Diskussion über Drogenkonsumraum Faktencheck: Münster im Drogenrausch?

Krefeld diskutiert, ob Abhängige saubere Spritzen erhalten sollen. Die Linke behauptet, Vorbild Münster wolle den Drogenkonsumraum nicht mehr missen. Wir fragten nach: Welche Auswirkungen hat das Projekt dort?

 Auch der Düsseldorfer Drogenkonsumraum soll Vorbild für das Projekt in Krefeld sein.

Auch der Düsseldorfer Drogenkonsumraum soll Vorbild für das Projekt in Krefeld sein.

Foto: Bretz, Andreas

Irgendwann will es jede Großstadt klären: Was tun wir eigentlich mit all den Drogenabhängigen auf der Straße? Wegschauen, bestrafen oder helfen? Jetzt ist Krefeld dran – und es scheint, als einige sich die Politik auf Option drei. Die konkrete Idee klingt erst mal recht absurd: Ein Drogenkonsumraum, in dem Heroinabhängige mit kostenlosen Spritzen, Pflastern, Nadeln, Tupfern und Handschuhen versorgt werden. Das Fixen also noch fördern, mit Gratis-Besteck für den nächsten Schuss? Doch dahinter steht der Gedanke: Die Süchtigen konsumieren so oder so, und bevor sie es mit dreckigen Nadeln tun, lieber unter Aufsicht und mit sauberer Ausrüstung. Vorbild für diesen Raum ist ein ähnliches Projekt in Münster.

Heute Abend lädt die Linkspartei zu einer Podiumsdiskussion zum Thema ein. Zu den Referenten gehören auch der frühere Polizeipräsident von Münster, Hubert Wimber, und Indro-Geschäftsführer Wolfgang Schneider. Der Verein Indro betreibt den Konsumraum bereits seit Jahren. Wir haben uns in Münster umgehört. Funktioniert das Konzept Drogenkonsumraum tatsächlich?

Politisch ist das Projekt unumstritten. „Durch den Drogenkonsumraum geht der Konsum von Heroin und Kokain im öffentlichen Raum stark zurück“, sagt Jens Heinemann, Sprecher für Kinder, Jugend und Familien der CDU Münster. „Die Szene als solche wird durch das Projekt stark begrenzt und konzentriert sich nur noch auf einen einzigen Raum“, so der Ratsherr weiter. Es gebe zudem strenge Regeln. Der Konsum sei nur im Raum selbst erlaubt. Handel, Gewalt und Hehlerei seien natürlich verboten und werden bestraft. „Der Raum hilft den Süchtigen.“ Auch die SPD findet Lob für das Projekt. „Es ist viel einfacher, sich in eine Ecke zu setzen und dort zu konsumieren, als in den Raum zu kommen. Deshalb glauben wir, dass der Drogenkonsumraum gerade nicht für mehr Konsum sorgt, aber für einen kontrollierten“, sagt Maria Winkel, sozialpolitische Sprecherin der SPD-Ratsfraktion, die den Raum bereits mehrfach besichtigt hat. „Den Abhängigen wird es dort nicht gemütlich gemacht, alles ist bis zur Decke gefliest, die Atmosphäre ist erdrückend“, sagt sie.

Das Konzept Drogenkonsumraum – oder Fixerstube, wie es umgangssprachlich heißt – ist flächendeckend erprobt. in Deutschland gibt es 24 Konsumräume in 15 Städten und sechs Bundesländern. Völlig unumstritten sind solche Projekte nicht. Kritiker sprechen von rechtsfreien Räumen und vermuten, dass dadurch noch mehr Menschen Drogen konsumieren. Ein Blick auf die Zahlen des Drogenhilfevereins Indro scheint das zu stützen. So starben in Münster 2017 und 2018 mehr Menschen an den Folgen von Drogenkonsum (Alkohol und Tabak sind hier ausgenommen) als in den Jahren zuvor. Allerdings soll es sich dabei um Langzeiteffekte handeln, die aktuelle Drogenpolitik nicht auffangen könne. Nicht nur in Münster, in ganz NRW steigt die Zahl der Menschen, die an den Folgen von Drogenkonsum sterben. Auch werden immer mehr Drogen konsumiert. Nach Angaben des Bundeskriminalamts sei das aber überwiegend bei synthetischen Drogen wie LSD, Ecstasy und legalen psychoaktiven Stoffen der Fall. Konsumräume nutzen aber hauptsächlich Opiatkonsumenten. Deren Zahl sinkt derzeit.

Offiziell, so heißt es im Krefelder Rathaus, gibt es in der Stadt etwa 200 Abhängige, die sich regelmäßig Kokain und Heroin spritzen. Streetworker schätzen, die Dunkelziffer liege viel höher. Erstmals wurde das Projekt Drogenkonsumraum im vergangenen Jahr im Stadtrat diskutiert. Nachgefragt hat die Krefelder Verwaltung neben Münster unter anderem auch in Düsseldorf. Dort ist bereits vor Jahren ein Aufenthaltsraum eingerichtet worden. Kosten pro Jahr für die Stadtkasse: 1,4 Millionen Euro.

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