Corona und Klimaschutz Fahrradhändler in Krefeld hoffen auf Boom

Krefeld · Seit Monaten steigen Verkaufs- und Reparaturzahlen in der Branche deutlich. Der Winter wird nun zeigen, ob es ein nachhaltiger Trend ist. Noch sind die Händler vorsichtig, hegen aber große Hoffnungen auf dauerhaft gute Zeiten.

 Mechaniker Lothar Jansen (l.) und Inhaber Hans Joachim Pilger von Zweirad Rundlauf werden mit Reparaturaufträgen regelrecht überschwemmt.

Mechaniker Lothar Jansen (l.) und Inhaber Hans Joachim Pilger von Zweirad Rundlauf werden mit Reparaturaufträgen regelrecht überschwemmt.

Foto: Sven Schalljo

Für viele Unternehmen und Wirtschaftszweige ist die Corona-Pandemie ein Desaster. Nicht so für die Fahrradbranche. Seit Jahresbeginn gehen nicht nur die Verkaufszahlen stetig nach oben, auch mit Reparaturen haben die Händler alle Hände voll zu tun. Die Arbeit ist kaum zu bewältigen. Allerdings fehlt es an ausreichendem Fachpersonal für Neueinstellungen. Aufgrund des traditionell schwachen Geschäfts im Winter scheuen die Eigentümer überdies, neues Personal anzuheuern. Die Hoffnung auf dauerhaft gute Zeiten aber wächst.

„Was hier von April bis August los war, war regelrecht biblisch. Die Menschen standen fast immer in Schlangen hier und haben ihre Räder zur Reparatur abgegeben. Teilweise waren es komplette Sanierungen, und es war deutlich zu sehen: Die Leute haben Räder aus dem Keller geholt, die 20 Jahre nicht genutzt wurden. Da kamen dann oft Reparaturen von 200 oder 300 Euro zusammen“, sagt Hans Joachim Pilger, Inhaber von Zweirad Rundlauf an der Philadelphiastraße. „Wir haben normalerweise sehr kurze Reparaturzeiten. Aber in den vergangenen Monaten dauerte es oft über eine Woche. Die Arbeit war schlicht nicht bewältigen“, fährt er fort.

Wenige Meter weiter, bei Maxxi4you, war die Situation etwas entspannter. „Wir sind vor allem ein Onlinehändler. Und in unserem Geschäft haben wir ebenfalls eine massive Nachfrageerhöhung festgestellt. Aber Reparaturen gingen bei uns immer recht schnell, weil die meisten Leute gar nicht wussten, das wir auch reparieren. Wir waren in dieser Zeit sozusagen ein Geheimtipp“, erzählt der stellvertretende Geschäftsleiter Andreas Igrec. Wegen der Pandemie und der nachfolgenden Nachfrage hatten er und seine Mitstreiter das Geschäft sogar erweitert und neue Räume zusätzlich bezogen.

Es sind die ersten spärlichen Ausläufer einer in der Branche wachsenden Hoffnung: „Bislang ist sogar die Ausbildung schwierig. Denn wenn ich über drei Jahre zwei oder drei Auszubildende habe, die jeweils 600 Euro im Monat verdienen, dann ist das im Winter ein Problem. Unser Geschäft ist sehr saisonal, und wir können einfach keine Stundensätze von 150 oder 180 Euro wie im KfZ-Bereich nehmen. Das stünde in keinem Verhältnis zum Wert vieler Fahrräder“, berichtet Rolf Langer, Obermeister und Inhaber von Fahrzeug Kessler an der Friedrich-Ebert-Straße. „Aber wenn sich die Stimmung hält, wie sie im Moment ist, dann könnte es künftig einfacher werden. Das sehen wir aber erst im Frühjahr in der Rückschau“, fährt er fort.

Diese Hoffnung teilt auch Renate Hommen, Fachverkäuferin von Fahrrad Mücke an der Marktstraße. „Wenn der Winter nicht so hart wird, es nicht so viel Frost und Dauerregen gibt, dann könnte es tatsächlich eine nachhaltige Entwicklung geben“, hofft sie. Trotzdem sei mit einer Entspannung zu rechnen. „Normalerweise hatten wir Reparaturzeiten von einem Tag. Derzeit sind es drei Tage. Das sollte sich im Winter wieder einpendeln“, sagt sie.

Dabei sind sich die verschiedenen Fachhändler einig, dass die Trends in eine vielvesrprechende Richtung zeigen. „Mir fällt auf, dass ganz viele Kunden im Gespräch sagen, sie wollten das Fahrrad dauerhaft zum Beispiel für den Arbeitsweg nutzen“, erzählt Pilger. Das zeige auch die Qualität und Ausführung der neu verkauften Räder. „Dass E-Bikes und Pedelecs heute dreißig Prozent des Geschäfts ausmachen, ist bekannt. Aber auch kleinere Lastenräder mit zusätzlichen Halterungen und Körben werden extrem nachgefragt. Komplette Lastenräder führen wir nicht, darum kann ich dazu nichts sagen“, sagt er. Auffällig sei aber die steigende Zahl der Fahrradanhänger.

„Das betrifft solche für Material, Kinder und sogar Hunde. Gerade diese sehe ich derzeit extrem häufig. Die Menschen packen ihren Hund in den Hänger, machen eine Radtour und gehen dann während der Tour zwischendurch mit dem Hund spazieren. Das betrifft sogar nicht einmal nur kleinere Hunde“, beschreibt er seine Beobachtungen.

Damit sei zumindest die Möglichkeit da, dass der kurzfristige Trend einen langfristigen Boom auslöse. Zumal auch die Politik auf den Zug aufspringt. „Vor zwei, drei Jahren hat niemand über Radverkehr gesprochen. Heute setzt es restlos jeder Politiker auf die Agenda. Ob es umgesetzt wird, muss man abwarten, aber die Zeichen sind da“, sagt er.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort