Krefeld 100 Jahre Fabritianum: Es begann mit einer Bildungsrevolution

Vor 200 Gästen feiert das Uerdinger Fabritianum die Gründung als „Realgymnasium“ vor 100 Jahren – damals eine Revolution in der deutschen Bildungsgeschichte.

 Applaus von 200 Gästen: Das Fabritianum feiert Jubiläum – wie schon 1930, 1981 und 2005, wie der ehemalige Schulleiter Horst Obdenbusch in seiner Rede augenzwinkernd auflistete.

Applaus von 200 Gästen: Das Fabritianum feiert Jubiläum – wie schon 1930, 1981 und 2005, wie der ehemalige Schulleiter Horst Obdenbusch in seiner Rede augenzwinkernd auflistete.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Das Fabritianum ist die Schule der vielen Jubiläen. In seinem ebenso vergnüglichen wie nachdenklichen Vortrag zum Festakt der 100-Jahr-Feier des Gymnasiums am Mittwochabend hat der ehemalige Schulleiter Horst Obdenbusch augenzwinkernd die vielen Jubiläumsfeiern  der Schule aufgeführt:  1930 Hundertjähriges, 1981 350-Jähriges, 2005 50-Jähriges, nun nochmals das 100-Jährige. Ist das „Fabritz“ also, so fragte Obdenbusch, „eine echt rheinische Schule, die keine Gelegenheit zum Feiern auslässt?“ Vielleicht auch, aber nicht nur: Obdenbuschs Vortrag zeigte, dass die Jubiläen die Geschichte der Schule widerspiegeln.

 Schwelgen in der Schulfarbe Fabriz-Blau: Die Schule war mit zahlreichen Luftballons geschmückt.

Schwelgen in der Schulfarbe Fabriz-Blau: Die Schule war mit zahlreichen Luftballons geschmückt.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

So erlebten die Gäste des Festakts, darunter Staatssekretär im NRW-Bildungsministerium, Mathias Richter, einen Abend der Positionsbestimmung mit historischer Tiefe. Schulleiter Eric Mühle erläuterte in seiner Ansprache vor den rund 200 Gästen, es habe am  Fabritianum in den  vergangenen Jahren „eine zunehmend stärkere Fokussierung auf den naturwissenschaftlichen Bereich“ gegeben. Zwar betonen alle Gymnasien mittlerweile den MINT-Bereich, „dennoch glaube ich, dass wir uns inhaltlich klar von diesen abzugrenzen wissen: Die fortgeschrittene Wettbewerbskultur im MINT-Bereich wie auch die zahlreichen Preisträgerinnen und Preisträger, die bis auf Bundesebene Aushängeschild unserer Schule waren, zeugen davon, wie ernst wir diese Aufgabe nehmen und wie erfolgreich wir sind.“ MINT steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.

 Das Sinfonieorchester der Schule begleitete den Festakt musikalisch.

Das Sinfonieorchester der Schule begleitete den Festakt musikalisch.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Die Schule knüpft damit an das an, was gefeiert wurde: Vor 100 Jahren wurde die Uerdinger Oberschule als „Realgymnasium“ neu erfunden. „Real“ bedeutete: Der Schwerpunkt sollte auf den Realien der Welt liegen,  also auf Naturwissenschaft und Technik. Dahinter stand ein historischer Umbruch in der deutschen Bildungstradition, die lange von Wilhelm von Humboldt und seinem vor allem geisteswissenschaftlich ausgerichteten Bildungsideal dominiert war. In der aufstrebenden Industriemacht Deutschland, erst recht in der Chemie- und Industriestadt Krefeld, wurde  naturwissenschaftliche Bildung immer wichtiger. „Ende des 19. Jahrhunderts war der Real-Schulgedanke geradezu revolutionär und bedeutete eine völlige Neuorientierung, resümierte dazu Obdenbusch.

 Eine Fünftklässlerin auf der Bühne bei einem Sketch über die Schule.

Eine Fünftklässlerin auf der Bühne bei einem Sketch über die Schule.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Auch skurrile, witzige, teils traurige  Anekdoten aus der Schulgeschichte kamen nicht zu kurz. Bildungspolitik war schon immer unterfinanziert, könnte man meinen: Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Uerdingen die Debatte, ob nicht zwei statt vier Lehrer für die „Höhere Bürgerschule“ reichen würden, berichtete Obdenbusch. Unter der Überschrift „Schulzucht“ verfügte die Schule 1914, dass der Direktor Schülern den Besuch geeigneter Gasthäuser freigeben dürfe. 1918 gab es einen Skandal um eine Bierzeitung zum Abitur, in der sich Schüler so deftig über die Lehrerschaft äußerten, dass der Direktor die Schulentlassfeier absagte. Weniger lustig: 1912 gehörten zum Turnunterricht auch Kriegsspiele – Präludium auf die Begeisterung, mit der die Deutschen 1914 in den Ersten Weltkrieg zogen.

 Das Sinfonieorchester der Schule spielte zur Feier des 100-jährigen Bestehen des „Realgymnasiums“.

Das Sinfonieorchester der Schule spielte zur Feier des 100-jährigen Bestehen des „Realgymnasiums“.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Beim Blick in die Zukunft plädierte Schulleiter Mühle auch für Gelassenheit. Er warnte davor, Digitalisierung, so wichtig sie sei, als Allheilmittel zu sehen, und zitierte aus der Fachzeitschrift Pädagogik: „Guter Unterricht wird durch den Einsatz moderner Medien noch besser, schlechtem Unterricht ist auch damit nicht zu helfen.“

 Die Theater-AG widmete sich mit Humor historisch wichtigen Momenten der Schulgeschichte wie der Stiftung durch den Kölner Weihbischof Laurentius Fabritius, der Namensgeber der heutigen Schule ist.

Die Theater-AG widmete sich mit Humor historisch wichtigen Momenten der Schulgeschichte wie der Stiftung durch den Kölner Weihbischof Laurentius Fabritius, der Namensgeber der heutigen Schule ist.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Und schließlich wurde an diesem Abend  nicht nur historisiert, problematisiert und prognostiziert, sondern auch gefeiert. Zu Beginn erklang in großer Besetzung mit fast 150 Chor- und Orchestermitgliedern die Schulhymne „Mein Fabritianum“. Die Fünftklässler aus der Hausaufgabenbetreuung und der Schülervertretung vermittelten, was das Fabritz aus Schülersicht ausmacht, die Theater-AG widmete sich mit Humor historisch wichtigen Momenten der Schulgeschichte wie der Stiftung durch Bischof Laurentius Fabritius oder der Hinwendung zur Koedukation in den siebziger Jahren; die sechs Tänzerinnen der Oberstufe reflektierten künstlerisch den Prozess des Erwachsenwerdens. Ein Clou: Statt einer klassischen Festschrift wurde den Gästen ein USB-Stick in Fabritzblau mit einer Dokumentation über die Schule überreicht, die der Video-Projektkurs ebenso erstellt hatte wie einen Imagefilm, der das Schulmotto „Miteinander zum gemeinsamen Ziel“  umsetzte.

Mathias Richter, Staatssekretär im NRW-Ministerium für Schule und Bildung, richtete der Schulgemeinschaft  Grüße von Ministerin Gebauer aus und hob auch hervor, dass die Schule mit Otto Fricke (Haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion) und Norbert Walter-Borjans (ehemaliger NRW-Finanzminister) zwei Politiker hervorgebracht habe, die offenbar bereits in ihrer Schulzeit gelernt hätten, gut mit Geld umzugehen.

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