Wirtschaft Edelstahlwerke: Desaster abgewendet

Krefeld · Die Stahlkrise treibt die Konzerne um: Der Fortbestand der Deutschen Edelstahlwerke hing am seidenen Faden. Eine Entscheidung der schweizerischen Finanzmarktaufsicht vom Montag gibt Hoffnung. Gleichwohl wird es Einschnitte auch im Krefelder Werk geben müssen.

 Der Fortbestand der Deutschen Edelstahlwerke stand auf der Kippe: Das Foto zeigt eine Schmiedepresse im Krefelder Werk im Jahr 2008.

Der Fortbestand der Deutschen Edelstahlwerke stand auf der Kippe: Das Foto zeigt eine Schmiedepresse im Krefelder Werk im Jahr 2008.

Foto: DEW

Die Existenz der gesamten Deutschen Edelstahlwerke (DEW) mit allein gut 650 Beschäftigten in Krefeld stand auf des Messers Schneide. Die Konzernmutter Schmolz + Bickenbach hatte für sich und ihre Tochter ein düsteres Szenario gezeichnet. Demnach drohten alle Arbeitsplätze des Konzerns verloren zu gehen, die Aktionäre ihre gesamten Investitionen zu verlieren und das Unternehmen vor der Insolvenz zu stehen. Wie ernst die Lage war, das geht aus einer Beschwerde der Aktiengesellschaft an die schweizerische Finanzmarktaufsicht Finma hervor. Darin steht wörtlich: „Ohne (gestattete) Ausnahmen werden die großen Aktionäre sich nicht beziehungsweise nicht in ausreichendem Ausmaß an der Kapitalerhöhung beteiligen. Ohne die Kapitalerhöhung im geplanten Ausmaß von mindestens 325 Millionen Schweizer Franken steigt das Insolvenzrisiko für Schmolz + Bickenbach in erheblichem Maße.“ Schmolz + Bickenbach beurteilt die Verfügung der Finma als „einen krassen Fehlentscheid, weil alle Aktionäre einschließlich der Tausenden von Kleinaktionären alle ihre Investitionen verlieren und über 10.000 Arbeitsplätze weltweit, davon rund 800 in der Schweiz, verloren gehen würden“. Betroffen wären auch alle rund 650 Arbeitsplätze der Deutschen Edelstahlwerke in Krefeld.

Schmolz + Bickenbach focht die Verfügung deshalb an und hatte dagegen bei der Finanzmarktaufsicht Beschwerde eingelegt. Aufgrund der Sachlage war das Unternehmen  davon überzeugt, dass den Gesuchen von Martin Haefner (BigPoint Holding AG) und Liwet Holding AG entsprochen werden musste, um den „Fortbestand des Unternehmens zu sichern“.

Seit Montag gibt es nun Licht am Horizont für Aktionäre und Beschäftigte. Die so genannte Übernahmekommission hat der Beschwerde  stattgegeben. Schmolz + Bickenbach, ein weltweit tätiges Unternehmen für Speziallangstahl, hat am Montag einen positiven Bescheid zur Beschwerde gegen die Verfügung der Übernahmekommission erhalten. Damit kann die von den Aktionären vor einigen Tagen im Wege einer außerordentlichen Generalversammlung beschlossene Aktienkapitalerhöhung wie geplant durchgeführt werden. Die Ausnahme wurde unter Auflagen erteilt. Das Unternehmen zeigte sich erfreut darüber, dass die Finma die Beschwerde gegen die Verfügung der Übernahmekommission gutgeheißen hat. Damit können sich die großen Aktionäre wie geplant an der Rekapitalisierung des Unternehmens beteiligen.

Der mit einer branchenweiten Nachfrageschwäche und Verlusten kämpfende Stahlproduzent ist der benötigten Kapitalerhöhung damit einen wichtigen Schritt nähergekommen. Nach einer Einigung der beiden rivalisierenden Großaktionäre hatte auch die Mehrheit der Aktionäre im Vorfeld der Ausgabe neuer Aktien zugestimmt. Schmolz+Bickenbach sollen durch die Transaktion mindestens 325 Millionen Franken (295 Millionen Euro) zufließen, teilten das Unternehmen und die beiden größten Anteilseigner Martin Haefner und Liwet Holding mit.

Freigemacht wurde der Weg für die Transaktion durch eine Vereinbarung von Haefner und Liwet in buchstäblich letzter Minute: Haefner wird demzufolge im Rahmen der Kapitalerhöhung seine Beteiligung auf höchstens 37,5 Prozent aufstocken und Liwet ein Paket von 25 Prozent behalten.

Die Finanzmarktaufsicht (Finma) musste darüber befinden, ob sie eine Entscheidung der Übernahmekommission kippt, keine Ausnahmen von einer Angebotspflicht an die Streubesitzaktionäre im Zusammenhang mit der geplanten Kapitalerhöhung zuzulassen. Gegen das Verdikt der Übernahmekommission hatten sowohl Haefner als auch Liwet Beschwerde eingelegt. In der Schweiz muss ein Aktionär, der ein Drittel der Aktien erwirbt, den übrigen Anteilseignern üblicherweise ein Pflichtangebot unterbreiten.

Um Schmolz+Bickenbach hatte sich im Zuge der Kapitalerhöhung ein Machtkampf abgezeichnet. Haefner wollte 325 Millionen Franken frisches Kapital einschießen, hatte allerdings zur Bedingung gemacht, dass seine Beteiligung im Rahmen der Transaktion auf mindestens 37,5 Prozent steigt von derzeit 17,5 Prozent. Gegen das Vorhaben stellte sich anfangs der mit 26,9 Prozent momentan größte Eigentümer Liwet, über die der russische Milliardär Viktor Vekselberg an Schmolz+Bickenbach beteiligt ist.

Die Aktien von Schmolz+Bickenbach waren zwischenzeitlich vom Börsenhandel suspendiert. Dem Konzern macht die Krise in der Automobilbranche zu schaffen – im dritten Quartal stand unter dem Strich ein Verlust von 420 Millionen Euro. In Deutschland produziert Schmolz+Bickenbach an den vier Standorten Witten, Siegen, Krefeld und Hagen. Die Beschäftigten der Deutschen Edelstahlwerke müssen gleichwohl weiterhin mit Einschnitten bis hin zum Stellenabbau rechnen.

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