewusstseinsstörung zu erkennen, auch sei die Tat nicht direkt auf übermäßigen Alkohol- und Drogenmissbrauch zurückzuführen. Man könne aber von einer mittelgradigen depressiven Störung ausgehen. Der Richter betonte, dass ein minder schwerer Fall bei einem solchen Geiseldrama nicht in Frage komme: „Es war ein extrem traumatisierendes Erlebnis für das Opfer.”

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