Stadtgeschichte in Krefeld Ein Kataster der Stolpersteine

Krefeld · Es ist das umfassendste Suchportal in Deutschland mit Informationen zu den Gedenksteinen der Holocaust-Opfer, sagen die Kataster-Experten – und in Corona-Zeiten ein Angebot für besondere Stadtspaziergänge.

 Über das Portal im Internet können Interessierte nach den Namen der Opfer oder Adressen suchen. Mit einem Klick lassen sich weitere Informationen anzeigen, wie hier für Anna Herz.

Über das Portal im Internet können Interessierte nach den Namen der Opfer oder Adressen suchen. Mit einem Klick lassen sich weitere Informationen anzeigen, wie hier für Anna Herz.

Foto: RP

Rossstraße 249. Hier lebte Else Müller bis 1944 mit ihrer Familie. Mit dem letzten Transport ist die Tochter des jüdischen Metzgers Hermann Koppel am 17. September 1944 gemeinsam mit ihren beiden Töchtern deportiert worden. Zunächst ging es ins Arbeitslager Todt in Zeitz. Im Februar 1945 wurde sie nach Theresienstadt gebracht. Die Befreiung des KZ im Mai kam für Else Müller zu spät. Sie hatte sich freiwillig zur Krankenpflege gemeldet, als Seuchen ausbrachen, und sich angesteckt. Am 1.  Juni starb sie. Es war der Tag ihres 50. Geburtstags.

Gute 60 Jahre später: In den Bürgersteig vor dem Haus Rossstraße 249 setzt der Kölner Künstler Gunter Demnig am 18. Dezember 2006 einen goldenen Gedenkstein mit Else Müllers Namen ins Pflaster ein. Es ist der erste Stolperstein in Krefeld.

Inzwischen sind 174 Stolpersteine im Stadtgebiet verlegt worden, viele weitere sind geplant „Wir stehen noch am Anfang“, sagt Sandra Franz, Leiterin der NS-Dokumentationsstelle. 994 Opfer des Holocaust sind für Krefeld registriert. Und es gibt nicht nur jüdische Krefelder, die deportiert und ermordet worden sind, auch Widerständler, Menschen, die gegen Paragraf 175 verstießen oder geistig behindert, körperlich waren, wurden verfolgt, inhaftiert, getötet. „Wir können noch jahrelang Steine verlegen“, so Franz.

 An der Bahnhofstraße 48 in Uerdingen liegen die Stolpersteine für Antonie Coppel, geborene Herz, Anna Herz, Elisabeth Herz, Hedwig Herz, Hermann Herz und Alfred Coppel.

An der Bahnhofstraße 48 in Uerdingen liegen die Stolpersteine für Antonie Coppel, geborene Herz, Anna Herz, Elisabeth Herz, Hedwig Herz, Hermann Herz und Alfred Coppel.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Neu ist jetzt ein Kataster, ein Online-Portal, in dem die Stolpersteine gesammelt sind. Auf diese Datenbank ist das Team um Deike Herrmann, Leiterin des Fachbereichs Vermessungs- und Katasterwesen stolz. „In Deutschland gibt es unseres Wissens kein anderes Portal, das so viele Filter für gezielte Suchen bietet“, meint Udo Honnok, der die Datenbank gemeinsam mit seinem Katasteramtskollegen Friedrich Müller entwickelt hat. Das Portal ist per Handy, Tablet oder PC erreichbar. Es ist ein interaktives Angebot, das zahlreiche Möglichkeiten zur Suche und Erforschung bietet.

Zuerst öffnet sich eine Stadtkarte von Krefeld, die sich beliebig heranzoomen lässt und auch auf Luftbild gewechselt werden kann. Blaue Quadrate markieren die verlegten Stolpersteine, die helleren mit einem Schrägbalken stehen für Steine, deren Verlegung geplant ist. Für den 7. Oktober ist der nächste Termin mit Gunter Demnig in Krefeld geplant.

Auf jedem Steinsymbol ploppt der Name auf, dem dieser Stein gewidmet ist. So kann jeder Interessierte mit der Maus auf Forschungstour gehen und dabei in der Menüleiste die Funktionen auswählen, die er gerne möchte. Alles ist übersichtlich und selbsterklärend. Es gibt auch Anleitungen auf dem Bildschirm. Vom Steinsymbol aus geht es zu Informationen von Wikipedia und zu den ausführlichen Biografien, die der Historiker Burkhard Ostrowski von der NS-Dokumentationsstelle recherchiert und aufbereitet hat.

Das Portal bietet auch gezielte Suchen an, etwa nach Deportationsdaten, nach Gruppen von Deportierten, nach Geburts- oder Sterbedaten. Wer wissen will, wie viele und welche Steine im Umkreis von 500 bis 2000 Meter von seinem Standort oder an einer bestimmten Straße verlegt worden sind, wird ebenso fündig, wie der, der erfahren möchte, wer zu einem bestimmten Termin deportiert wurde.

Das Angebot funktioniert interaktiv: Es kann die Strecken zwischen zwei Steinen angeben: So können sich die Nutzer ihre eigenen Stolperstein-Routen durch die Stadt oder ein Viertel zusammestellen. Eigene Markierungen und Notizen sind auf dem eigenen Gerät sogar möglich. „Das ist interessant für Schulklassen, die sich hinterher austauschen oder Links zusenden wollen“, sagt Honnok. Und Sandra Franz ist überzeugt: „In Corona-Zeiten ist das ein zusätzliches Bildungsangebot, das für alle Altersgruppen funktioniert.“

Das Portal soll ständig wachsen. Sobald Biografien auch zu den geplanten Steinen ausgearbeitet sind, werden sie eingepflegt.

 Zugang ist über www.krefeld.de/de/vermessung/geoportal-krefeld/ - relativ weit unten auf der Seite ist der Link zu den Stolpersteinen. Oder www.villamerlaender.de

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