Handwerk in Krefeld Flüchtling aus Mali schafft es vom Analphabeten zum Bäckergesellen

Krefeld · Für Oumar Konaré hat der Gesellenbrief eine besondere Bedeutung. Der ehemalige Flüchtling aus Mali, der 2015 als Analphabet nach Krefeld kam, ist inzwischen Bäcker – und hat immense Freude an seinem Handwerk.

 In der Bäckerei Weißert machen Flüchtlinge eine Ausbildung: Auf dem Foto von links Christian Weißert, Omar Konaré und Karim Berete.

In der Bäckerei Weißert machen Flüchtlinge eine Ausbildung: Auf dem Foto von links Christian Weißert, Omar Konaré und Karim Berete.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Manche sprechen von Zufällen, andere von Fügung. Holger Weißert bezeichnet es als einen mehrfachen Lottogewinn. Ingrid Vogel sieht vor allen Dingen das Engagement und den unermüdlichen Einsatz eines jungen Menschen. Oumar Konaré, um den es geht, ist indes einfach nur glücklich. Dem 30-Jährigen, der zusammen mit seinen Kollegen in der Backstube der Bäckerei Weißert steht und gerade Brötchen formt, sieht man die Freude an seiner Arbeit an. Das Bäckerhandwerk liegt ihm auf der ganzen Linie. „Es macht mir Spaß“, sagt der junge Mann mit einem Lächeln.

Als er im Jahr 2015 nach Deutschland kam, stellte sich die Welt noch ganz anders dar. Traumatisiert von den Erfahrungen der Flucht, die ihn von Mali in Westafrika bis letztlich nach Krefeld führten, sah die Zukunft für den Analphabeten, der kein Wort Deutsch, lediglich etwas Französisch und seine Muttersprache sprach, nicht gerade rosig aus. Seinerzeit untergebracht in der Turnhalle des Fichte-Gymnasiums  stand er Sylvester 2015/16 etwas verloren für sich alleine auf dem Westwall. Eine junge Krefelderin sprach ihn an, und es ergab sich ein Gespräch, in dem Konaré von sich erzählte. Sie berichtete ihren Eltern, die im Sozialbereich tätig sind,  von dieser Unterhaltung. Die Familie lud den Afrikaner daraufhin zu sich ein, und der Funke der gegenseitigen Sympathie sprang über. Die Krefelder Familie machte dem Flüchtling das Angebot, in ein freistehendes Zimmer im eigenen Haus einzuziehen. Konaré zog um und bekam nicht nur ein Zimmer, sondern Familienanschluss.

Anfang 2016 lernte er beim Flüchtlingssingen Ingrid Vogel kennen. „Mir gefiel, wie engagiert Oumar war. Er arbeitete ehrenamtlich beim Verein Anstoss im Gartenbereich, machte einen Alphabetisierungskursus und war voller Motivation, die deutsche Sprache zu lernen“, erinnert sich die ehemalige Deutschlehrerin. Sie wollte ihm gerne helfen, eine richtige Ausbildung zu beginnen, und überlegte, wo es einen Mangel an Auszubildenden gibt und welcher Beruf auch Zukunftsaussichten in seiner Heimat mit sich bringen würde, wenn Konaré abgeschoben werden sollte.

Schnell war klar, es ist das Bäckerhandwerk. Vogel sprach den Lehrlingswart Holger Weißert an und erzählte von Konaré. Weißert, der selber ausbildet, half. Es folgte ein so genanntes Eingliederungsjahr in der Bäckerei. In dem zeigte der Afrikaner seine Motivation und Lernwilligkeit. Sein Deutsch verbesserte er kontinuierlich mit Hilfe von Vogel, die wöchentliche Nachhilfestunden gab. Für Weißert war nach dem Jahr klar, dass er Konaré eine Lehrstelle geben wollte. Das Engagement des Afrikaners, seine Pünktlichkeit und vor allen Dingen seine Freundlichkeit und die Liebenswürdigkeit überzeugten.

„Es war sicherlich für beide Seiten nicht immer einfach. Oumar musste nicht nur ein Handwerk erlernen. Dazu kam, er hatte gerade erst lesen, schreiben und rechnen gelernt“, sagt Weißert. Man habe etwas nahezu Unmögliches möglich gemacht, fügt er an. Dass Konaré die Gesellenprüfung mit der Note befriedigend abgelegt hat, freut nicht nur den frisch gebackenen Gesellen, sondern auch den Ausbildungsbetrieb und Vogel. Der Bäckermeister hat den Schritt in keiner Weise bereut und der Ausbildung direkt einen Anstellungsvertrag folgen lassen. Nicht nur für Weißert, sondern generell für die Handwerksbetriebe stellen Menschen mit Migrationshintergrund einen wichtigen Faktor dar. Es herrscht Nachwuchsmangel und in Bäckereien sowie Fleischereien ist man froh, geschickte Handwerker zu bekommen.  „Das Handwerk baut auf die Schutzsuchenden“, sagt Weißert. Von den 18 Schülern der Bäcker-Ausbildungsklasse, die Konaré besuchte, nannten 13 einen Flüchtlingshintergrund ihr Eigen.

(tref)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort